IDC analysiert das OEM-Geschäft in der Bundesrepublik:

Die Mikros unterwandern den kommerziellen Markt

07.04.1978

MÜNCHEN (de) - Wurden bislang Mini- und Mikrocomputer überwiegend für technisch-wissenschaftliche Anwendungen eingesetzt, so dringen sie nunmehr auch in kommerzielle Applikationsbereiche ein. Für den Anwender sind die kleinen Kraftpakete indes nur unsichtbare Teile neuer Produkte. Denn bei Textverarbeitungs-, Kommunikations- und Datenerfassugs-Systemen (Kasten) schlägt zumeist ein Mini- oder Mikro-Herz unterm Blechkleid. In der Regel sind der Hersteller des Rechners und der Hersteller des Gerätes nicht identisch. Zu unterscheiden sind "Original Equipment Manufactures" (OEM's) und "Weiterverarbeiter", die OEM-Produkte in bestimmte Geräte für ganz bestimmte Anwendungen einbinden. Die Marktforschungsgesellschaft IDC Deutschland GmbH hat Ende 1977 den bundesdeutschen OEM-Markt untersucht. Das Ergebnis von 196 Firmenbefragungen wurde in einer Studie ausgewertet, die wir stark gekürzt veröffentlichen:

In welchen Branchen werden OEM-Mini- oder Mikrocomputer eingesetzt? Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Verhältnisse in den einzelnen Branchen noch vor zwei bis drei Jahren völlig unterschiedlich waren. Bis zu diesem Zeitpunkt war der OEM-Markt ausschließlich eine Domäne der Minicomputer; nur in einzelnen Applikationen wurden den Mikrocomputern Zukunftschancen eingeräumt. Mittlerweile hat sich der Mikrocomputer dem Mini soweit genähert, daß diese Aussage heute nur noch historischen Wert besitzt. Auswahlkriterien für die Verwendung eines Minis oder Mikros sind das Leistungsangebot und die Kosten.

Neuerdings gilt, daß sich die bisher mehr technische Orientierung von Mini- und Mikrocomputern zugunsten ??? kommerziellen Anwendungsbereiches verschoben hat. Von 196 befragten Unternehmen auf dem OEM-Markt sind in der Zwischenzeit 42 Prozent auf dem kommerziellen Sektor tätig, 51 Prozent betätigen sich überwiegend mit technisch-wissenschaftlichen Anwendungen. Diese Entwicklung ist vor allem auf die Fortschritte in der Auftragsabwicklung und bei den Textcomputern zurückzuführen.

Mini- und Mikrocomputer werden auf dem OEM-Markt hauptsächlich als Standardprodukte oder als kundenspezifische Produkte verwendet. Nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl der befragten Firmen betreibt sowohl eine Weiterentwicklung der Rechner

für die Endbenutzung im eigenen Unternehmen oder verwendet sie direkt als Endbenutzer. Die Zahlen in der Tabelle 1 ergeben mehr als 100 Prozent, da Mehrfachnennungen enthalten sind.

Der Einfallsreichtum der Unternehmen, die auf dem OEM-Markt tätig sind, ist enorm:

þ107 von 196 befragten Firmen fertigen die Hardware teilweise in Eigenproduktion, und fügen geeignete Software hinzu und/oder

þkombinieren die Hardware verschiedener Hersteller, wobei die Software wiederum selbst erstellt wird (88 von 196 Unternehmen) und/oder

þkaufen ein komplettes System von einem Hersteller und bieten entsprechende Software an (27 Befragte).

þ12 Firmen stellen ausschließlich Software, Beratungstätigkeit und sonstige Dienstleistungen zur Verfügung.

In Sachen "Wartung und Service" gibt sich der OEM-Markt (gezwungenermaßen?) konservativ. Auch wenn wiederum Mehrfachnennungen zu berücksichtigen sind, übernehmen die Weiterverarbeiter die Wartung "ihrer" Geräte größtenteils selbst. In Ausnahmefällen werden diese Arbeiten von Hardware-Verkäufern und/oder unabhängigen Wartungsunternehmen ausgeführt. Nur in zwölf Fällen müssen OEM-Kunden auf jegliche Wartungs- und Serviceleistungen völlig verzichten (Tabelle 2).

Abschließend stellt IDC die Prognose, daß Mikrocomputer-Bausteine sich in minicomputerähnliche Bausteine und solche für den Ersatz von Logikbausteinen teilen werden. Der Markt für minicomputerähnliche Bausteine wird sich ziemlich schnell festigen - es wird schwierig sein, in ihn einzudringen. Tatsächlich arbeiten heute die meisten Hersteller von Mini- und größeren Computern an der Verwendung von hochintegrierten Bausteinen für ihre zentrale Steuereinheit. Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird jeder Computer mehr oder weniger als Mikrocomputer zu bezeichnen sein, da er mit LSI-Logik aufgebaut sein wird. Das heißt aber nicht, daß die heutigen Mikrocomputer-Hersteller die Main-framer von Minicomputern und Großcomputern überholen werden. Die Ursache liegt in den für die meisten Anwender zu hohen Programmierungskosten, die durch die Ersparnis bei der Hardware bei weitem nicht aufgefangen werden. Als Folge davon werden die Hersteller von Minicomputern, die auch die notwendige Software anbieten, durch Mikrocomputer eigentlich nicht bedroht. Dagegen besteht für jene Minicomputer-Hersteller, die Bauteile verkaufen, die Gefahr, ganz von diesem Markt verdrängt zu werden. Ein Ausweg wäre, ihre Minicomputer zu Mikrocomputern umzufunktionieren und als Lieferanten von Bauteilen das Preisniveau der Mikrocomputer einzuhalten.

Das sind die hauptsächlichsten Einsatzgebiete von Mini- und/oder Mikrocomputer:

þSatztechnik (Text/Datenerfassung, Satzrechner, Lichtsatzmaschinen)

þMeßgeräte (Meßplätze)

þLaborautomation

þTextcomputer (auch Nachrichtenverarbeitung)

þWerkzeugmaschinensteuerung

þKommunikationssysteme (Konzentratoren etc.)

þAnlagenüberwachung (Prozeß-steuerung)

þHaustechnik

þDatenerfassung

þZeichenmaschinen

þIngenieurtechnik

þVerkehrssteuerung

þWaffentechnik

þBordsysteme (Navigation)

þGleitzeiterfassung