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Die Position von Sun in Patentrechtsfragen

27.06.2007
Der für Open Source zuständige stellvertretende Chefjustiziar von Sun, Damien Eastwood, äußerte sich im Gespräch mit CW-Redakteur Ludger Schmitz über Microsofts Patentansprüche gegen Open Source, Suns Open-Source-Lizenz CDDL, die künftige General Public License (GPLv3) und die Reform des US-amerikanischen Patentrechts.

CW: Was halten Sie von Microsofts Patentansprüchen gegen Open-Source-Produkte?

Eastwood: Microsoft Behauptung, 235 eigene Patente würden verletzt, und die Patentpassagen in ihren Verträgen mit Linux-Anbietern haben keinerlei Einfluss auf uns. Wir fanden es nur interessant, dass sie ihre Ansprüche quantifiziert haben. Vorher waren es nur vage Aussagen. Wir sind überrascht, dass sie keine höhere Zahl genannt haben. Solange sie nicht mit genau spezifizierten Vorwürfen kommen, geht es nur um eine Zahl.

Wenn die Vorwürfe präzisiert würden, könnten die Leute hinter den betroffenen Programmen analysieren: Ging es wirklich um Urheberrechtsverletzungen, oder wurden Banalerfindungen herangezogen? Die erste Verteidigungslinie wäre, dass bestimmte Patente gar nicht schutzwürdig sind. Die zweite Position wäre: Aus diesen oder jenen Gründen trifft das in Anspruch genommene Urheberrecht bei unseren Produkten nicht zu.

Sun-Justiziar Damien Eastwood: "Das Patentsystem muss reformiert werden."
Sun-Justiziar Damien Eastwood: "Das Patentsystem muss reformiert werden."

CW: Halten Sie es für möglich, dass Open-Source-Produkte Microsofts Urheberrechte verletzen?

Eastwood: Es ist möglich. Aber das ist nicht ein spezielles Problem von Open Source, sondern jeder, der Software entwickelt, könnte unwissentlich Microsoft-Patente verletzen. Momentan nimmt Microsoft nur Open-Source-Produkte ins Visier. Ebenso könnte SAP oder sonst eine Firma das Ziel sein.

CW: Auf der Open-Source-Seite gibt es mit dem Open Invention Network (OIN) eine Patentsammlung zur Verteidigung von Open Source. Ist es wirksam, quasi wie im kalten Krieg, mit massiver Vergeltung für einen Erstschlag zu drohen?

Eastwood: Das ist ein interessanter Verteidigungsansatz. Wirkungsvoller ist es aber, wenn ein Patenteigner seine Patente direkt verteidigt oder ihre Nutzung den Gegnern verweigert. Die OIN-Initiative ist definitiv etwas, das potenzielle Angreifer zurückschrecken lässt. Microsoft muss sich der Gültigkeit, Validität und Stärke seiner Patente schon sehr sicher sein, wenn sie 235 Patentverletzungen spezifizieren sollten. 235 ist keine große Zahl im Vergleich zu den Patenten, die das OIN inzwischen hält.

CW: Befindet sich Sun in Gesprächen mit anderen großen Patentbesitzern, die wie IBM oder HP ein großes Interesse an Open Source haben, um Microsoft oder andere mit einer gemeinsamen Patentlinie von weiteren Vorwürfen abzubringen?

Eastwood: Nein. Wir glauben, unser Patentportfolio ist stark genug, Angriffen allein entgegentreten zu können. Sun besitzt rund 6000 Patente, mehr als 1000 davon betreffen Software.

CW: Die Microsoft-Abkommen mit Novell, Xandros und Linspire bezeichnen einige als Friedensverträge, andere als Schutzgelderpressung. Wie nennen sie diese Agreements?

Eastwood: Microsoft hat erklärt, kein Patentaggressor zu sein. Tatsächlich hat die Firma in den letzten Jahren zweimal Patentprozesse als Kläger geführt. Umgekehrt haben sie sich in mehreren Dutzend Verfahren verteidigen müssen. Sie sind ein extrem gutes Ziel, weil sie tiefe Taschen haben. Und Microsoft wird eher viel Geld für eine außergerichtliche Beilegung eines Streits zahlen als für ein einziges Patentrechtsverfahren, das in den USA fünf bis zehn Millionen Dollar kostet.

CW: Was halten Sie von den Verträgen?

Eastwood: Ich bin mir nicht sicher, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen den so genannten Friedensverträgen und dem 235-Patente-Anspruch gibt. Die Frage ist, warum diese Linux-Unternehmen auf diese Verträge eingegangen sind. Dafür wissen wir einfach zu wenig von den Details. Es scheint aber ziemliche Geldflüsse in alle Richtungen gegeben zu haben, und über deren Hintergründe ist nichts bekannt.

CW: Sun erklärt, Solaris sei das bessere Linux. Geht jetzt Ihr Unternehmen als nächster "Linux-Distributor" einen Vertrag mit Microsoft ein?

Eastwood: Nein. Wir haben vor wenigen Jahren mit Microsoft einen umfassenden Vertrag abgeschlossen, der gleichzeitig diverse Gerichtsverfahren beendete. Dabei ging es auch um Interoperabilität und die Unterlassung von Klagen gegen unsere Kunden. Daher besteht jetzt für einen weiteren Vertrag nach Novell-Art kein Anlass. Für uns hat sich nichts geändert, auch nicht nach der 235-These von Microsoft. Wir sind nur überrascht, dass sie keine größere Zahl genannt haben.

CW: Würden sie Anwendern empfehlen, in Sachen Open Source besser vorsichtig zu sein?

