"Die Orgatec hat die besten Zukunftsperspektiven"

23.10.1992

Mit Hans Wilke, Geschäftsführer der Messe- und Ausstellungs-GmbH, Köln, sprach CW-Redakteurin Beate Kneuse.

Daß sich die Büromöbel- und Ausstattungshersteller nach heftigen Querelen mit der Deutschen Messe AG Mitte der 70er Jahre von der Hannover-Messe verabschiedeten, um künftig in Köln eine neue Messeheimat zu finden, bewertet Hans Wilke heute mehr denn je als Glückfall. Die Krise im DV-Sektor geht nämlich auch an den Kölner Messemachern nicht spurlos vorüber. Namhafte Computer- und Peripherieanbieter erteilten der diesjährigen Orgatec Absagen, weil sich die Teilnahme für sie nicht mehr rentiert. Wilke sieht indes den Fortbestand der Messe nicht gefährdet. Die Angebotsstruktur orientierte sich konsequent am Arbeitsplatz Büro, dem die Zukunft gehöre. Deshalb sei die Orgatec hierzulande konkurrenzlos und habe - verglichen mit der CeBlT und der Systems als reine Computermessen - mittel- und langfristig die besten Zukunftsperspektiven.

CW: Herr Wilke, für bundesdeutsche DV-Messen wird die Luft zunehmend dünner. Viele Unternehmen, aber auch zahlreiche Besucher nehmen aus Kosten- und Zeitgründen nur noch an der CeBIT teil...

Wilke: Wenn die CeBIT diesen Status hat, ist er ihr zu gönnen. Aber die Orgatec ist keine Computermesse.

CW: Für Sie als Messechef der Orgatec kann dieser Umstand dennoch nicht erfreulich sein. Schließlich dürfte dies bedeuten, daß die Überlebensfähigkeit der Orgatec mittelfristig gefährdet ist.

Wilke: Davon kann keine Rede sein, auch wenn die Zeiten für die gesamte bundesdeutsche Messelandschaft derzeit schwierig sind.

CW: Worauf begründet sich Ihr Optimismus hinsichtlich des Fortbestandes der Orgatec?

Wilke: Die Orgatec ist in der deutschen Messeszene - und auch darüber hinaus - konkurrenzlos, weil sie die einzige Ausstellung von Weltrang ist, die sich in ihrer Angebotsstruktur konsequent am Arbeitsplatz Büro orientiert. Die Orgatec zeigt Einrichtung und Ausstattung, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Software und Büro- beziehungsweise Organisationstechnik. Deshalb läßt sie sich weder mit einer reinen Computermesse noch mit einer reinen Möbelmesse vergleichen.

CW: Dennoch wird der Stellenwert der Orgatec immer wieder an dem der CeBlT und dem der Systems in München gemessen.

Wilke: Wenn dem so ist, dann kann ich dazu nur sagen, daß die Orgatec von diesen drei Veranstaltungen mittel- und langfristig die besten Zukunftsperspektiven hat. Laut Statistiken arbeiten rund 68 Prozent der Berufstätigen in den alten Bundesländern im Dienstleistungsbereich, vor allem im Büro. Allein in der EG gibt es derzeit bereits an die 70 Millionen Büroarbeitsplätze. Das Büro ist der Arbeitsplatz der Zukunft, und Köln zeigt das dafür nötige Equipment.

CW: Auch an der Orgatec geht nicht spurlos vorüber, daß es in der DV - Branche derzeit ganz gewaltig kriselt.

Wilke: Eine Krise oder ein Strukturwandel im DV - Markt berühren natürlich eine große Fachmesse wie die Orgatec, die Spiegelbild dieses Marktes ist. Auch können wir die Krise sicher nicht aus der Welt schaffen. Dennoch zählen internationale Messeveranstaltungen zu den besten strategischen Instrumenten, ihre Folgen abzumildern. Nehmen Sie als Beispiel die Sättigungstendenzen im PC - Geschäft. Die lassen sich durch Innovationen, die auf der Orgatec vorgestellt werden, überwinden, aber auch durch die Erschließung neuer Märkte, etwa in den neuen Bundesländern oder auch Osteuropa. Hier ist die Orgatec die geeignete Plattform, um Kontakte zu knüpfen.

CW: Sie mußten sich aber mit Absagen einiger großer Firmen, beispielsweise Bull, abfinden.

Wilke: Es fehlen einige der Unternehmen, die besonders große wirtschaftliche Probleme haben. Wer die schwierige Situation im Markt meistert, ist auch in Köln dabei.

CW: Wirtschaftliche Gründe mögen sicherlich eine Rolle spielen. Viele Absagen wurden in der auch damit begründet, daß die Orgatec nur noch eine Regionalmesse ist und daß zunehmend die Fachbesucher ausbleiben.

Wilke: Diese Argumentation läßt sich nur schwer nachvollziehen, weil diese Unternehmen über Jahre hinweg unter den gleichen Bedingungen auf der Orgatec ausgestellt haben und mit den Ergebnissen zufrieden waren. Bemerkenswert sind solche Begründungen, wenn sie erst in Krisenzeiten angeführt werden.

CW: Da fahren Sie aber schwere Geschütze auf ...

