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Jugendschutz.net

Die Neonazis sind angekommen im Web 2.0

17.08.2009
Auf den ersten Blick lässt sich nichts erahnen. Die Internetseite media-pro-patria.net ist schlicht gehalten: wenig Farbe, wenig Text.

Eine hübsche Blonde lugt an der Seite hervor, auf ihrem Arm prangt die Tätowierung "resistance". Einzig das altertümelnde Logo könnte misstrauisch machen. Die Neonazis sind angekommen im Netz. Die rechtsextreme Szene präsentiert sich dort modern - das Bild vom glatzköpfigen Neonazi will man heute nicht mehr vermitteln.

Die Rechtsradikalen haben sich die allgemein akzeptierte Ästhetik der virtuellen Welt zu eigen gemacht, um ganz bewusst die durch das Internet visuell geschulten Jugendlichen von heute anzusprechen. Und das Fatale dabei: Sie kommen durch die Hintertür. So findet sich auf der Seite von media-pro-patria ein Video, das technisch perfekt und mit emotionaler Musik unterlegt Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einen völlig neuen, demagogischen Kontext stellt. Dieser höchst professionell gemachte und wie ein Kino-Trailer daherkommende Film spielt mit den Zukunftsängsten junger Menschen.

Darüber hinaus nutzt die Szene kommerzielle Internet-Angebote wie die für Szene-Kleidung für ihre Inhalte, legt sich Profile in sozialen Netzwerken wie Facebook und schülerVZ an, vertreibt rechtsradikale Musik über Tauschbörsen und twittert sogar Veranstaltungstermine mit neonazistischem Hintergrund, um sogenannte Flashmobs - spontane Menschenansammlungen in der Öffentlichkeit - zu organisieren.

"Das Internet ist die Propagandaplattform Nummer eins für den Rechtsextremismus", sagt Stefan Glaser, Vizechef der öffentlich geförderten Initiative Jugendschutz.net. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl an neonazistischen Internet-Angeboten rasant gestiegen. Waren es 2007 noch etwa 1635, sind es aktuell bereits 1800. Jugendschutz.net hat sich das "Monitoring" zur Aufgabe gemacht. Seit 2000 beobachtet die Gruppe den Rechtsextremismus im Internet und erarbeiten Gegenstrategien, um den Rechtsextremen im Netz die Plattform zu entziehen.

Die bisherige Erfolgsbilanz liest sich in der Pressemitteilung zunächst gut: "2008 gelang es, 80 Prozent der strafbaren rechtsextremen deutschsprachigen Inhalte im In-und Ausland entfernen zu lassen." Eher ernüchternd klingt die Zahl, wenn man weiß, dass nur 16 Prozent der Angebote überhaupt unzulässig waren - denn nicht jeder menschenverachtende Beitrag ist auch unbedingt strafbar. Viele der Internetseiten schrammen haarscharf an der Straffälligkeit vorbei.

Gefördert wird Jugendschutz.net seit 2007 von der Bundeszentrale für Politische Bildung mit jährlich rund 200.000 Euro. "Es ist zu erwarten, dass sich die Situation weiter zuspitzt und sich die Szene weiter professionalisiert", sagt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale. Die Bundesländer, so sagt er, lobten zwar die Arbeit von Jugendschutz.net, allerdings sollte ihnen klar sein, dass sie in Zukunft diese wichtige Arbeit auch selbst finanzieren müssen.

Auf die Frage einer Journalistin, warum man mit dem eigenen Internetauftritt von Jugendschutz.net und der Informations- und Aufklärungsbroschüre "Klickt's?" die Vernetzungs-Möglichkeiten des Web 2.0 selbst kaum nutze, antwortet Glaser dann doch ein wenig verhalten. Man wisse um das Problem und arbeite daran. (dpa/tc)