Wertermittlung bei DV-Geräten:

Die Nutzungsfrequenz ist für den Zeitwert fast unerheblich

09.08.1991

Mit der steigenden Anzahl von DV-Systemen in der Wirtschaft und im privaten Bereich stellt sich immer häufiger die Frage der Bewertung von ganzen Anlagen oder einzelnen Geräten. Je nach Situation ist dabei zu unterscheiden zwischen Wiederbeschaffungswert, Zeitwert und Veräußerungswert.

Häufige Gründe für eine Wertermittlung bei EDV-Geräten sind:

- Umstieg auf ein größeres System, insbesondere dann, wenn dabei der Hersteller gewechselt wird, ist eine Inzahlungnahme des bisherigen Systems meist nicht möglich,

- Bewertung des Anlagevermögens bei Kauf, Fusion oder Auflösung von Firmen,

- Einbringung vorhandener Geräte als Sacheinlage bei der Neugründung einer GmbH oder der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft,

- Finanzierung von gebrauchten Anlagen,

- Verwertung von Anlagen im Konkursfall und

- Bewertung bei Schadensfällen (Brand, Diebstahl, Feuchtigkeit, Überspannung etc.).

Die üblichen Bewertungsmethoden für Geräte und Anlagen können hier meist nicht angewendet werden, da der DV-Markt sehr dynamisch ist und spezielle Kenntnisse der Geräte und des Marktes für eine

Bewertung erforderlich sind.

Aufgrund des schnellen Technologiefortschrittes und der damit verbundenen sinkenden Preise für Geräte einer bestimmten Leistungsklasse ist für die Bewertung von DV-Geräten grundsätzlich nicht vom ursprünglichen Anschaffungspreis auszugehen, sondern von dem Preis, der zum Bewertungszeitpunkt für die Anschaffung eines neuen Gerätes unter Berücksichtigung üblicher Rabatte etc. aufzuwenden ist (Neupreis). Der Zeitwert kann dann in Abhängigkeit vom Alter und von der voraussichtlichen Nutzungsdauer als Prozentsatz dieses Preises ermittelt werden.

Da die Hersteller die Leistungsdaten ihrer Geräte in sehr kurzen Abständen verbessern und häufig neue Modelle herausbringen, befindet sich häufig zum Bewertungszeitpunkt das gleiche oder ein gleichartiges Gerät nicht mehr am Markt, so daß dafür auch kein aktueller Listenpreis vorliegt. In diesen Fällen ist der Listenpreis für ein vergleichbares Gerät desselben Herstellers heranzuziehen, das in allen wesentlichen Punkten mindestens die Leistung des ursprünglichen Gerätes aufweist (Geschwindigkeit, Hauptspeichergröße, Plattenkapazität, Schnittstellen etc.)

Sofern der Hersteller ein vergleichbares Gerät nicht mehr anbietet oder der Hersteller nicht mehr existiert, muß ein vergleichbares Gerät eines anderen Herstellers herangezogen werden. Dabei ist darauf zu achten, daß auch die Hersteller vergleichbar sein sollten. So läßt sich das Produkt eines führenden Marktherstellers (zum Beispiel IBM oder Compaq) nicht mit einem sogenannten Noname-Produkt vergleichen, selbst wenn dessen Leistungsdaten gleich oder besser sein sollten.

Die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes

Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes (Neupreis) ist zu berücksichtigen daß Geräte heute meist nicht zum Listenpreis verkauft werden, sondern daß auch beim Verkauf eines einzelnen Gerätes an den Endkunden üblicherweise hohe Rabatte gewährt werden. Diese betragen je nach Anbieter und Gerät (sowie Geschick des Käufers) bis zu 30 Prozent, in Einzelfallen auch mehr.

Betriebssystem und andere Systemsoftware kann bei der Wertermittlung berücksichtigt werden, Anwendungssoftware, insbesondere Individualsoftware, sollte stets getrennt bewertet werden.

Der Zeitwert läßt sich in Abhängigkeit vom Alter des Gerätes als Prozentsatz des Wiederbeschaffungswertes (Neupreis) nach folgender Tabelle ermitteln. Beim Alter ist es weitgehend unerheblich, ob das Gerät innerhalb dieser Zeit viel oder wenig benutzt wurde.

