Roland Berger-Studie zur Automobilbranche

Die OEMs und das disruptive Mobilitäts-Szenario

22.04.2016
Von 


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.

Erste Schritte in die Zukunft der Mobilität

Bedingt durch die steigende Bedeutung alternativer Antriebe - etwa Elektro-, Hybrid- oder Brennstoffzellen-Motoren - lösen sich die genannten Einstiegshürden immer weiter auf. Konzerne wie Google, die ihr Geld vor allem mit Daten verdienen, sehen die immer tiefer greifende Verschmelzung von Auto und IT als Chance, sich auch in dieser Branche zu etablieren und ein Stück vom "Autokuchen" abzuschneiden. Was können etablierte Unternehmen in dieser Branche also tun, um zu den Auto-Playern der nächsten Generation zu gehören?

Die OEMs versuchen ihrerseits, vor allem durch Kooperationen und Zusammenschlüsse (zum Beispiel im Fall des Kartendienstes Here), den Tech-Giganten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch die Analysten von Roland Berger haben sich die zahlreichen Initiativen, Zukäufe und sonstigen Aktivitäten der OEMs angesehen und kommen zu dem Ergebnis, dass die Autobauer bislang lediglich mit neuen Services experimentieren, die um ihre Kernprodukte herum aufgebaut werden, statt diese mit ihrem Kerngeschäft tatsächlich zu verschmelzen. Nichtsdestotrotz seien dies erste Schritte in die richtige Richtung, die auf einen sich vollziehenden Paradigmenwandel hindeuten.

Der Daimler-Konzern habe beispielsweise seinen Carsharing-Dienst "Car2Go" etabliert, während er seine Mobility-Solutions-Sparte konsequent durch kleinere Zukäufe wie etwa GlobeSherpa, Flixbus oder myTaxi erweitert habe. Ein weiteres Beispiel sei etwa die Akquisition der US-Mitfahrzentrale Lyft durch General Motors. Den Zusammenschluss von Audi, BMW und Mercedes für den Kauf des Ex-Nokia-Kartendienstes Here sieht das Beratungsunternehmen als weiteres Zeichen für einen Paradigmenwandel in der Industrie: Einerseits wolle man sich hiermit für den Tag rüsten, an dem hochauflösende Karten für das autonome Fahren unabdingbar werden, andererseits habe das Unternehmens-Trio durch die Akquisition aber auch verhindern können, dass der Kartendienst in die Hände eines Unternehmens wie Uber fällt.

Die Konkurrenz aus dem Silicon Valley, so Roland Berger, bringe die Entscheider der Autobranche auch dazu, ihre Management-Modelle auf flachere Hierarchien umzustellen. Insbesondere Volkmar Denner, CEO des Zulieferers Bosch, sei ein Verfechter von kleineren, agileren Teams, um rasch auf aktuelle Trends reagieren und neue Produkte oder Services schneller in den Markt bringen zu können.

Unterschätzte Silicon-Valley-Player

Geht es um neue Player, habe die Branche vor allem Tesla unterschätzt, so das Beratungsunternehmen. Auch wenn seine verkauften Stückzahlen weit unter denen der etablierten Hersteller lägen, sei Tesla ein harter Konkurrent - vor allem für die deutschen Premium-Autobauer - wenn es um Image und Innovationskraft gehe. Und auch wenn Tesla über die ersten neun Monate des Jahres 2015 an den Aktienmärkten rund eine halbe Milliarde Dollar verloren habe, seien die Erwartungen weiterhin groß, wie die Bewertung des Elektroauto-Pioniers mit 20 Milliarden Dollar belege. Auch hier zieht Roland Berger zum Vergleich eine deutsche Premiummarke heran: BMW habe im selben Zeitraum über 5 Milliarden Dollar verdient, werde aber "nur" mit 50 Milliarden Dollar bewertet. Dafür habe der Münchner Konzern 2015 über 2,2 Millionen Fahrzeuge der Marken BMW, Mini und Rolls-Royce verkaufen müssen, wohingegen Tesla geschätzte 50.000 Modelle für ihre Bewertung abgesetzt habe. Die Aussicht darauf, dass Silicon-Valley-Giganten wie Google, Uber oder Apple mit ihren unerschöpflichen, finanziellen Ressourcen künftig auch noch auf dem Markt in Erscheinung treten, könnte tumultartige Zustände in der Auto-Industrie auslösen, prophezeit Roland Berger.

Die Archetypen der zukünftigen Automobilbranche

Das Ergebnis all dieser Entwicklungen könnte laut Simulation in einer völlig neuen Rollenverteilung für OEMs und Zulieferer münden. Unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte mit Kunden aus dem Automotive-Bereich und Entwicklungen in anderen Branchen hat das Münchner Beratungsunternehmen fünf Archetypen der Autoindustrie der Zukunft identifiziert:

So meistern OEMs und Zulieferer die Herausforderungen

Natürlich beschränkt sich Roland Berger nicht darauf, ein Zukunftsszenario zu simulieren, sondern gibt auch Handlungsempfehlungen, wie Autobauer die Transformation ihrer Branche meistern können:

Fazit: Jetzt handeln um profitabel zu bleiben

CEOs in der Autobranche empfiehlt Roland Berger, sich Gedanken darüber zu machen, welcher Archetyp der Zukunft die besten Erfolgsaussichten für ihr Unternehmen verspricht. So könnten OEMs zu Mobility Service Providern oder Herstellern von Devices werden, während Zulieferer durch eine weitere Ausbildung ihrer Kompetenzen ebenfalls zu Herstellern aufsteigen könnten.

In jedem Fall sei es nötig, Kernkompetenzen und deren Relevanz neu zu bewerten, um als Unternehmen auf dem Markt der Zukunft profitabel bleiben zu können. Wer in der Autoindustrie des Jahres 2030 ein Wörtchen mitreden will, sollte sich also schon heute Gedanken über seinen Investmentplan machen. Es sei an der Zeit, so die Unternehmensberatung, die existierenden Strukturen auf den Prüfstand zu stellen und das Kostenproblem in den Griff zu bekommen, bevor mehr und mehr agile Rivalen die Autobranche in disruptiver Art und Weise aufmischen.