Eastwood: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass Patente real und eine echte Bedrohung sind. Aber sie sind nicht nur eine Bedrohung für Open Source, sondern auch für jeden, der mit einem Anbieter konkurriert, der ein großes Patentportfolio hat. Das betrifft nicht nur Software, sondern auch Hardware. Sollte man deswegen nervös sein? Nein! Sollte man deswegen vorsichtig sein? Ja! Sollte man sich überlegen, von wem man kauft? Ja! Sollte man sich dafür interessieren, ob die Entwicklungsarbeit beim Anbieter so läuft, dass wahrscheinlich keine Urheberrechte verletzt werden? Ja! Sollte der Anbieter finanziell stark genug sein, um seine Kunden vor fremden Ansprüchen in Schutz nehmen zu können? Ja! Sollte der Anbieter ein starkes Patentportfolio haben, mit dem er Aggressoren zurückschlagen kann? Ja!

CW: Was halten Sie von der Strategie, Anwendern statt ihren Lieferanten mit Patentklagen zu drohen?

Eastwood: Oh nein, das ist nun wirklich nicht gut fürs Geschäft. Grundsätzlich ist ohnehin der Verkäufer einer Software ein besseres Ziel als der Anwender.

CW: Sun verwendet mit der CDDL eine eigene Open-Source-Lizenz und hat damit deren unüberblickliche Zahl erhöht.

Eastwood: Wir haben zwar mit der CDDL eine weitere zu der ohnehin großen Zahl von Open-Source-Lizenzen hinzugefügt, gleichzeitig aber andere OSI-zugelassene Lizenzen, zurückgezogen. Die CDDL ist eigentlich nur entstanden, weil die Mozilla Foundation damals wegen anderer Arbeitsanforderungen ein paar von uns erbetene Präzisierungen der Mozilla Public License nicht vornehmen konnte. Wir würden die CDDL sofort zurückziehen, wenn die MPL diese Präzisierungen bekäme. Wir wollen keine weiteren Lizenzen in die Welt setzen. Wir verwenden mehrere verschiedene Open-Source-Lizenzen, die bekanntesten sind BSD, CDDL, GPL und LGPL.

CW: Könnte Sun zugunsten der GPL, Version 3, von der CDDL Abstand nehmen?

Eastwood: Ich bin seit langem Mitglied in dem Komitee, das an der Formulierung der künftigen GPLv3 arbeitet. Wir sind gespannt, welcher Text Ende dieses Monats verabschiedet werden wird. Es gibt mehrere Punkte, bei denen wir hoffen, dass sie am Ende für Unternehmen wie uns ebenso gut ausfallen wie für die Community.

CW: Über welche Aspekte waren Sie zuletzt skeptisch?

Eastwood: Skeptisch ist nicht der richtige Ausdruck, vielmehr bedarf die GPLv3 einiger Präzisierungen, um divergierende Interpretationen zu verhindern. Dabei geht es insbesondere um die Terminierung der GPL, die Reichweite von Patentansprüchen und die defensive Verwendung von Patenten.

CW: Glauben Sie, in diesen Punkten wird es im letzten Moment noch Änderungen geben?

Eastwood: Ja, sehr wahrscheinlich. Ein großer Teil der Lizenz ist unumstritten, aber schon bei den letzten Entwürfen gab es im letzten Moment noch Änderungen.

CW: Viele kritisieren die GPLv3-Entwürfe als kompliziert im Vergleich zur GPLv2.

Eastwood: Das ist eine Frage der Gewohnheit nach 15 Jahren GPLv2. Aus juristischer Sicht hat diese Version aber eine Menge Löcher. Alles Neue erfordert zunächst einmal Umgewöhnung und Bewährung in der Praxis.

CW: Was ist Suns Position in der zunehmenden Patentrechtsdiskussion?

Eastwood: Wir sind der Ansicht, dass die ursprüngliche Intention des Patentrechts darin bestand, Innovation zu fördern. Es belohnt einen Erfinder finanziell dafür, dass er seine Neuerung anderen zwecks Nutzung zur Verfügung stellt und so weitere Fortschritte ermöglicht. Jetzt erleben wir aber, dass Patente nicht mehr dazu dienen, die Entwicklung der Wissenschaft, Industrie, Community und Gesellschaft voranzubringen. Sie werden dazu benutzt, individuelle finanzielle Ziele zu erreichen. Darum ging es dem alten Patentsystem nicht. Das hatte die Verbesserung der Gesellschaft zum Ziel - und nicht den Reichtum von Einzelnen oder Firmen.

CW: Was halten Sie von der Forderung, alle Softwarepatente aufzuheben?

Eastwood: Ich verstehe die Gründe für diese Forderung. Besonders vor dem Hintergrund, dass zunehmend Patent-Trolle unterwegs sind, Firmen, die nichts machen, nur Patente erwerben, um damit andere Unternehmen zu erpressen. Das ist keine Produktivität, kein Fortschritt, kein Vorteil für die Gesellschaft. Das Patentsystem muss reformiert werden. Besonders in den USA benötigen wir ein besseres Verständnis dafür, was ein Patent auszeichnet und was eine Banalerfindung oder eine unerhebliche Erweiterungen ist. Wir brauchen mehr und qualifiziertere Patentprüfer. Wir möchten einfachere Prozesse, um Patente widerrufen zu können. Es muss eine Limitierung der Schadensersatzforderungen geben. Wir unterstützen die angestrebte Reform des US-amerikanischen Patentsystems und sind ständig in Gesprächen mit allen, die auf diesem Weg wichtig sind. (ls)