Die Kunst, das richtige Schlachtfeld zu waehlen

10.06.1994

Die Softwareschmiede Borland ist in Verruf geraten. Dazu haben die innerhalb von drei Jahren aufgelaufenen Verluste ebenso beigetragen wie die Geruechte, der erfolgsverwoehnte Firmengruender Phillippe Kahn habe die Lust an seiner Unternehmung verloren, spiele lieber Saxophon und denke an den Verkauf der Firma.

Jetzt, mit dem Ruecken zur Wand, hat Borland eine neue Strategie gewaehlt: Die Softwerker wollen Upsizing-Kunden mit Client-Server- Tools und -Applikationen bedienen. So hoffen sie, dem direkten Konkurrenzkampf mit Microsoft auszuweichen, den sie nach eigenem Eingestaendnis nicht gewinnen koennen. Diese Einsicht, auch wenn sie vielleicht zu spaet kommt, ehrt Borland. Schon andere Spieler haben das Duell mit der Gates-Company verloren.

Lotus zum Beispiel buesste seine Dominanz im Spreadsheet-Markt ein, nachdem sich Chef Jim Manzi zunaechst dafuer entschieden hatte, die Tabellenkalkulation 1-2-3 fuer OS/2 anstatt fuer Windows zu entwickeln. Heute ist Microsoft mit Excel Marktfuehrer im Windows- Sektor. Aehnliches gilt fuer Borland. Die Schwierigkeiten des Unternehmens, Strategien in die Tat umzusetzen, verhinderten, dass die Kahn-Company rechtzeitig mit Windows-Versionen ihrer Produkte reuessieren konnte. Die Verzoegerungen nutzte Microsoft, um die lange in seinem Produktportfolio klaffende Luecke mit den Datenbanken Access fuer Windows und dem Kauf des Dbase-kompatiblen Foxpro-Systems zu schliessen.

Anstatt mit vereinten Kraeften gegen Microsoft anzutreten, verzettelten sich die Konkurrenten. Borland wollte Lotus mit Niedrigpreisangeboten und einer Quattro-Pro-Version im Look and feel von 1-2-3 das Wasser abgraben. Dagegen bemuehte sich Novell nach der Uebernahme von Digital Research und dem Kauf der USL, mit Novell-DOS und Unix die Gates-Company an der Basis, bei den Betriebssystemen, anzugreifen. All diese Anstrengungen blieben bisher ohne durchschlagenden Erfolg.

Microsofts letzten erfolgreichen Coup im Kampf um Marktanteile - die Einfuehrung von MS-Office - versuchten Borland und Lotus bisher vergeblich, mit eigenen Bundle-Angeboten zu kontern.

Nur Novell verfuegt nach Meinung vieler Experten ueber die Finanzkraft, um Microsoft ernsthaft Paroli bieten zu koennen. Mit Wordperfect und Borlands Spreadsheet-Division haben die Mormonen jetzt ausserdem die notwendigen Applikationen. Das erste Bundle wird Novell bereits in zwei Wochen in New York vorstellen - und den Preis von Microsoft wahrscheinlich unterbieten.

Trotzdem bleibt es wenig wahrscheinlich, dass Microsoft im Desktop- Markt wesentliche Anteile an die Konkurrenz abtreten muss. Vor diesem Hintergrund macht die Borland-Maxime Sinn: "Konkurriere nur dort, wo du gewinnen kannst" - und das ist der Client-Server- Markt. Hier bemueht sich Microsoft jedenfalls nur halbherzig, seinen Einfluss zu vergroessern. Diese Schlacht ist noch nicht geschlagen.