Die neuen RISC-Rechner sind astreine Macs Apple besitzt mit Power-Macs gute Reserven fuer die Zukunft

15.04.1994

Von Renate Regnet-Seebode und Heiko Seebode*

Zehn Jahre nach der Vorstellung des ersten Macs wirbelt Apple mit den Power-Macintoshes die Computerszene ein zweites Mal durcheinander. Im Test schlug die Stunde der Wahrheit.

Das Warten hat ein Ende. Nun sind sie da. Die Power-Macintoshes. Koennen die neuen Rechner, die mit Power-PC-Prozessoren arbeiten, die hochgesteckten Erwartungen von Millionen Anwendern erfuellen? Hat Hersteller Apple Wort gehalten, als er versprach, mit den Power- Macintoshes erhalte der Kaeufer Leistung pur zu einem moderaten Preis?

Eins ist klar, mit dem Kommen der Power-Macs hat fuer Apple ein Drahtseilakt begonnen. Die Firma stellt die gesamte Hard- und Software auf neue, schnellere RISC-Beine und verkauft gleichzeitig weiter traditionelle Macs mit 680x0-Prozessoren. Das eine tun und das andere nicht lassen? Halbherzige RISC-Engagements, wie sie die DV-Branche bereits des oefteren erlebt hat, sind aber Apples Sache nicht.

Das Unternehmen will nicht nur einzelne High-end-Anwender oder Techno-Freaks mit Workstation-Power begluecken, sondern in den naechsten anderthalb Jahren vom Powerbook ueber die Performas bis hin zu den Apple Workgroup Servern alle Systeme mit Power-PC- Prozessoren ausstatten. Dieser Chip ist Apples Antwort auf die Pentium-Konkurrenz aus der DOS-Windows-Welt und besitzt genuegend Reserven fuers 21. Jahrhundert.

Der Umbau beginnt in der Mittel- und Oberklasse mit den drei Modellen 6100/60, 7100/66 und 8100/80. Sie arbeiten mit dem Power- PC-Prozessor 601, die Zahlen hinter dem Schraegstrich verweisen auf die jeweilige Taktrate.

Als Einstiegssystem in die RISC-Welt konzipiert ist der rund 4700 Mark teure 6100/60 (samt Tastatur und 14-Zoll-Performa- PlusFarbmonitor). Ein attraktiver Preis. Das Mittelklassesegment besetzt der 7100/66, der drei Nubus-Erweiterungssteckplaetze hat und in puncto Outfit einem Quadra 650 oder Performa 600 gleicht. In der Grundversion kostet er etwa 6500 Mark. Das Flaggschiff der RISC-Familie ist der 8100/80, der zwar im gewohnten Minitower- Gehaeuse des Quadra 800 kommt, unter der Haube aber viele Neuerungen und Finessen verbirgt. Mit einer Taktrate von 80 Megahertz ist er der hochgetunteste Mac, den es je gab.

Standardspeicher reicht bei den kleinen Macs nicht aus

Der 8100/80 besitzt standardmaessig einen 256 KB grossen, sogenannten Second-Level-Cache (erweiterbar auf maximal 512 KB), damit der behende Prozessor nicht bei jedem Zugriff auf den "gemachen" Arbeitsspeicher oder die noch traegere Festplatte ausgebremst wird, sondern die fuer die naechste Operation benoetigten Daten ohne Zwangswarteschleife sofort aus dem schnellen Cache auslesen kann.

Die Cache-Moeglichkeit besteht optional natuerlich auch fuer die kleineren Power-Macintoshes. In der Grundversion mit 16 MB RAM und 500-MB-Festplatte kostet das Topmodell unter 12 000 Mark. Die beiden kleineren Power-Macs dagegen besitzen standardmaessig 8 MB Arbeitsspeicher - was immer noch ueppig klingt, in der Praxis aber nicht ausreicht. Denn RISC-Applikationen sind naturgemaess groesser und damit speicherhungriger als ihre CISC-Pendants. Nach unseren ersten Testerfahrungen koennen wir sagen: Erst 16 bis 20 MB RAM gestatten ein vernuenftiges Arbeiten.

Photoshop beispielsweise wuenscht, zumindest in der derzeitigen Version, 14 MB (bis dato genuegten 4 MB); Insignias Soft Windows setzt wenigstens 12 MB voraus, um seinen Dienst aufzunehmen; und selbst Clarisworks moechte im momentanen Stadium knapp 2 MB, waehrend es bislang mit 800 KB zufrieden war. Fazit: Wir werden uns auf noch handfestere Speicheranforderungen einstellen muessen.

Zumindest hardwaremaessig steht dem Weg zum Speicherkroesus nichts im Weg. Die drei Power- Macs lassen sich mit den bekannten 72-Pin- SIM-Modulen auf 72, 136 beziehungsweise auf 264 MB (8100) aufruesten. Aufgenommen werden sie von zwei (6100), vier (7100) respektive acht (8100) Steckplaetzen.

