Kolumne

"Die Ölscheichs der Zukunft"

24.10.1997

Daß die Telekommunikation heute für eine funktionierende Weltwirtschaft genauso unverzichtbar ist wie die reibungslose Energieversorgung, ist jedem klar. Ohne internationale Telefonverbindungen und weltumspannende Datennetze geht zumindest in den großen Industrienationen gar nichts mehr. Weder Banken, Industrieunternehmen, Händler noch die Agrarindustrie könnten ihre Geschäfte ohne sie tätigen. Kurz, die Abhängigkeit von stabilem Nachrichtenaustausch ist mindestens so groß wie die vom Rohstoff Öl.

Damit endet die Vergleichbarkeit von Energieversorgung und Telecom-Infrastruktur allerdings nicht. Genauso wie bei Öl und Gas liegt die Macht über die Kommunikationsmittel in den Händen weniger, mit dem Unterschied, daß es sich hier nicht um Nationen handelt, sondern um Konzerne, die sich ihrerseits wieder zu weltumspannenden Konsortien wie Global One, Concert oder auf europäischer Ebene Unisource zusammenfinden.

Die wahnsinnig hohen Übernahmeangebote für den amerikanischen Carrier MCI, um den sich zur Zeit Worldcom, BT und GTE streiten (siehe Seite 12) machen deutlich, wohin die Reise geht: In wenigen Jahren werden eine Handvoll Player den internationalen TK-Markt kontrollieren. Sie diktieren die Preise für jedes Telefongespräch, jede Datenübertragung und jede Internet-Session. Die sogenannte Deregulierung dieses Marktes ist bloße Augenwischerei. Staatsmonopole wie die deutsche Telecom werden durch internationale Konsortien ersetzt, deren Tarife und noch wichtiger Infrastrukturmaßnahmen kaum noch kontrolliert werden können. Kleinere Unternehmen - als solche gelten im Telecom-Sektor auch Anbieter mit zig Milliarden Dollar Umsatz - haben allein keine Chance. Sie müssen sich an Playern wie NTT, AT&T, GTE, Worldcom etc. orientieren und sich deren Bedingungen diktieren lassen.

Diese großen Player sind die Ölscheichs der Zukunft. Nur sitzen sie noch fester im Sattel: Schließlich handelt es sich bei Telekommunikationsnetzen um keine Ressource, die irgendwann zur Neige geht. Außerdem lassen sich Datenübertragungskapazitäten nicht einlagern, um Abhängigkeiten zu verringern. Und last not least kann kein Staat gegen die AT&Ts dieser Welt einen Golfkrieg anzetteln, weil "elementare Interessen" bedroht sind.