Schlechte User Experience

Die neue Software mag ich aber nicht

08.11.2021
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Viele Nutzer trauern ihrer gewohnten Software hinterher, wenn ihnen eine neue Anwendung vorgesetzt wird.
Viele Nutzer ärgern sich über neue Software. Da lässt man auch mal gerne Dampf ab - bei Kollegen, der IT oder dem Chef.
Viele Nutzer ärgern sich über neue Software. Da lässt man auch mal gerne Dampf ab - bei Kollegen, der IT oder dem Chef.
Foto: Paulik - shutterstock.com

Viele Beschäftigte sind unzufrieden mit den neuen Softwarelösungen, die ihnen ihre Arbeitgeber vorsetzen. Das hat eine Umfrage unter fast 5.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten in Deutschland, Frankreich, Singapur und den USA ergeben. Sechs von zehn Befragten gaben an, sich in den vergangenen zwei Jahren häufig oder zumindest gelegentlich über neue Anwendungen in ihrem Arbeitsalltag geärgert zu haben. 56 Prozent erklärten, sie würden sich ihre alte Software zurückwünschen.

"Die Demokratisierung und Konsumerisierung der IT hat dazu geführt, dass Arbeitnehmer mehr Einfluss darauf nehmen, welche Software sie beruflich verwenden", beobachtet Craig Roth, Research Vice President bei Gartner. Wenn Vorgesetzte neue Produkte auswählten, seien sie oft zu stark auf neue Features fokussiert. Dabei sei bekannt, dass Anwender immer nur einen Bruchteil der verfügbaren Funktionalität verwendeten. "So kommt es oft zum Einsatz komplexer Produkte, die eine schlechte User Experience bieten."

Laut Gartner haben sich 40 Prozent der Nutzer schon einmal nach einer negativen Erfahrung gegen den Einsatz bestimmter Anwendungen gewehrt. Entweder sie haben offen protestiert oder nur einen Bruchteil der Funktionen verwendet. Andere haben die Nutzung generell abgelehnt oder sie so lang wie möglich hinauszögert.

Solche Verhaltensweisen haben einen negativen Einfluss auf den Wert, den ein Unternehmen aus einer angeschafften Software zieht, warnt Gartner-Analyst Roth. Das habe auch negative Folgen für die Softwarehersteller. "Nur wenn es ihnen gelingt, das neue Funktionen auch angenommen werden, können die Anbieter mit einem langfristig intensiven Einsatz rechnen." Ignorierten die Nutzer aber neue Funktionen, werde es für die Softwarelieferanten schwierig, weitere Verkäufe anzukurbeln oder bestehende Verträge auszuweiten.

Mundpropaganda kann Kettenreaktion auslösen

In der Bewertung von Anwendungen spielt auch die gruppenpsychologische Dynamik eine Rolle. Die Gartner-Umfrage zeigt, dass Nutzer ihre Meinung über Software häufig gegenüber Kollegen, der IT-Abteilung oder der Geschäftsführung äußern - manchmal ungefragt, manchmal als Reaktion auf die Bitte um Feedback. Diese "Mundpropaganda" könne eine Kettenreaktion auslösen, die beeinflusse, ob andere die Anwendungen annehmen oder meiden. Laut Gartner entwickeln sich auch Soziale Medien zu Ventilen, um Ärger über Software loszuwerden. Jeder Zehnte erklärte, nach einer negativen Erfahrung Bewertungen im Social Web oder auf einer Bewertungs-Website abgegeben zu haben.

Viele Beschäftigte machen aus ihrem Herzen keine Löwengrube: 42 Prozent der Befragten haben sich bereits nach einer negativen Softwareerfahrung bei Kollegen beschwert. Genauso viele haben ihren Frust an die IT-Abteilung weitergegeben. Immerhin ein Viertel hat sich sogar bei der Geschäftsleitung beklagt. Umgekehrt haben 38 Prozent Anwendungen nach einer positiven Erfahrung an Kollegen weiterempfohlen.

Auf die Frage, was passieren müsste, damit Anwender ihre Softwareprodukte Kollegen, den ITlern oder der Unternehmensleitung empfehlen, lautete die häufigste Antwort: Die Software sollte einfacher zu bedienen sein. Zusätzliche Funktionen wünschten sich 30 Prozent der Befragten. Damit landet die Funktionalität mit einigem Abstand nur auf Platz drei der Wunschliste.