In der Software liegt die Mikro-Zukunft:

Die nächsten zehn Chip-Jahre werden härter

21.12.1979

Wir kennen sie alle, die wohlfeilen, zahllosen Prognosen, auch in den kommenden Jahren würde Computer-Mikro-Elektronik immer billiger und leistungsfähiger, sei mit immer mehr Logik auf minimalem Raum zu rechnen. Doch sollten uns solche goldenen Worte den Blick nicht dafür verstellen, daß auch die Mikro-Elektronik nur mit Wasser kocht, manche "Science Fiction" für immer unmöglich sein wird und auch der Weg in die machbare Zukunft von unübersteigbaren Leitplanken begrenzt und mit manchem Stolperstein gepflastert ist.

Der rasante Preisverfall, dem die Mikro-Elektronik im letzten Jahrzehnt, bezogen auf eine Gatter- oder Speicherfunktion, ausgesetzt war, hat heute zu einem Kostenniveau geführt, auf dem es, was das einzelne Endprodukt anbelangt, schon fast uninteressant ist, ob der Mikroprozessor (etwa im Terminal) ein paar Mark mehr oder weniger kostet. Allein der Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Chip-Anbietern wird jedoch dafür sorgen, daß auch künftig kräftig auf die Kosten gedrückt wird wobei nun allerdings jeder Fortschritt erheblich mühseliger und teurer als in früheren Jahren erarbeitet werden muß. Allzuweit hat man das technisch Machbare bisher schon ausgereizt, nun noch bis an die letzten Grenzen vorzustoßen, kostet überproportional viel Schweiß und Mühe.

Ausgereizte Technologie?

In dieser Situation ist neben leistungsfähigeren neuen Chip-Produktionsverfahren zusehends mehr der innovative Geist des Chip-Designers und des Software-Entwicklers gefragt: Wo es hardwareseitig nur schwer vorangeht, bringen Dollars für bessere Software weit mehr Rendite als in früheren Jahren.

Bislang konzentrierte der Chip-Fortschritt sich ja vor allem auf das immer engere Zusammendrängen der einzelnen Chip-Schaltkreiselemente: Es war dies einfach der Weg des geringeren Widerstandes, und an seinem Ende stehen vorläufig so staunenswerte Entwicklungen wie das 64 K-RAM oder der 16-Bit-Mikroprozessor mit ihren rund 10 5 Komponenten und einer Struktur-Feinheit von zwei bis drei tausendstel Millimeter.

Will man nun weitergehen, noch filigranere Schaltkreismuster auf einem. Chip von etwa fünf Millimeter Seitenlänge unterbringen, so treten vielfältige,. in ihrer Art teilweise ganz neuartige Probleme auf. Das beginnt bei der Notwendigkeit, von der sogenannten optischen Lithographie zu Röntgen- oder Elektronenstrahl-Ätztechniken überzugehen, setzt sich fort mit der Schwierigkeit, die einzelnen Schaltkreis-Lagen korrekt übereinander zu justieren und hört bei Problemen mit den herkömmlichen Materialien, die unterhalb bestimmter Dimensionen beispielsweise nicht mehr sicher genug isolieren, noch lange nicht auf. Zur Dotierung des Siliziums mit Fremdatomen (dadurch entstehen erst die Halbleiterzonen) wird künftig beispielsweise ein Laser dienen müssen nur er arbeitet präzise genug - und zur Kontrolle der Arbeitsgänge wird man Elektronenmikroskope benötigen, was wiederum Zeit und Geld kostet. Und nicht zu vergessen: Stärker als bei den + bisherigen Produktionsprozessen beeinflussen sich nun die auf den einzelnen Herstellungsstufen angewandten Technologien auch noch gegenseitig. Das erschwert die Optimierung des Produktionsgangs zusätzlich, erläuterte unlängst David Sikes, bei Motorola Chef des Laboratoriums für Prozeßtechnologie.

Wird der bisher bequemere Weg des Schaltkreis-Verkleinerns also immer steiler und steiniger, bleibt der Industrie nur, die mit viel Aufwand produzierte Hardware wenigstens so leistungsfähig wie möglich zu machen - nur dann ist der Kunde ja bereit, bei neuen Produkten genug Dollar zur Deckung aller Entwicklungsaufwendungen auszugeben., So lautet die Losung "besseres Circuit-Design, bessere Software".

Design so teuer wie Hardware

Schon heute stehen die Kosten für den Entwurf neuer Chip-Architekturen samt zugehöriger Betriebssysteme denen für hardwaretechnische Innovation kaum i mehr nach: Motorola soll sich das Design seines "MC 6800" -Mikro mit 16-Bit-Architektur zehn Millionen Dollar haben kosten lassen, Intel rund das Doppelte für seine 16-Bit-Maschine "8086" ausgegeben haben. Man hofft daher in der Branche, durch Einführung von Programmiersprachen wie Pascal dem Kostendruck in naher Zukunft wenigstens etwas ausweichen zu können.

Es dürfte dann wohl dazu kommen daß künftig erst der aufwendigste Teil beim Entwurf neuer Mikroprozessor-Chips, nämlich die Konzeption der Software, in einer abstrakten Sprache vorgenommen wird und erst nach deren erfolgreichem Austesten die dazu optimal passende Schaltkreis-Architektur, also die physische Ausgestaltung der einzelnen Elemente des kompletten Prozessors, in schrittweiser Verfeinerung der Erst-Entwürfe ausgearbeitet wird.

Wir stecken in der Pubertät

Wie stark dabei manche Experten auf die Entwicklung besserer Software setzen, illustriert am besten Leonce Sevin Chef des Unternehmens Mostek: Unsere Lage ähnelt der eines 13jährigen Buben, meinte er in einer Ansprache, dessen körperliche Entwicklung seinem geistigen Reifeprozeß weit vorausgeeilt ist. Es kann noch fünf, aber vielleicht auch zwanzig Jahre dauern, ehe wir aus unserer heutigen Hardware wirklich alles herauszuholen vermögen. Ganz zu schweigen von unserer Hardware morgen, kann man da nur noch hinzufügen.

*Egon Schmidt ist freier Wissenschaftsjournalist in München

_AU:Egon Schmidt