Der teuerste Rechner kann in puncto Speicherausbau also moeglicherweise guenstiger zu stehen kommen, weil keine so hochkapazitiven und damit teureren Single Inline Memory Modules (SIMMs) zu kaufen sind, um auf eine vernuenftige Speichergroesse zu kommen. Der kleinste Power-Mac praesentiert auf einem 14-Zoll- Monitor standardmaessig 32768 Farben gleichzeitig (15 Bit Farbtiefe), im 16-Zoll-Modus 256 Farben. Leider ist hier der Video-Arbeitsspeicher, mit dynamischem Speicher bestueckt, nicht aufzuruesten, um eine hoehere Aufloesung und eine professionellere Farbtiefe zu erhalten. Ein Ausweg fuehrt ueber die Grafikkarte eines Drittanbieters.

Im Gegensatz dazu verfuegt der 7100/66 neben der obligaten DRAM- Grundausstattung zusaetzlich ueber 1 MB schnelles Video-RAM, so dass dieser Power-Mac auf einen 17-Zoll-Bildschirm 32 768 Farben gleichzeitig zaubern kann; auf 21-Zoellern sind 256 Farben moeglich. Und richtig ueppig wird es beim 8100/80, der zusaetzlich zur DRAM- Grundausstattung mit 2 MB VRAM aufwartet. Damit vermag er auf einem 17-Zoll-Monitor in Echtfarben und im 21-Zoll-Modus bei 15 Bit Farbtiefe zu arbeiten. Ferner kann man den beiden grossen Power-Macs mit einer VRAM-Karte zu noch mehr Video-Arbeitsspeicher verhelfen. In der maximalen Ausbaustufe bringt der 8100 dann selbst auf einem 21-Zoll-Bildschirm 16,7 Millionen Farbnuancen zuwege. Keine allzu rosigen Zukunftsaussichten fuer Grafikkartenhersteller, zumal die integrierte Videologik, wie unsere ersten Tests zeigen, es sehr wohl mit beschleunigten Grafikkarten von Drittanbietern aufnehmen kann. Interessanter Nebenaspekt: Aufgrund des DRAM/VRAM-Konzepts lassen sich am 7100 und 8100 ohne Zusatzinvestition zwei Bildschirme gleichzeitig betreiben: am Grafikgrundsystem per neuem HDI-45-Anschluss und an der VRAM-Logik mit einem herkoemmlichen DB-15-Adapter.

Der neue Anschluss soll endlich mit dem Kabelsalat Schluss machen, den Desktop-Bus, Audiostrippen und nicht zuletzt das Multimedia- Equipment mit sich bringen. Alles ist nun in einem Kabelstrang vereint. Herkoemmliche Monitore erfordern indes einen Adapter (beim Apple-Haendler erhaeltlich), sollen sie am VRAM-Ausgang angeschlossen werden.

Oberstes Ziel allen Apple-Strebens ist es, dem Anwender den CISC- auf RISC-Umstieg moeglichst nahtlos und einfach zu gestalten. Groessere Kompatibilitaetsprobleme sollen unter allen Umstaenden vermieden werden. Daher haelt Apple vorerst an der herkoemmlichen Nubus-Architektur fest, obwohl sie nicht die schnellste ist und bei den hochgetunten RISC-Prozessoren rasch zum Flaschenhals wird. Der 32 Bit breite Nubus taktet schliesslich lediglich mit maximal 10 Megahertz.

Technisch spraeche also einiges fuer den PCI-Bus, der in IBMs Power- PC-Reference-Plattform eine wichtige Stelle einnimmt. Dennoch hat Apple dessen Implementierung erst einmal aufs naechste Jahr verschoben. Der PCI-Bus macht schliesslich alle "alten" Nubus- Boards obsolet und haette zudem Aenderungen im gesamten I/O-Gefuege des Mac-Betriebssystems zur Folge. So aber koennen Sie Ihre 680x0- Peripherie problemlos im Power-Mac weiterverwenden und muessen Ihre Netzwerkkarten nicht in den Wind schreiben. Natuerlich lassen sich auch Ihre alte Festplatte oder das MO-Laufwerk, formatiert in Zeiten vor dem Power-Mac, ohne Probleme am RISC-Mac betreiben. Die Drives werden wie gehabt gemountet, und SCSI-Probe steht Ihnen wie immer redlich zur Seite.

