Elektronische Informationsbeschaffung fordert Experten-Know-how:

Die Online-Recherche ist als Fulltime-Job anzusehen

15.04.1988

Zwischen 300 und 800 Mark kostet die Recherche in einer Informationsdatenbank. Die Gebühren werden sowohl nach Anzahl der gefundenen Informationen als auch nach Online-Zeit berechnet. Also gilt: Je geschickter die Abfrage ausgeführt wird, desto schneller und billiger ist sie. Rainer Donhauser* plädiert dafür, diese Aufgabe eigens dafür ausgebildeten Rechercheuren zu überlassen.

Die Zahl der angebotenen Online-Datenbanken hat sich in den letzten acht Jahren mehr als verdreißigfacht. Gab es 1979 weltweit etwa 120 Datenbanken, so sind es nach jüngsten Schätzungen zur Zeit ungefähr 4000 Dienste, die in einem erdumspannenden Kommunikationsverbund Informationen und Fakten anbieten. Wachsende Speicherkapazitäten und moderne Kommunikationstechnik haben entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen.

Die Hälfte der vorhandenen Datenbanken offeriert wirtschaftsrelevante Informationen wie zum Beispiel Daten über bestimmte Firmen, Produktentwicklungen und Marktabschätzungen; die anderen liefern Informationen aus der Technik, also beispielsweise aus Elektronik und Maschinenbau, sowie aus Naturwissenschaften wie Biologie und Chemie oder aus anderen Bereichen, zum Beispiel aus der Kulturwelt.

Zwei verschiedene Arten der Online-Datenbanken lassen sich unterscheiden: Weisen die sogenannten Referenz-Informationsdatenbanken lediglich auf die Informationen hin, so enthalten die Primär-Informationsdatenbanken bereits die eigentliche Information. Momentan haben die Referenz-Informationsdatenbanken die weitaus größere Bedeutung - wenn man die Börsen- und Finanzinformationsdienste ausnimmt.

Die Referenz-Informationsdatenbanken enthalten zumeist Hinweise auf Veröffentlichungen in Zeitschriften, Konferenzberichten, Büchern und Patenten, wobei der einzelne Hinweis neben den kompletten bibliographischen Daten zur Beschaffung der Originalliteratur auch eine kurze Zusammenfassung des Inhalts einschließt. Daneben gibt es auch noch Datenbanken, die nur auf eine Institution oder Einrichtung hinweisen; sie werden Directory-Datenbanken genannt.

Analog zu den wachsenden Möglichkeiten der Speichertechnik und Softwaretechnologie werden die Primär-Informationsdatenbanken immer wichtiger. Dabei gibt es drei unterschiedliche Ausprägungen: zum einen solche Datenbanken, die numerische Informationen, also beispielsweise Statistiken oder Börsendaten, enthalten, ferner Volltextdatenbanken, in denen vollständige Artikel, möglicherweise sogar mit Zeichnung, gespeichert sind, drittens Datenbanken, die zum Beispiel die Eigenschaften oder Reaktionen bestimmter Stoffe beschreiben und darstellen.

Die Primär-Informationsdatenbanken haben den Vorteil, daß die komplette Information zur Verfügung steht, sobald sie aufgefunden wurde. Im Gegensatz dazu muß der Volltext also die eigentliche Information bei den Referenz-Informationsdatenbanken erst noch beschafft werden.

Aufbau und Entstehung einer Fachinformationsdatenbank sollen am Beispiel eines Informationsdienstes erläutert werden, den die "Institution of Electrical Engineers" (IEE), London, für die Gebiete Elektronik, Physik, Meßtechnik und Computertechnologie editiert: Mitarbeiter des Verbands hatten bereits vor Entstehung der Datenbank Zeitschriften gesichtet und zu bestimmten Themen Referatdienste erstellt, die in Karteikartenform aufgebaut waren.

Im Zuge der elektronischen Speichermöglichkeiten wurden diese Referatedienste auf Magnetband übernommen, und damit war die Basis für die elektronischen Datenbanken gelegt. Derzeit wertet der Verband über 3000 Zeitschriften aus. Von allen Aufsätzen, die den Wissenschaftlern relevant erscheinen, stellen sie Kurzfassungen her, die den Inhalt im wesentlichen wiedergeben und zusammen mit den bibliographischen Daten aufgezeichnet werden. Das Ergebnis: zirka 2000 neue Informationen im Monat.

