Ratschläge zu Frame Relay (Teil 2 und Schluß)

Die Migration zu ATM wird Kopfzerbrechen bereiten

12.07.1996

Wie steht es um die Übertragung von Sprache und Video über Frame Relay? In diesem Punkt scheiden sich die Geister. Nach Ansicht von Werner Gawlik, Geschäftsführer der MCI International Deutschland GmbH in Frankfurt, ist Frame Relay als paketvermittelter Dienst kein geeignetes Protokoll für zeitkritische Übertragungsformen, zumindest nicht im professionellen Einsatz. Anders ISDN, das als Online-Dienst Echtzeitanwendungen wie Sprachübertragung und Videokonferenzen erlaubt.

Der gleichen Meinung sind die Berater von Andersen Consulting: Frame Relay biete, so der Tenor der Frankfurter, keine Laufzeitgarantie, die für den Transfer von zeitkritischen Informationen wie Sprache und Video notwendig sei. Trotz zahlreicher Tests, Frame Relay auch für solche Informationsflüsse zu nutzen, zeichne sich bis heute kein befriedigendes Übertragungsergebnis ab.

Es gibt aber auch gegensätzliche Haltungen. Sowohl die Unisource Business Networks GmbH, Frankfurt, als auch die Plusnet Gesellschaft für Netzwerk-Services mbH, Düsseldorf, sehen Frame Relay durchaus als Übertragungstechnik für Sprache und Video. Voraussetzung dafür sei, daß der Video- beziehungsweise Sprachanteil, gemessen am gesamten Transferaufkommen, gering ist und die zeitsensible Kommunikationsform höchstmöglich priorisiert wird. Diese Übertragungsrechnung geht aber nur dann auf, wenn der Carrier für die Frame-Relay-Übertragung im Hintergrund eine zellorientierte Backbone-Lösung nutzt. Dann können auch zeitkritische Informationen mit tolerablen Verzügen transportiert werden.

Freilich handelt es sich bei solchen Backbone-Systemen um proprietäre Lösungen. Ebensowenig ist im Zusammenspiel mit dem zellorientierten Backbone die Datenflußkontrolle standardisiert. Auch das Verhältnis von Steuer- und Nettodaten ist bei diesen Lösungen ungünstig, kommen doch verkürzte Zellen, bei Stratacom zum Beispiel lediglich 23 Byte lang, zum Einsatz.

Es bleibt ein weiterer Nachteil, vor allem beim Videotransfer via Frame Relay: Welcher Anwender möchte schon für eine Committed Information Rate (CIR) zahlen, die den maximalen Bandbreitenbedarf der Videoübertragung deckt, um Verzögerungen bei der Bildausgabe an den Endgeräten zu vermeiden und vor allem Paketverluste an den Vermittlungsknoten auszuschließen?

Bleibt ISDN (S2M) und vor allem ATM als bessere WAN-Kommunikationsschiene für den Sprach- und Videoverkehr. Speziell die Breitbandtechnik ATM dürften sich heute allerdings die wenigsten Unternehmen leisten können. So muß der Anwender für die Installation einer 34-Mbit/s-Verbindung 16000 Mark investieren. Hinzu kommt monatlich ein Überlassungsentgelt für den ersten Kilometer der Anschlußleitung (34 Mbit/s) von 19220 Mark, für jeden weiteren Kilometer von 2410 Mark sowie ein Sockelbetrag von 9000 Mark.

ATM ist nach Meinung von Rüdiger Both, Geschäftsbereichsleiter Diebold Deutschland GmbH, München, als WAN-Übertragungsmedium heute aufgrund der geringen Flächendeckung und der hohen Preise nur für absolute Pioniere relevant. Dennoch hält er ATM für das Netz der Zukunft. Viele Unternehmen sehen es ähnlich, verhalten sich deshalb abwartend und nutzen zunächst Frame Relay. Ein Grund mehr, sich über die Migration von Frame Relay zu ATM Gedanken zu machen.

Dieser Wechsel zu ATM ist nicht so einfach, wie viele Anbieter es gerne glauben machen. Proprietäre Ansätze, wie sie die Hersteller verkaufen, können nämlich kaum der Weisheit letzter Schluß sein. Auf jeden Fall sollte, so Robert Hein, Gruppenleiter Datenkommunikation beim Gerling-Konzern, Köln, das Kommunikationsnetz für die Zukunft so offen geplant werden, daß dem Anwender keine Carrier- und Herstellerabhängigkeit entsteht.

Das Übel liegt laut Michael Rudolphi von Andersen Consulting bereits in der Standardisierung. Technologische Differenzen seien, so der Berater, schon am Aufbau des Transport-Containers zu erkennen: kurze, auf 53 Byte fixierte Zellen bei ATM - lange Pakete mit variabler Länge bei Frame Relay. Zwar haben das Frame Relay Forum und das ATM Forum bereits ein Implementierungsregelwerk für den Übergang von Frame Relay zu ATM festgelegt, eine zweite Einigung bezüglich der Service-Interoperabilität steht jedoch noch aus.

Erst wenn auch dieser Entwurf verabschiedet ist und sich vor allem die Produkt- und Diensteanbieter daran halten, wird laut dem Consultant eine sanfte Migration zu ATM möglich sein. Für Anwender, die heute Frame Relay nutzen und längerfristig ihre Investitionen schützen wollen, ist die Option eines sanften, standardkonformen Übergangs ins ATM-Netz noch in weiter Ferne.

Frame Relay

Vorteile

- Protokoll, das mit wenig Steuerdaten auskommt,

- hoher Nettodatentransfer durch lange Pakete (maximal 4 Kbit/s)

- geringer Umstellungsaufwand in den Kopplungssystemen nur Software-technische Veränderungen sind nötig,

- Transferraten bis 2 Mbit/s

- Durchsatz nach Maß infolge flexibler Committed Information Rate (CIR),

- hohe Verfügbarkeit des Frame-Relay-Dienstes (99,99 Prozent)

- mehr Effizienz durch den Betrieb mehrerer logischer Kanäle über eine physikalische Verbindung sowie

- gute Kompatibilität zwischen Frame Relay und LANs.

Nachteile

- Kaum rentabel bei einem Datenaufkommen von weniger als drei Stunden pro Tag,

- Zugangsleitung kann bei einer großen Distanz hohe Kosten verursachen,

- bietet keine Laufzeitgarantie, wie sie für Sprach- und Videoübertragung wichtig ist,

- Übergang zu ATM noch nicht standardisiert,

- Switched Virtual Circuits (SVC) werden nur von wenigen Carriern angeboten, deshalb muß der Anwender für jede Physical Virtual Circuit gesondert zahlen,

- die Konfiguration von PVCs ist aufwendig sowie

- undurchsichtiges Frame-Relay-Angebot der Carrier.