Die Mode des Sommers '95

28.07.1995

Dieter Eckbauer

Ein persoenlicher Schlenker vorweg - genau besehen beruehrt er sogar unser Modethema: Leser Christopher Koeppler (siehe Seite 8: Briefe) sorgt sich um die Ausgewogenheit der CW-Berichterstattung, beschwoert am Beispiel SAP "fundierten, objektiven und konstruktiv- kritischen Fachjournalismus". Als softwaretechnisch versierte R/3- Kenner koennen wir uns nicht bezeichnen. Daraus entsteht noch kein Minderheitenproblem. "Lemminge" hatten wir in den "Topetagen" ausgemacht, nicht in den DV/Org.-Abteilungen, wie Koeppler hineininterpretiert. Die bewusst gefaerbte Aussage bezueglich der "Topetagen" nehmen wir nicht zurueck.

Schon gar keinen Grund zur Richtigstellung gibt es in dem Punkt, aus dem wir den Lemminge-Vorwurf herleiten: SAP besitzt ein Softwaremonopol - nicht schmeichelhaft fuer diejenigen, die es tolerieren. Man kann Monopole ja auch haesslich finden, zumindest geht es, wie in anderen Wirtschaftszweigen bewiesen wird, sehr gut ohne sie. Was aber noch wichtiger ist: Das SAP-Monopol sorgt dafuer, dass Unternehmen jeweils die im Prinzip gleiche Software bekommen. Es muss der Eindruck entstehen, der Zustand der DV sei den Topmanagern nicht sonderlich wichtig. Ignoranz fragt nicht danach, ob ein Monopol das Ergebnis verschlechtert oder zumindest zu einer Verfestigung des Status quo fuehrt.

Monopol lautet das Stichwort fuer die Ueberleitung. Es geht um Microsoft. In der wachsenden Einschaetzung, dass Bill Gates ohnehin nicht zu stoppen ist, richten sich die Blicke der Wettbewerber, Geschaeftspartner und Anwender auf die Zeit nach der Markteinfuehrung von Windows 95. "How will it change computing?", titelte das amerikanische Wirtschaftsblatt "Business Week". Der Gates-Gefolgsmann Brad Silverberg, heisst es da, bange gar um Microsofts Reputation als reine Softwarefirma: "It [Win95] doesn't cure cancer. It doesn't grow hair. It's not a floor wax. It's Windows."

Darauf waeren wir wohl auch so gekommen. Was bleibt, ist hoechstens ein erwartungsfrohes Staunen: Wie wird das Zeichen fuer "Papierkorb" auf dem Win-95-Bildschirm wirken? Dekorativ genug? Oder gekuenstelt? Bill Gates der neue Lagerfeld der Computerwelt? Womit wir Karl nicht zu nahe treten wollen. Aber Mode ist nun einmal ein hartes und vor allem schnelles Geschaeft. Welchem Trend folgt die naechste Fruehjahrskollektion? Und denkt der Windows- Couturier aus Redmond auch daran, dass wir womoeglich die Benutzeroberflaeche vom letzten Jahr auftragen wollen?

Doch Ironie beiseite. Das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hat das bevorstehende Mega-Ereignis der IT-Branche unter einem anderen Aspekt analysiert. "Bill hat frueh kapiert, dass es nur darum geht, die Konkurrenz umzubringen", wird ein Microsoft- Mitarbeiter zitiert. Das fuehrt zur Kernfrage: Ist Gates wirklich nicht zu stoppen? Uns faellt dazu ein Spruch ein, der Al Capone zugeschrieben wird: "Man kommt viel weiter mit einer freundlichen Redensart und einer Kanone als nur mit einer freundlichen Redensart." Man weiss ja, wie die Geschichte endete.