Im ersten Jahr erfolgt eine relativ hohe Wertminderung, die unter anderem durch den Wegfall von Gewährleistung und Support bedingt ist.

Die rechnerische Nutzungsdauer ergibt sich in Abhängigkeit von der Art des Gerätes und vom Hersteller. Bei Markenherstellern, die eine langfristige Produktpflege gewährleisten, kann die Nutzungsdauer länger angesetzt werden als für Noname-Produkte. Bei aktueller Spitzentechnik wird die Nutzungsdauer in der Regel länger sein als bei Geräten, die auf relativ alter Technologie aufbauen. Die Nutzungsdauer in diesem Sinn ist keinesfalls der steuerlichen Abschreibungsdauer gleichzusetzen.

Zusätzliche Faktoren, die den Zeitwert beeinflussen, sind zum Beispiel der Erhaltungszustand des Gerätes (war das Geräte unter Wartung) oder die lokale Verfügbarkeit von Wartung und technischem Support.

Sofern nach dem Wert gefragt ist, der bei einem Verkauf des Gerätes zu einem bestimmten Zeitpunkt erlöst werden kann, so ist zusätzlich zu berücksichtigen, wie aktuell Angebot und Nachfrage für das spezielle Gerät sind. Ein etablierter Markt für Gebrauchtgeräte besteht, anders als zum Beispiel bei Autos, nur sehr eingeschränkt, die Preise können daher sehr stark variieren und sowohl über als auch unter dem rechnerischen Zeitwert liegen.

Produkte, die noch am Markt sind, oder bei denen eine Kompatibilität zu aktuellen Produkten besteht, sind besser verkäuflich als sogenannte Exoten oder Geräte aus ausgelaufenen Serien. Für die größeren Systeme von IBM und in sehr beschränktem Maße auch von DEC und einigen anderen Herstellern befinden sich von verschiedenen Firmen, die sich mit dem Handel und Verleasen von gebrauchten DV-Anlagen befassen, Listen für die gängigsten Gebrauchtgeräte am Markt. Diese Listen erscheinen regelmäßig und geben eine gute Übersicht für die aktuellen Marktpreise. Für die Geräte aller anderen Hersteller und insbesondere für den großen Markt der PCs Workstations und kleiner und mittlerer Mehrplatzsysteme helfen diese Listen nicht, hier ist nur eine Einzelbewertung unter Berücksichtigung der obenen beschriebenen Kriterien möglich.

Sofern zusammen mit der Hardware oder auch getrennt Software zu bewerten ist, gelten bei Standardsoftware hierfür bezüglich der Ermittlung des Neupreises weitgehend die gleichen Kriterien wie für die Hardware. Bei der Ermittlung des Zeitwertes spielt jedoch weniger das Alter eine Rolle, sondern die Frage, um welches Release es sich handelt und ob für das Produkt Support und Updates erhältlich sind.

Bei der Ermittlung des Veräußerungswertes ist zu berücksichtigen, daß verschiedene Hersteller in ihren Lizenzbedingungen eine Übertragung der Lizenz an Dritte untersagen; in solchen Fällen muß der Veräußerungswert mit Null angesetzt werden.

Individualsoftware und Programme, die an die speziellen Bedürfnisse des Anwenders angepaßt wurden, können nicht nach den hier beschriebenen Kriterien bewertet werden, sie erfordern stets eine individuelle Bewertung.

Die Praxis zeigt, daß häufig völlig falsche (meist zu hohe) Vorstellungen bezüglich des tatsächlichen Wertes von Geräten oder Anlagen bestehen. Besonders deutlich wird dies zum Beispiel bei der vorzeitigen Auflösung von Miet- oder Leasingverträgen. Zur Überraschung des Besitzers werden hier häufig Ablösesummen fällig, die weit über dem aktuellen Zeitwert liegen und gegebenenfalls einen geplanten Umstieg auf ein anderes System verhindern.

Die hier gemachten Ausführungen sollen vor solchen Überraschungen zu schützen. Sie können jedoch nur eine allgemeine Richtlinie darstellen, im Einzelfall beeinflussen oft verschiedene weitere Faktoren den Wert nach oben oder unten.