Die neuen RISC-Macs arbeiten mit einer Power-PC-getrimmten Version von System 7, bei der weite Teile in Native-RISC portiert sind. Im Native-Code liegen auch Quicktime 1.6.2, PC-Exchange (Version 1.0.4, die nun endlich selbst randvolle DOS-Disketten ohne endloses Gerattere einliest) sowie Applescript 1.1 vor. Im Sommer werden den Power-Macs mit System 7.5 ueberdies Quickdraw GX und die AOCE-Faehigkeiten in einer Native-RISC-Version zur Verfuegung gestellt.

Ein Mac bleibt auch mit RISC-Prozessor ein Mac

Das Power-Mac-Betriebssystem 7.1.2 unterscheidet sich vom System 7 absolut nicht - die RISC-Maschine ist ein hundertprozentiger Mac. Nur der Power-PC-Schriftzug und der neue, etwas blecherne, aber immer noch volltoenende Startsound werden Sie daran erinnern, dass Sie an einem RISC-Mac arbeiten.

Bei der Portierung des Betriebssystems ging Apple nach der beruehmten 80-20-Regel vor. Die meisten Programme nutzen erfahrungsgemaess naemlich nur rund 80 Prozent des Befehlsumfangs, den die Macintosh-Toolbox ihnen bereitstellt. Diese Toolbox ist ein essentieller Bestandteil des Betriebssystems und fuehrt die angeforderten Dienste, etwa einen String auf dem Bildschirm zu zeichnen, mit dem Apple-Systemcode fuer die Applikation aus.

Apple hat sich bei der Portierung des Betriebssystems daher hauptsaechlich auf die Toolbox konzentriert und vor allem solche Routinen in die neue Welt transferiert, die einen deutlichen Tempozuwachs verheissen; alles zu uebertragen, haette das Power-Mac- Debuet nur verzoegert. Aus Apple nahestehenden Kreisen verlautete, dass derzeit bereits weit mehr als 60 Prozent der Toolbox in Native-RISC vorliegen. Das heisst andererseits auch, dass mit jeder neuen Betriebssystem-Version die Power-Macs - ohne eine Hardware- Aenderung - schneller werden, da immer groessere Teile der Toolbox in genuinen Power-PC-Code portiert worden sind.

Der Native-Power-PC-Modus heisst in Apples Marketing-Jargon uebrigens Optimized Mode, der Emulationsbetrieb, in dem alle 68K- Applikationen laufen, vornehm Kompatibilitaetsmodus. Dabei wird laut Apple ein 68LC040 ohne Fliesskomma- und MMU-Einheit nachgebildet - bei den Benchmark-Tests meldet sich der Power-Mac aber hartnaeckig als 68020er. Warum Apple nicht das staerkste 680x0- Familienmitglied oder zumindest den 68030 ins Emulationsvisier nahm, ist schnell erklaert. Was den 68030-Befehlssatz von der 020er Variante unterscheidet, sind vor allem die Opcodes fuer die integrierte Memory Management Unit (MMU), die eine Realisierung von virtuellem Speicher ermoeglicht.

Da jedoch die MMU-Operationen des Power-PC-Prozessors - der 601 besitzt gleichfalls eine solche Unit - voellig anders ablaufen als bei seinem CISC-Vorgaenger und auch keine Entsprechung im 680x0- Mac-Betriebssystem haben, sahen die Apple-Ingenieure keine Notwendigkeit, die MMU-Opcodes des 68030 via Software zu emulieren. Aus Sicht des Anwendungsprogrammierers besteht sowieso kein Erfordernis, via MMU-Befehl in den Speicherhaushalt des Betriebssystems einzugreifen.

Der Hauptvorteil, den der 68040-Befehlsumfang gegenueber seinen Vorgaengern in die Waagschale werfen kann, ist die integrierte Fliesskomma-Einheit. Der Power-PC besitzt aber zum einen selbst eine aeusserst leistungsfaehige Fliesskomma-Einheit, welche die CISC- Konkurrenz klar abhaengt. Zum anderen liefert Apple mit SANE (Standard Apple Numeric Environment) bereits ein standardisiertes numerisches Interface fuer 680x0-Applikationen, das eine Hardware- unabhaengige Schnittstelle fuer alle numerischen Berechnungen bereitstellt. Daher haben die Apple-Ingenieure die SANE-Routinen lieber gleich in Native-RISC-Code implementiert, statt Fliesskomma- Operationen zu emulieren, die dann zwar den genuinen Power-PC-Code nutzen wuerden, aber durch den Emulations-Overhead langsamer waeren als die entsprechenden SANE-Aufrufe. Warum aber sprechen die Apple-Manager unverdrossen von einer 68LC040-Emulation? Dies liegt vermutlich daran, dass einige User-Mode-Instruktionen des 68040, wie etwa der MOVE16-Befehl, in die Emulation einbezogen wurden. Aus Entwicklersicht verhaelt sich der Emulator freilich wie ein 68020, und Apple seinerseits hat alle Entwickler angehalten, keine Features ausserhalb des 68020er Befehlssatzes zu verwenden.

