Die Mainframe-Programmierer wollen am PC entwickeln: Gemeinsam sind Host und PC ein starkes Entwicklungsteam

12.05.1989

*Hagen Cyrus ist Geschäftsführer der GFU Cyrus und Rölke mbH in Köln.

Der PC soll den Mainframe nicht ersetzen, sondern ergänzen. Reine Großrechner-Anwendungen werden daher auch künftig auf Mainframes laufen. Für die Software-Entwicklung eignen sich jedoch Einplatzsysteme besser. Die Kooperation zwischen PC und Mainframe scheitert indes oft schon am Datentransfer. Die COMPUTERWOCHE sprach mit Hagen Cyrus*.

- Wie sinnvoll ist es, Mainframe-Anwendungen auf dem PC laufen zu lassen?

Es ist durchaus möglich, Großrechner-Programme auf den PC herunterzuziehen und eins zu eins laufen zu lassen ù allerdings mit Einschränkungen beim Datenvolumen. Während auf dem Großrechner Gigabytes verwaltet werden können, sind es auf dem PC bestenfalls einige hundert Megabyte. Außerdem können sich am Host viele Benutzer ein Programm teilen, was am PC so nicht möglich ist.

Bei Unternehmen wie Thyssen, VW oder RWE werden beispielsweise Großrechner-Programme für die Jahreshauptversammlung auf dem PC gefahren. Das sind jedoch keine typischen Mainframe-Aufgaben. Der umgekehrte Weg wird häufiger eingeschlagen. Die Unternehmen entwickeln ihre neue Software für große Anwendungen am PC.

- Es werden also vor allem die Anwendungen ausgelagert, die sich für den PC eher eignen als für den Mainframe.

Richtig, seit es den PC gibt.

- Was ist mit den Anwendungen die am PC für den PC entwickelt werden. Besteht hier die Notwendigkeit sie auf den großen Maschinen laufen zu lassen?

Solche Software wird in der Regel in einer PC-Sprache programmiert. Am Großrechner herrschen jedoch die traditionellen Sprachen wie Cobol vor. Schon deshalb gibt es kaum PC-Anwendungen auf dem Mainframe.

- Das erklärte Ziel heißt doch heute, Anwendungen auf möglichst allen Architekturen lauffähig zu machen. Wie sollte man unter diesem Gesichtspunkt Software entwickeln?

Beim Entwickeln von Großrechner-Software am PC ist es sozusagen ein Abfallergebnis, daß diese Programme auf beiden Rechnertypen laufen. Schließlich muß der Entwickler am PC auch testen.

Der Vorteil der Entwicklung am PC liegt in der Entlastung des Mainframes. Außerdem können die Programmierer am PC ohne Unterbrechung durch die Zentral-DV arbeiten und verfügen zudem über Debugging-Werkzeuge, die es nur in Ausnahmefällen am Host gibt.

Der Hauptgrund, der für die Programmierung am PC spricht, ist daher die Zufriedenheit der Programmierer. Störungsfreies Arbeiten - unter Umständen auch zu Hause - gilt mehr, als technische Features. Zudem wirken sich dann gravierende Programmierfehler nicht mehr auf den gesamten Betrieb aus. Und umgekehrt ist der einzelne Entwickler nicht mehr von den Fehlern der Kollegen betroffen.

- Wer nützt diese Möglichkeiten?

In allererster Linie machen davon Systemhäuser Gebrauch. Die Arbeit am PC erspart ihnen, sich einen Mainframe zulegen zu müssen. Außerdem lassen sich die Aufträge gegenüber der Entwicklung am Großrechner meiner Erfahrung nach in einem Drittel der Zeit erledigen. Das erhöht natürlich den Profit.

Eine weitere Zielgruppe sind die Service-Rechenzentren. Dieser Branche geht es zur Zeit nicht besonders gut, weil große Kunden häufig selbst entwickeln, und die Kleinen auf PCs ausweichen. Um so mehr Wert legen sie darauf, kostengünstig arbeiten zu können.

- Wie steht es denn überhaupt mit der Zusammenarbeit von PC und Großrechner?

