Erfahrungen eines Bewerbers:

Die Lage für Wirtschaftsinformatiker ist trist

23.04.1976

DUISBURG - "Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist für Wirtschaftsinformatiker trist - mit einer Besserung ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen." So lautet das Fazit, das ein Professor und ein Student gemeinsam zogen, nachdem sie 70 deutsche Unternehmen auf Anfangsstellen für wissenschaftlich ausgebildeten DV-Nachwuchs abgeklopft hatten. Wenn der Student im Herbst die Diplomprüfung besteht, wird er wahrscheinlich trotz dieses Fazits nicht arbeitslos sein: Fünf Firmem haben zugesagt, seine Bewerbung detailliert zu prüfen. Die Lage ist also nicht hoffnungslos - aber die Stellensuche macht Arbeit.

In dem Ende März vom Bundeskabinett verabschiedeten "Dritten Datenverarbeitungsprogramm der Bundesregierung 1976 bis 1979" wird für das Jahr 1978 ein Gesamtbestand von etwa 400 000 Datenverarbeitungsfachkräften in der Bundesrepublik Deutschland prognostiziert. Die durch Ausbildungsstätten zu deckende Personalnachfrage beträgt zwischen 1973 und 1978 danach 149 000 Datenverarbeitungsfachkräfte, wovon 23 500 eine Ausbildung an wissenschaftlichen Hochschulen aufweisen sollen. Annähernd 40% dieser Hochschulabsolventen sollten nach Meinung der Bundesregierung Wirtschaftswissenschaft im Hauptstudiengang mit dem Nebenfach Informatik studiert haben. Dieser Bedarf von 9000 diplomierten Wirtschaftsinformatikern wird jedoch bis zum Jahre 1978 nur zu 28,9% durch das bestehende Ausbildungsangebot an wissenschaftlichen Hochschulen abgedeckt.

Die Prognosen der Bundesregierung basieren auf zwei Studien der Diebold Deutschland GmbH über den Bedarf an Datenverarbeitungsfachkräften bis 1978, einer Untersuchung von B. u. G. Kammerer sowie einer Studie der WEMA-Institute KG über das Ausbildungsangebot auf dem Sektor der Datenverarbeitung und einer Analyse der Möglichkeiten zur Deckung des Bedarfs an Datenverarbeitungsfachkräften durch das Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung.

Der Regierung ist nicht wohl

Bei ihrer sehr positiven Einschätzung der Berufschancen von Datenverarbeitungsfachkräften ist es der Bundesregierung jedoch offensichtlich nicht ganz wohl, denn es heißt im Dritten Datenverarbeitungsprogramm wörtlich: "Die Prognosen spiegeln die Ausbauplanungen vor Eintritt der Konjukturabschwächung 1974/75 wider. Es ist nicht möglich, die Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklung quantitativ abzuschätzen. Der Bedarf an Datenverarbeitungsfachkräften wird sich zwar langfristig durch konjunkturelle Einflüsse nicht wesentlich verändern, kann sich aber kurz- und mittelfristig verlagern."

Diese Bedenken der Bundesregierung sind sicher gerechtfertigt. Ermutigt durch die Vorstellung, "daß in Zukunft die Mitarbeiter in den Anwenderbereichen nicht nur das Bedienen von Terminals und Datenerfassungssystemen beherrschen müssen, sondern daß die Kombination von Fachwissen mit Datenverarbeitungsfachwissen sowohl das zukünftige Berufsbild der Datenverarbeitungsfachkräfte als auch der Fachkräfte in den Anwendungsbereichen kennzeichnen wird" (Drittes Datenverarbeitungsprogramm), hat ein Duisburger Student in der Zeit vom 5. bis 9. März dieses Jahres 70 deutsche Großunternehmen angeschrieben und um Informationen über die Einstellungs-, - Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Diplom-Ökonomen mit dem Nebenfach Wirtschaftsinformatik gebeten. Im individuell gehaltenen Bewerbungsschreiben wurde besonders das Interesse an einer Anfangsstellung als Trainee oder Assistent betont. Die Unternehmen wundern einerseits aufgrund von Publikationen, andererseits nach ihrer Betriebsgröße und Branchenzugehörigkeit ausgewählt. Darunter waren Deutschlands Größte wie Volkswagenwerk, Daimler-Benz und die Chemiekonzerne.

Innerhalb eines Monats gingen auf dieses Bewerbungsschreiben 58 Antworten ein, die sich in 3 Kategorien einteilen lassen:

l. Aufforderung zur weiteren Bewerbung (5)

2. vorläufige Absage und/oder Aufforderung zur Bewerbung zu einem späteren Zeitpunkt (10)

3. endgültige Absage (43)

Von vornherein an Nachwuchs uninteressiert zeigten sich ll der 13 DV-Unternehmen; Siemens und IBM vertrösteten auf einen späteren Zeitpunkt.

Fazit: Die derzeitige Nachfragesituation auf dem Arbeitsmarkt für Absolventen eines wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulstudiums mit dem Wahlfach Informatik ist trist. Eine spürbare Nachfragebelebung ist nicht mehr in diesem Jahre zu erwarten.

* Dr Hans Robert Hansen ist ordentlicher Professor für Wirtschaftsinformatik an der Gesamthochschule Duisburg. Harry Pehlgrim studiert in Duisburg Wirtschaftswissenschaften und Informatik; er will im Herbstsein Diplomexamen ablegen und hat die Bewerbungen geschrieben.