Mit dem Emulator gewaehrleistet Apple groesstmoegliche Kompatibilitaet zur alten Mac-Generation, der 68K-Code mit all seinen kitzligen Stellen wird ohne Schwierigkeit auf der neuen Hardware ausgefuehrt. Dafuer, dass jede Applikation in West und Ost ohne Mucken auf dem Power-Mac laeuft, kann Apple allerdings die Hand nicht ins Feuer legen. Rund zehn Prozent aller Programme, die bislang in Apples Power-PC-Compatibility-Lab getestet wurden, fielen durch die Pruefung. Eine gute Chance, zu diesen Problemfaellen zu gehoeren, hat jene Software, bei der die Entwickler an den Apple-Vorgaben vorbeiprogrammierten, um die Hardware direkt anzusprechen.

Wer jetzt aber befuerchtet, er muesse jeweils explizit den Emulationsmodus starten, wenn er neben seinen RISC-Applikationen einmal ein altes CISC-Programm benoetigt, und ob dieser Unbequemlichkeit schon stoehnt, den koennen wir beruhigen: Sie klikken einfach wie gehabt Ihre Applikation an. Das Betriebssystem merkt dann anhand der Ressource-Struktur, ob es sich um eine "aeltere" 68K-Applikation oder um ein Programm handelt, das bereits auf RISC-Kurs eingeschwenkt ist, und stellt den Applikationen automatisch die jeweils benoetigten Ressourcen zur Verfuegung. Sie selbst brauchen sich um nichts zu kuemmern, von den komplexen Vorgaengen hinter der Finder-Oberflaeche sind Sie abgeschottet.

Fazit unserer ersten Tests: Apple hat seinen Part des Umstiegs von CISC auf RISC vorzueglich erledigt: Das RISC-Betriebssystem ist aeusserst stabil und sehr kompatibel zu der alten 68K-Software. Die gaengigen Applikationen und Shareware-Programme, die wir beim Test einsetzten, arbeiteten am Power-Mac problemlos.

Der Erfolg der Power-Macs steht und faellt jedoch mit genuinen Power-PC-Applikationen, die nicht im Emulationsmodus auf 030er oder 040er Niveau vor sich hin troedeln, sondern die Moeglichkeiten der RISC-Hardware tatsaechlich ausschoepfen. Erst dann koennen die Power-Macs zeigen, was in ihnen steckt. Und das ist einiges, wie unsere Tests belegen (siehe "Die Power Macs im Test", Seite 41). Nicht zuletzt aufgrund der schlechten Lisa-Erfahrungen von anno dazumal hat Apple die 40 wichtigsten Softwareschmieden von Anfang an in die Power-PC-Portierung mit eingebunden. Erste Native- Applikationen fuer die neuen RISC-Macintoshes sind daher bereits am Tag von Apples Hardware-Ankuendigung annonciert worden. Viele andere Softwarefirmen haben entsprechende Native-Versionen im Koecher, insgesamt sagten ueber 60 Firmen ihre Power-Mac- Unterstuetzung zu. Und da Apple das Power-PC-Betriebssystem lizenziert, gewinnt die Plattform fuer Software-Schmieden zusaetzlich an Reiz.

Eine interessante Moeglichkeit fuer jene, die bisweilen auf ein DOS- Windows-Programm zurueckgreifen muessen, sich deshalb aber nicht gleich einen IBM-PC-kompatiblen Rechner anschaffen wollen, eroeffnet Soft Windows von Insignia. Waehrend das Programm sich bislang in Gestalt von Soft PC oder Soft AT nicht gerade durch uebermaessiges Tempo hervortat, agiert es auf dem Power-Mac erstaunlich behende. Windows 3.1 wird auf jeden Fall schneller gestartet als auf einem 386DX mit 33 Megahertz, so dass man guten Gewissens sagen kann: Mit dieser Geschwindigkeit laesst sich leben.

Der Power-Macintosh kaempft uebrigens auch hier mit Identifikationsproblemen, meldet er sich doch beim bekannten DOS- Benchmark Norton Si als 286er mit 32 Megahertz Taktrate (gab es nie). Und damit sind wir beim groessten Nachteil von Soft Windows: Insignia hat den offiziellen Code von Microsoft lizenziert und bei Windows NT auf Nicht-Intel-Rechnern fuer die Gates-Company den Windows-Emulationspart uebernommen: Soft Windows bildet derzeit aber nur den 286er Befehlssatz nach. An einer 486er Version werde heftig gearbeitet, so Insignia, sie werde moeglichst bald kommen.

Wie wir unsere Tests durchfuehrten, was die Power Macs im einzelnen leisten und welche Rolle die Entwicklungsumgebung MCW spielt, lesen Sie auf den folgenden Seiten.