Wenn Software erstellt wird, bei der nachher Daten vom Host geholt werden, können die eigentlichen Fähigkeiten des PC voll genützt werden. Das wäre wünschenswert, kommt jedoch bisher kaum vor, weil der technische Schritt für die meisten Unternehmen bisher zu groß ist. In der Regel müssen die Programme immer noch mit den "dummen" 3270-Terminals auskommen. PC-Komfort für den Benutzer ist da nicht mehr möglich.

Zwar spielt kooperatives Processing derzeit noch keine Rolle, doch IBM ist mit der Einführung eines OS/2CICS gerade dabei, einen Schritt in diese Richtung zu gehen. Und wenn der Branchenführer vorangeht . . .

Eine vernünftige DV sähe so aus, daß Mainframe-Programme sich mit PC-Programmen "unterhalten" und nur noch Nettodaten austauschen. Benutzerführung, Syntaxkontrolle und Bildaufbereitung werden lokal am PC stattfinden. Aber das ist noch nicht "state of the art".

Viele Anwender benutzen den PC im Grunde nur als 3270-Emulation und denken, sie hätten eine PC-Host-Kopplung. Oder sie haben Filetransfer von reinen Textdateien und denken, sie hätten bereits PC-Host-Kommunikation. Der dritte Schritt erst wäre dann kooperative Verarbeitung. Doch dahin ist für die meisten ein weiter Weg.

- Wir haben beim Thema Software-Entwicklung am PC immer nur von Neuentwicklung gesprochen. Die Programmierer sind aber doch vor allem mit Wartung beschäftigt.

Ein großer Teil der vorhandenen Software ist so lange totgepflegt worden, daß die Endverbraucher protestieren und sich irgendwo fertige Anwendungen kaufen. Und da sind wir wieder bei den oben genannten Systemhäusern, die aus Kosten- und Qualitätsgründen am PC entwickeln.

- Wenn die Programmierung am PC so beliebt ist, wie Sie sagen, warum hat sie sich dann bisher nicht weit mehr durchgesetzt?

Ganz einfach. Viele Programmierer, so die Erfahrung eines Kunden, sind für diese Umstellung schlichtweg zu alt. Das Programmier-Umfeld am PC ist anders und vielfältiger als am Großrechner. Deshalb springen flexible Unternehmen wie Unternehmensberatungen am ehesten auf das Entwicklunstool PC an.

- Aber es gibt doch auch technische Schwierigkeiten?

Natürlich, jede Menge. Das fängt schon damit an, daß Sie die Testdaten nicht eins zu eins vom Mainframe auf den PC holen können. Im Großrechner werden nämlich die Daten in EBCDIC gehalten, während die PCs ASCII-Code lesen. Einfachere Filetransfer-Systeme versagen hier bereits.

- Das ist ein Problem der IBM-Welt...

Richtig, denn DEC-Anwender beispielsweise verfügen ebenso über eine homogene Systemwelt wie die Besitzer von Apple-Macintosh-Rechnern. Die Gründe für die Probleme sind die Folge von historischen Entscheidungen, wie sie von IBM etwa bei der Einführung der PCs gefällt wurden.

Andere Probleme ergeben sich jedoch in den Unternehmen selbst. Die Umstellung geht immer daneben, wenn ein hoher Anteil an Assembler-Programmen vorhanden ist, denn bisher gibt es noch keinen /370-Assembler für den PC. Solche Software muß also erst mühsam in Cobol neu geschrieben werden.

Außerdem verlangt die Entwicklung am PC ein wesentlich strengeres Projektmanagement. Der Abstimmungsaufwand ist hier wesentlich größer als bei der zentralen Datenverarbeitung, wo sich jede Veränderung sofort an allen Arbeitsplätzen - oft unliebsam - bemerkbar macht.

Das sind jedoch alles keine grundsätzlichen Argumente gegen die Entwicklung von Großrechner-Software am PC. Es gibt Unternehmen, für die dieser Weg vorteilhafter ist, als für andere. Am einfachsten ist es für Betriebe, die nicht von Altlasten behindert werden. Neuanfänger sind immer im Vorteil.