Die Marktmacht der öffentlichen Hand:Beispiel oder Buhmann in DV-Anwendung

20.06.1980

MÜNCHEN (gr) - Die öffentliche Hand steht den Herstellern von Hardware als eine gewaltige Marktmacht gegenüber. Allein der Bund veranschlagt nach Angaben aus dem Finanzministerium jährlich im Rahmen seines Haushaltsplans um die 100 Millionen Mark für Mietaufwendungen und Kauf von Hardwareleistungen, für DV-Beratung und Verbrauchsmaterial. Während auf Bundesebene die für Großorganisationen typischen DV-Probleme vorherrschen, so war aus dem Bundesministerium des Innern zu erfahren, dominiert auf der Ebene der Kommunen der Grundsatz Bürgernähe. Damit ändern sich aus der Aufgabe und der parlamentarischen statt der Kontrolle über den Markt heraus die Entscheidungskriterien, nach denen der Einsatz der DV beurteilt werden muß.

Ihre Bedeutung als größter Nachfrager hat die öffentliche Hand erkannt. Den speziellen Bedürfnissen entsprechend handelte sie die sogenannten "Besonderen Vertragsbedingungen" für die Beschaffung von Hard- und Software aus. Geregelt werden, wie in den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" einer Bank beispielsweise Art und Umfang der Leistung, Kündigung, Art der Vergütung und Gewährleistung, um nur einige Punkte zu nennen. Doch damit ist an Einheitlichkeit noch nicht genug getan. Auf Landesebene, wie in Hessen, agiert die Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), Wiesbaden, als Dienstleistungs-betrieb für die angeschlossenen Verwaltungsorgane. "Sie übernimmt die Rolle eines Systemhauses" erläutert Hans-Jochen Winter, Dezernent für Organisation und Planung in der HZD, "leistet Organisationsberatung, stellt Rechenzeiten zur Verfügung und kümmert sich um die Wartung." Für die Beschaffungsvorhaben der nachgeordneten Behörden handelt die HZD als Mittler.

Ziel des Rechenzentrums ist nach Angaben von Winter, den "Kunden" komplette Lösungen anzubieten. Gegenüber dem Hersteller steht das Rechenzentrum damit einem Systemhaus gleich, das die Hardware für ein turn-key-Paket zusammenstellt. Es beeinflusse die Produkte, die die DV-Industrie auf den Markt bringt. Als Beispiel für diese Marktmacht der öffentlichen Hand mag die Durchsetzung der Umlaute als Standards dienen, die im Zusammenschluß der Kommunen gegenüber IBM erstritten wurden, führt Erwin Büsching von der Arbeitsgemeinschaft kommunaler Datenverarbeitung zum Einfluß der Kommunen aus.

Zumindest gleicher Stand wie Industrie

Den Vorwurf, die vorgeschriebenen Ausschreibungsverfahren und die weitgehend konstante Aufgabenstellung der öffentlichen Verwaltung verzögere die Einführung neuer DV-Techniken im öffentlichen Sektor, wies Winter weit zurück. Seiner Ansicht nach ist im Einflußbereich der HZD zumindest der gleiche technische Stand wie in der Industrie verwirklicht. "Die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung könne sich als Forschungsunternehmen das leisten, was sich gerade IBM noch leisten kann." Die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung mit ihrem Zwang zur Standardisierung und Normierung stelle über die Portabilität der Software einen Weg zur Rationalisierung dar. Die starke Normierung könne aber den unerwünschten Nebeneffekt zeigen, daß sie nicht mehr imstande sei, die Bedürfnisse des einzelnen Anwenders zu befriedigen. Sie bewirkt tatsächlich auch, daß die Kosten der Datenverarbeitung wegen der Forderung nach genereller Übertragbarkeit steigen, ergänzt Dr. Wolfgang Ludwig, Dezernent für Datenverarbeitung und Statistik an der Universität Münster diesen Aspekt. Hinzu komme die Gefahr, daß etwas normiert wird, was überholt ist.

Datenschutz unterschiedlich gehandhabt

Im Unterschied zu Wirtschaftsbetrieben sind nicht nur die Gesetze zum Datenschutz im öffentlichen Bereich strenger, sie werden auch sorgfältiger eingehalten und in ihrer Einhaltung überwacht. Dieses führt nach Auffassung von Ludwig zu organisatorischen Unterschieden in der Arbeitsvorbereitung, im Aufbau der Datenfelder sowie in der Handhabung der Daten. Die Abwicklung der Datenverarbeitung verlaufe dagegen ähnlich. Wegen der Sicherungsvorschriften und den höheren Reserveerfordernissen komme das Verfahren teurer als die Praxis, die in der Industrie verfolgt werde.

Eine Zeitlang war die öffentliche Verschwendung stark in Diskussion.

Begegnen wollte man ihr mit einer Privatisierung der Betriebe. Dabei war unterstellt, daß die Überwachung durch den Markt direkter und wirkungsvoller geschieht als die Kontrolle, die Parlamente und Bundesrechnungshof ausüben können. Doch genießt nach Angaben des Sprechers aus dem Innenministerium die Wirtschaftlichkeit der DV die höchste Priorität in der an Sachaufgaben orientierten Bundesverwaltung. Die HZD ist nach Angaben von Winter einem klaren Leistungsdruck ausgesetzt. Als öffentliches Unternehmen, das am Wettbewerb teilnimmt, müsse sie sich marktgerecht verhalten. Da kein Gewinn erwirtschaftet werden dürfe, könnten die Leistungen den Verwaltungen günstiger angeboten werden als von privater Seite. Für das HZD bestehe also ein Zwang zur "inneren Wirtschaftlichkeit". Vom Dienstleistungsbetrieb könne aber nicht kontrolliert werden, ob die Datenverarbeitung selbst durch die ihr gestellten Aufgaben wirtschaftlich genutzt werde. Die Wirtschaftlichkeit der Auftraggeber aus der Verwaltung könne der Dienstleistungsbetrieb weder erzwingen noch überwachen.

Andere Kriterien als die der Wirtschaftlichkeit stehen in der kommunalen Verwaltung im Vordergrund. Hier, so erläutert Büsching, wirke der von den Parlamenten ausgeübte Druck auf eine Erhaltung der Arbeitsplätze hin. Die soziale Komponente rücke stärker in den Vordergrund. Bei der Automatisierung von Verfahren erhalte der Bürgerservice Vorrang. Der Sachbearbeiter könne einfache Auskünfte an dem Terminal erfragen, das die Bezirksverwaltung mit der Zentralen verbindet. Mit der technischen Entwicklung ändere sich die technische Möglichkeit und damit die Wünsche der Kunden.