Interview

"Die Management-Tools sind meist veraltet"

19.11.1998
Mit Bernd-Ulrich Kaiser, verantwortlich für Management-Informationen bei der Bayer AG, sprach CW-Redakteurin Karin Quack.

CW: Sie leiten das Ressort Konzerndaten und Management-Informationen. Was machen Sie da eigentlich?

Kaiser: Meine Aufgabe ist es, ein Konzept dafür zu entwickeln, wie die Informationsversorgung und die Kommunikation in der Führungsebene des Unternehmens aussehen sollen.

CW: Unter der Bezeichnung Informationssystem für das obere Management, kurz Isom, haben Sie bereits ein Data-Warehouse für das Topmanagement entwickelt. Ist Ihre Aufgabe damit gelöst?

Kaiser: Wir sind stolz auf das Produkt, das wir ausgeliefert haben. Aber eigentlich war es nur unser Fuß in der Tür, um weitermachen zu können. Derzeit beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Intranet. Dessen offensichtliche Vorteile haben bislang verschleiert, daß es notwendig ist, Informationen zu strukturieren.

CW: Das müssen Sie näher erläutern.

Kaiser: Die Anwender unseres Data-Warehouse haben uns eine schallende Ohrfeige verpaßt. Sie klagten: Das Internet ist viel schneller als euer System. Wir mußten erst einmal glaubhaft machen, daß sie mehr benötigen als schnell abrufbare Internet-Seiten. Uns geht es um die komplexe Darstellung von Datenbankabfragen, für die wir einen Internet-Browser als Fenster nutzen wollen.

CW: Tun Sie das nur, um den Forderungen der Anwender zu entsprechen?

Kaiser: Nein, der Internet-Technik gehört die Zukunft. Kleinere Lösungen mit einfacher Darstellungstechnik lassen sich auf diesem Weg schnell entwickeln und anwenderfreundlich darstellen. Auf der anderen Seite müssen wir den Benutzern aber tatsächlich entgegenkommen: Im Gegensatz zu einer SAP-Anwendung, die von oben verordnet wird, ist ein Management-Informationssystem eine Frage der Überzeugung. Es wird nur genutzt, wenn die Anwender Spaß daran haben. Und das Internet ist sehr sexy.

CW: Wieso konzentrieren Sie sich darauf, zunächst ein Informationssystem für den exklusiven Kreis des Topmanagements zu entwickeln?

Kaiser: Hier gab es akuten Handlungsbedarf. Die Management-Instrumente sind zumeist hoffnungslos veraltet. Offenbar hat es bislang noch keiner Führungskraft geschadet, wenn sie nichts von der Datenverarbeitung versteht. Kaum eine Führungskraft tummelt sich im Internet.

CW: Topmanager haben für so etwas ihre Assistenten.

Kaiser: Das Management selbst soll das Internet benutzen, nicht die Assistenz. Die Führungskraft kann viel besser abschätzen, wie brauchbar die dort vorhandenen Informationen sind.

CW: Topmanager fürchten, so heißt es, die hierarchielose Struktur der Internet-Kommunikation.

Kaiser: Das ist ein heikles Thema. Schon die E-Mails haben unsere Abhak-Kultur völlig verändert. Es gibt keine hierarchisch ausgeprägte Kontrolle des Informationsflusses mehr. Beim Telefon war es für den Anrufer notwendig, sich zunächst einmal bemerkbar zu machen, damit die Sekretärin ihn überhaupt verband; E-Mails lassen sich direkt an den Adressaten richten. In den Unternehmen wurde teilweise versucht, eine Hierarchie im E-Mail-System abzubilden, indem man festlegte, wer wem direkt elektronische Post schicken durfte. Aber diese Versuche sind gescheitert.

CW: Sie arbeiten in Kooperation, aber separat von der Informationstechnik. Warum ist das so?

Kaiser: Unsere IT-Abteilungen sind stark mit dem Tagesgeschäft, insbesondere mit der SAP-Einführung, ausgelastet. Die SAP-Software unterstützt unsere Bemühungen, im Rahmen eines Business Process Re-Engineerings unsere Geschäftsprozesse neu zu ordnen. Wir hingegen betreiben Business Information Re-Engineering.

CW: Bitte was?

Kaiser: So nenne ich die Neuordnung der Informationsstrukturen und ihre systemtechnische Unterstützung im Unternehmensumfeld. Der Begriff bezeichnet eine Methode, die für Management-Aufgaben notwendigen Informationen bereitzustellen.

CW: Und was genau ist Isom?

Kaiser: Isom ist eine Klammer um unterschiedliche, unternehmensweit verfügbare Informationsmodule. Wir können dabei das System für jeden Anwender unterschiedlich konfigurieren. Teilweise orientieren sich die Zugriffsrechte nicht an der Einzelperson, sondern an ihrer jeweiligen Position in der Unternehmensstruktur. Das ist eines der Schlüsselprobleme beim Intranet: Wir werden so lange keine gescheiten Business-Anwendungen bekommen, wie wir die Zugriffsrechte nicht geregelt haben.