Wilke: Gut, dann lassen wir Zahlen sprechen. 1990 waren laut Besucherbefragung 32,5 Prozent der 187 000 Besucher, also 60 000 Leute, Wiederverkäufer. Von diesen führten wiederum 39 Prozent Bürotechnik, 19,8 Prozent Einrichtung und 23,8 Prozent beides im Angebot. 67,5 Prozent waren Anwender, davon arbeiten 31 Prozent in der Industrie. Und wir stellten fest, daß fast 90 Prozent in ihrem Betrieb an Beschaffungsentscheidungen mitwirken. Was die Regionalität angeht: 1990 kamen rund 24 000 Fachbesucher aus dem Ausland. Das entspricht 13 Prozent. Dies ist FKM-geprüft (FKM ist die Gesellschaft zur freiwilligen Kontrolle von Messe- und Ausstellungszahlen, d. Red.) und somit nachweisbar.

CW: Groß ist der Anteil der internationalen Besucher dennoch nicht.

Wilke: Da ist Köln aber keine Ausnahme. Der nationale Besuch überwiegt auch bei anderen Großveranstaltungen der informationstechnischen Branche in der Bundesrepublik. Außerdem stellt sich die Frage, warum es immer wieder einer Messegesellschaft angelastet wird, wenn ein Aussteller mit dem Grad der Internationalität nicht zufrieden ist. Wer vor allem national organisiert ist und auch nur die deutsche Vertriebsmannschaft nach Köln schickt, darf nicht mit internationalem Besuch auf dem Stand rechnen. Der Besucherstamm der Orgatec ist international, aber er konzentriert sich auf die Stände der Anbieter, die die entsprechenden Ansprechpartner bieten können.

CW: Läuft aber die Orgatec durch das zunehmende Fernbleiben der Hardwarehersteller nicht Gefahr sich zu einer reinen Büromöbelmesse zu entwickeln?

Wilke: Diese Gefahr ist nicht in Sicht, zumal von einem zunehmenden Fernbleiben der Hardwarehersteller nur wegen einiger vereinzelter Absagen keine Rede sein kann. Außerdem entwickelt sich beispielsweise der Softwaresektor genau entgegengesetzt. Mit etwa 300 Anbietern ist dieses Segment auf der Orgatec stärker vertreten als je zuvor. Das sind vor allem die Unternehmen, deren Produkte speziell auf das Büro ausgerichtet sind und die den Besuchern die von ihnen gewünschten speziellen Anwenderlösungen bieten können.

CW: Dennoch wird von manchen DV-Ausstellern immer wieder die Dominanz des Büromöbelsektors beklagt.

Wilke: Lassen Sie mich zum Thema Büromöbelhersteller folgendes vorwegschicken: Daß die Deutsche Messe AG in Hannover Mitte der siebziger Jahre an den Büromöbelherstellern nicht mehr interessiert war, muß heute für die Orgatec mehr denn je als Glücksfall gewertet werden.

Wenn wir uns derzeit nämlich einzig auf die DV-Hersteller verlassen müßten, dann wären wir verlassen. 1992 stammen von rund 2070 beteiligten Unternehmen, davon kommt übrigens ein Drittel aus dem Ausland, etwa 720 Aussteller aus dem Büroeinrichtungs- sowie Ausstattungsbereich. An die 100 Anbieter stellen Organisationsmittel aus. Beide Gruppen zusammen machen also immer noch deutlich weniger als die Hälfte aus. Per saldo gibt es kein Übergewicht eines der Bereiche.

Gern außer acht gelassen wird allerdings, daß Möbelanbieter einen weitaus höheren Platzbedarf zur Präsentation ihrer Produkte haben.

Von der Orgatec-Gesamtausstellungsfläche von 260 000 Quadratmetern, eine Größenordnung, die nur von wenigen Messen erreicht wird, belegen die Möbelleute etwa 140 000 Quadratmeter. Somit kann man höchstens von einem flächenmäßigen Übergewicht sprechen. Außerdem achten wir konsequent darauf, daß kein Bereich dominiert. Das nämlich wäre für eine Messe wie der Orgatec, auf der der Besucher das Angebot für das gesamte Büro sehen will, fatal.

CW: Eine letzte Frage, Herr Wilke. Wie sehen Sie generell die Zukunft von DV-Messen? Die Hardware gerät immer mehr in den Hintergrund, da den Anwender zunehmend konzeptionelle und organisatorische Probleme bewegen, deren "Lösung" sich aber nicht ausstellen läßt. Müssen die Messeveranstalter nicht umdenken?

Wilke: Besser hätte ich die Philosophie der Orgatec gar nicht darstellen können. Unsere Messe und ihr Angebot orientieren sich an der Anwendung und damit an konzeptionellen sowie organisatorischen Fragen. Deshalb haben wir in Köln gemeinsam mit unseren Partnern aus Industrie und Handel auch schon sehr früh umgedacht und die Angebotsbereiche mit strengem Blick auf ihren Bezug zum Büro bereinigt. Die Struktur, die wir den Ausstellern vorgeben, umfaßt die Präsentation von Lösungen anstatt reiner Produkte, das Denken in größeren Zusammenhängen des Büros sowie das Eingehen von Kooperationen. Wir achten darauf, daß die Industrie dieser Struktur folgt.