Große Rechenzentren kaufen oder mieten dann die so entstandenen Magnetbänder und bieten sie in Form einer Datenbank zur Nutzung an. Häufig werden hier Unternehmen tätig, die über große Rechenanlagen verfügen und deren Auslastung verbessern wollen beziehungsweise die auf dem Gebiet wirtschaftliche Wachstumsmöglichkeiten vermuten.

Diese Vertriebsgesellschaften oder "Hosts" verfügen über eine Software, die den Aufbau solcher umfangreicher Datenbanken unterstützt und dem Nutzer ein möglichst schnelles und bequemes Auffinden der Informationen erlauben soll. Der größte Anbieter weltweit hat über 250 solcher Datenbanken im Angebot.

Quasi auf Knopfdruck stehen die zu vielen verschiedenen Orten hergestellten Informationsdatenbanken überall zur Verfügung. Die Basis dafür ist ein gut funktionierendes Kommunikationsnetz, das keine Grenzkontrollen kennt. Aber auch innerbetrieblich lassen sich, sozusagen an jedem Schreibtisch, diese immensen Informations-Ressourcen zur Verfügung stellen.

Anders als in Bibliotheken und Registern kann in Datenbanken mit einer gezielten Suchkombination nach Informationen geforscht werden. Zum Beispiel ist es im Fall einer Patentdatenbank möglich, die Klasse, den Erfinder- oder Anmeldernamen und das Land zu kombinieren.

Um Recherchen in diesen Datenbanken durchführen zu können, sind folgende Voraussetzungen nötig: der Anschluß an ein Telekommunikationsnetz durch ein entsprechendes Abkommen und mit Hilfe eines Modems, ein Terminal oder ein PC sowie ein Vertrag mit dem Datenbankanbieter. Die Kosten für diese Einrichtungen hängen sehr stark vom Komfort des Systems ab; sie bewegen sich in der Regel zwischen 5000 und 15000 Mark.

Die Nutzungsgebühren setzen sich aus den Kosten für die Inanspruchnahme des Kommunikationsnetzes, für die Benutzung der Datenbanken und für die jeweils gefundene Anzahl von Zielinformationen zusammen. Die Kosten für des Kommunikationsnetz betragen zwischen 30 und 80 Mark pro Stunde; die Datenbanknutzung kostet stündlich zwischen 80 und 500 Mark; der Preis pro Zielinformation liegt bei durchschnittlich einer Mark, kann aber auch bis zu 200 Mark betragen, wenn es sich um einen kompletten Bericht handelt. Eine vollständige Recherche schlägt je nach Thematik, Art und Umfang der Fragestellung mit 300 bis 800 Mark zu Buche.

Nun hat die Sache allerdings einen Haken: Um in einer Informationsmenge von etwa sieben Millionen Informationseinheiten genau die Daten zu finden, die gerade gebraucht werden, sind gute Kenntnisse über Aufbau und Strukturierung der Datenbank nötig. Es reicht nicht, die Abfragesprache der Rechenzentren zu kennen; vielmehr ist es vor allem wichtig, über Aufbau und Strukturierung der einzelnen Datenbank Bescheid zu wissen und sich im Umgang damit Erfahrung anzueignen.

Natürlich sollen die Recherchen nicht auf eine einzige Datenbank beschränkt bleiben. Neben den Chemie-Informationen möchte man schließlich auch mal schnell Markt- und Firmeninformationen recherchieren können. Die Anzahl der Datenbanken, die zur Abfrage herangezogen werden, steigt dadurch sehr schnell an. Außerdem gibt es immer wieder neue Dienste, weshalb das Marktangebot ständig im Auge behalten werden sollte.

Die Folge davon ist: Das Recherchieren kann niemand nebenbei betreiben. Je nach Umfang der Recherchekapazitäten ist deshalb zu überlegen, bis zu welchem Punkt diese Dienstleitung an Experten außerhalb des Unternehmens vergeben werden sollte beziehungsweise ab wann es sich rentiert, eigenes Personal dafür auszubilden. Der Break-even-Point liegt je nach Branche bei einer Anzahl von etwa 60 bis 80 Recherchen pro Jahr.