Profitdenken erweist sich als Nachteil:

Die Menschen sind keine disponiblen Gebrauchsgüter

27.03.1987

Ein ausschließlich profitorientiertes Denken, um "launische Aktionäre und querulante Wall-Street-Analytiker zufriedenzustellen". wirft John L. Kirkley* der US-Computer-Industrie vor. Er rät den Wert loyaler Mitarbeiter zu erkennen.

"Die Menschen sind der Schlüssel." Dieser Slogan hört sich möglicherweise unangenehm herabmindernd an. Er klingt hohl in der stürmischen Entwicklungen unterworfenen Computerindustrie, die vor allem durch Firmenübernahmen, massive Entlassungen und erzwungene

vorzeitige Versetzungen in den Ruhestand gekennzeichnet ist.

Als John Imlay vor fast 15 Jahren President der dahinsiechenden Management Science America Inc. (MSA) wurde, schloß er in seinen Langzeitplan zur Wiederbelebung des Unternehmens die Regel "Die Menschen sind der Schlüssel" als tägliches Arbeitsprinzip ein. Er und seine Manager trugen sogar Miniaturschlüssel an ihren Aufschlägen, um sich ständig an dieses grundlegende Prinzip zu erinnern.

Es hat funktioniert MSA hat Höhen und Tiefen durchgemacht, ist aber nicht nur immer noch vorhanden, sondern steht auch ganz gut da.

Kurzfristiges Denken

Bei den meisten US Unternehmen scheint ein anderes Arbeitsprinzip vorzuherrschen. Der Slogan ist umgeschrieben worden: "Der Schlüssel liegt in kurzfristigen Profiten." Das Firmenmanagement sollte kleine Dollarzeichen an den Aufschlägen tragen. Personen sind wie PCs zu Gebrauchsgütern geworden, und - wie die meisten Gebrauchsgüter - disponibel.

Zu der Kurzsichtigkeit amerikanischer Unternehmen, zur Überbetonung der Quartalsgewinne, zu dem zwanghaften Bedürfnis, launische Aktionäre und querulante Wall-Street-Analytiker zufriedenzustellen, ist bereits viel gesagt worden.

Besorgniserregend sind jedoch die negativen Auswirkungen des gefühllosen und opportunistischen Verhaltens der Unternehmen auf das Individuum und dessen Beziehung zu einer der grundlegendsten menschlichen Aktivitäten: der sinnvollen Arbeit.

AT&T und IBM jetzt unsicher

Natürlich ist es schwierig, Loyolität für eine Firma zu empfinden, die Personen beim ersten Anzeichen eines Profiteinbruchs entläßt oder in den vorzeitigen Ruhestand schickt. AT&T, einst eine Freistätte für Karrieremacher, lichtet seine Reihen. Sogar die schützenden Arme der IBM haben ihre warme Sicherheit verloren. IBM hält wohl an ihrer Politik fest, niemanden zu entlassen, hat sich aber dem vorzeitigen Ruhestand zugewandt. Niemand ist davon ausgenommen. Zwei der Topmanager Senior Vice President Dean Phypers und George Beitzel, wählten im Januar während der dreimonatigen Anlaufperiode den vorzeitigen Ruhestand.

Was geschieht mit all diesen begabten Männern und Frauen um die Fünfzig, die plötzlich draußen sind? Der Kommentar der Ausgabe des Wall Street Journal vom 9. Januar dieses Jahres besagte, daß der Ruhestand die Menschen zwingt, sich damit auseinanderzusetzen, was in ihrem Leben wichtig ist. Weiter wird ausgeführt, daß der vorzeitige Ruhestand, selbst gewählt oder nicht, Tausende von Managern Mitte Fünfzig bis Anfang Sechzig zwingt, sich diesem Thema unvermittelt zu stellen, während sie immer noch jung und gesund genug sind, um eine Unterbrechung der Karriere übelzunehmen - oder um einen Traum zu realisieren.

Was geschieht denn nun wirklich? Tatsache ist, daß die Unternehmen wertvolle Personen verlieren, die in den meisten Fällen begabt und erfahren sind und die vielleicht sogar über das seltene Gut verfügen das anscheinend nur durch viele Jahre Leben auf diesem Planeten erworben wird: ein bißchen Weisheit. Kurzfristig gesehen spart die Firma Geld. Langfristig verliert das Unternehmen unersetzliche Trumpfkarten: kenntnisreiche, erfahrene und loyale Angestellte.

Was ist nun mit den einzelnen Ruheständlern? Die meisten müssen sich eine andere Arbeit suchen, um die Hypothek zu bezahlen und die Kinder weiter ins College schicken zu können. Über Fünfzig ist man jedoch fast nicht mehr einstellbar. Der enorme Schwall von Baby-Boomern (heute 30,9 Prozent der Bevölkerung) ist herangewachsen, und diese relativ Jungen (zwischen 25 und 44 Jahren) kämpfen mit Klauen und Zähnen um jeden zur Verfügung stehenden Platz im Management.

Sie sollten besser vorsichtig sein. Schon bald können die amerikanischen Unternehmen jeden über 40 in freier Wiedergabe Kiplings als "in der Dämmerung mit dem Licht im Rücken" ansehen. Denn warum sollte schließlich ein Mittvierziger engagiert werden, der dann sowieso in fünf Jahren in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wird?

Und die Uralten, die Gruppe der über Fünfzigjährigen? Viele werden Berater, arbeiten 60 bis 80 Stunden pro Woche und lernen die Freuden und Schrecken unregelmäßigen Zahlungseinganges kennen.

Neue Arbeitsethik

Vielleicht sollten alle Ex-Unternehmensmanager über Fünfzig eine Juniorausgabe der "Grauen Panther" bilden. Sie könnten "Pfeffer- und Salz-Panther" getauft werden und die Mitgliedschaft auf Veteranen der Firmenkriege im Alter von 50 bis 64 begrenzen. Sie könnten sich zusammentun, eigene Geschäfte gründen, sich gegenseitig einstellen; sie könnten eine neue Arbeitsethik aufbauen, die durch Unternehmer mittleren Alters angeführt wird, die kleine Schlüssel an ihren Aufschlägen tragen und daran glauben, was dieses Emblem symbolisiert.

Sollte dieser Weg erfolgreich sein, werden vielleicht mit der Zeit auch die dickfälligsten der quartalsorientierten, "Nimm-mit-was-du-kannst" Unternehmen ihre Kurzsichtigkeit korrigieren und erkennen, daß Menschen genausoviel zählen wie Profite. . .

*John L. Kirkley ist Mitarbeiter der Patricia Seybold's Office Systems Group. . Sein Kommentar erschien in COMPUTERWORLD/USA, Ausgabe 5/87