GSM World: Hersteller präsentieren neue Services und Basisstationen

Die Netztechnik ist vorhanden - aber die Handys fehlen noch

18.02.2000
CANNES (hi) - Über 200 Hersteller nutzten den diesjährigen "GSM World Congress" in Cannes, um rund 14000 Fachbesuchern die neuesten Entwicklungen in Sachen Mobilfunk zu präsentieren. Im Mittelpunkt der Neuvorstellungen standen neue Dienste sowie die technische Weiterentwicklung der Handy-Netze.

Seit sinkende Margen bei den normalen Telefontarifen keine üppigen Geschäfte mehr versprechen, konzentrieren sich die Hersteller auf die Vorstellung neuer Services. Während man bei Comverse, Frankfurt am Main, mit "Tel@go" auf eine sprachbasierte Lösung setzt, die auch noch den altbekannten Message-Standard SMS unterstützt, war beim Gros der Hersteller das Wireless Application Protocol (WAP) das Thema der Messe.

So zeigte Nokia auf seinem Stand mit dem "Artus Max" einen Server, der über ein WAP-Portal verfügt. Nach Angaben von Nokia soll der Server als Plattform zur Erstellung und Auslieferung von WAP-Inhalten und -Diensten dienen. Die CMG Telecommunications, eine Tochter der Londoner CMG Plc., führte in Cannes ihren "WAP Service Broker" vor. Das WAP-Gateway soll, wie es heißt, sichere Finanztransaktionen via Handy gewährleisten. Einen ersten prominenten Kunden, der das Gateway einsetzt, haben die Briten in dem Mobilfunkkonzern Vodafone Airtouch gefunden.

HP, von bösen Zeitgenossen bislang höchstens als Druckerhersteller wahrgenommen, nutzte den GSM World Congress als Forum, um seine erstmals im Oktober auf der Telecom in Genf vorgestellten "Mobile E-Services" einem breiten Fachpublikum umfassender zu präsentieren. Im Rahmen dieser Initiative unterzeichnete HP auf der Messe mit dem französischen TK-Konzern Alcatel ein Abkommen, um Service-Providern eine Plattform zu liefern, die den Abruf von Informationen über herkömmliche Terminals und mobile Endgeräte erlaubt. Hierzu wird HP nicht nur Alcatels Softwaresuite "Home Top Solution" vermarkten, sondern auch an die eigene WAP-fähige "HP-UX WAP"-Plattform anpassen. Laut Ulf Beyschlag, HP Manager für Mobile E-Services, liegt der Vorteil der Verknüpfung von Alcatel-Software und HP-System darin, dass der Endanwender ein konsistentes Aussehen der Applikationen unabhängig vom verwendeten Endgerät erhält.

Um die Entwicklung von Applikationen für den Mobile Commerce zu beschleunigen, hat HP noch eine weitere Initiative gestartet: Der "Mobile E-Services Cyber Bazaar" (www.mobile-bazaar.com) soll Applikations- und Service-Providern einen virtuellen Marktplatz zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch offerieren, um so die Entwicklung von Diensten wie etwa Mobile Electronic Payment zu fördern.

Dem Thema E-Payment widmete sich in Cannes auch Ericsson. Mit "Mobile E-Pay" stellte das Unternehmen eine Plattform vor, die das sichere Bezahlen via Handy erlaubt. Neben den grundlegenden Funktionen für die Verbindung zu Internet und mobilen Funknetz unterstützt das System SMS, WAP-Browsing sowie Pull- und Push-basierte Dienste. In Sachen Sicherheit stehen den Netzbetreibern mehrere Optionen offen: Je nach Einsatzgebiet können sie, von einer einfachen Passwort-Authentifizierung bis hin zu einer Wireless Public Key Infrastructure (W-PKI), verschiedene Schutzstufen implementieren.

Einen anderen Schwerpunkt setzte die Dortmunder Materna Informations & Communications, die für Mobilfunkanbieter wie etwa Viag Interkom SMS-, WAP- und Unified-Messaging-Lösungen entwickelt und betreibt. Die Dortmunder kreierten mit "Anny Way" eine junge Dame, die als Dachmarke dieansonsten sehr schwer zu greifenden und schwammigen Begriffe der Mobile Services "verkörpern" soll. Unter "Anny Way" fasst das Unternehmen darüber hinaus One-Stop-Shopping-Lösungen sowie Gateway- und Information-Services, Entertainment- und Publishing-Dienste zusammen.

Um den Anbietern für derartige Services genügend Bandbreite zur Verfügung zu stellen, hatten die großen Mobilfunk-Player bereits EDGE-, GPRS- und WCDMA-fähige Basisstationen (EDGE = Enhanced Datarate for GSM Evolution, GPRS = General Packet Radio Service, WCDMA = Wideband Code Division Multiplexing Access) im Gepäck. Nokia etwa ergänzte seine Familie der "Metrosite"-Basisstationen mit zwei neuen Produkten, die nun die Verfahren EDGE und WCDMA beherrschen. Ebenso bemühte man sich am Stand von Ericsson, zu zeigen, dass die Migration zu höheren Transferraten zumindest auf der Netzseite kein Problem darstellt. So verfügt das Unternehmen mit der "RBS 2206" über eine Funkstation, die ebenfalls bereits die schnellen Übertragungsverfahren unterstützt. Die Verbindung zum schnellen Internet-Backbone gewährleistet dabei der "Realtime Router RXI 820", der Echtzeitanwendungen in drahtlosen IP-Netzen ermöglichen soll. Sämtliche digitalen Netzstandards der zweiten und dritten Generation unterstützt eigenen Angaben zufolge auch Nortel Networks mit seiner Basisstation "E-Mobility iBTS". Während UMTS, GSM, GPRS und EDGE bei den Stationen der meisten Hersteller bereits zum guten Ton gehören, ist die Unterstützung von CDMA One, CDMA 2000, TDMA IS-136 und UWC-136/EDGE zur Zeit noch Zukunftsmusik.

Ebenfalls noch Zukunft sind die passenden Endgeräte für die neuen Übertragungsverfahren. So hatten zahlreiche Hersteller inSachen GPRS als dem nächsten Standard lediglich Prototypen zu zeigen. Erste Stimmen befürchten bereits, dass es in Sachen GPRS zu einem ähnlichen Debakel kommt wie bei der Einführung von WAP-Endgeräten. WAP-Handys gehören mittlerweile bei allen Herstellern zum guten Ton und selbst Siemens, das den Trend 1999 verschlafen hatte, will noch im ersten Quartal Endgeräte mit entsprechender Funktionalität auf den Markt bringen. Gleichzeitig arbeitet der Konzern unter dem Namen "IC35" an einem Zigarettenschachtel-großen mobilen Datenprodukt mit Tastatur. Angesichts dieser Produktpläne gab sich Rudi Lamprecht, Geschäftsbereichsleiter Informations- und Kommunikationsprodukte in Cannes, ungeachtet der Entwicklungspannen im letzten Jahr siegessicher: "Wir erobern die Welt der Handys und werden eine führende Rolle im Markt spielen."