EDV-Ausbildung für Management-Nachwuchs

Die Kronprinzen programmieren

23.05.1975

BURSCHEID - "Der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht." So kommentiert Dipl.-Volkswirt Heinz Willi Bernhardt (51), Direktor für den Zentralstab der Friedrich Goetze AG, Burscheid, seine Beobachtung, daß zwar die Verantwortlichen in den meisten Anwenderunternehmen von der Notwendigkeit der Aneignung eines angemessenen EDV-Wissens ihres mittleren und oberen Managements überzeugt sind, es jedoch zumeist bei guten Vorsätzen belassen.

Bernhardt, - er ist bei dem führenden Kfz-Teile-Hersteller unter anderem verantwortlich für die Bereiche EDV/Org, Revision und Betriebswirtschaft, - sowie etwa 50 Firmenangehörige des Mittel- und Top-Managements, rund 100 Referenten und Sachbearbeiter aus den Fachabteilungen, praktizieren das, was sie eine notwendige, "Neue Einstellung zur EDV" nennen, schon ab 1967.

Grundregel ist seitdem: Jeder Abteilungschef sowie die Referenten und Sachbearbeiter müssen neben dem EDV-Grundwissen auch Kenntnisse über die DV-Anwendungen im jeweiligen Fachgebiet haben. Die Abteilungs-Kronprinzen müssen eine Programmierausbildung absolvieren. Selbstverständlich ist auch bei den Goetzewerken die ständige, fachliche Weiterbildung, intern und extern, der 48 EDV-Fachkräfte. Bernhardt: "Jeder Datenverarbeiter wird im Durchschnitt an 20 Tagen des Jahres raus auf Schulungen geschickt." Pro Jahr würden allein, ohne Berücksichtigung der Gemeinkosten, etwa 150 000 Mark an externen Seminar-Gebühren ausgegeben.

Teilweises Chaos

Aktueller Anlaß für die Realisierung dieses intensiven EDV - Ausbildungsprogrammes waren die vor sieben Jahren aufgetretenen Umstellungsschwierigkeiten von Lochkartenmaschinen auf eine IBM 360/40. "Da gab es teilweise ein Chaos bei den Programmumstellungen. Die Abteilungsleiter und die Führungsspitze waren über die Terminverschiebungen verärgert, während die Datenverarbeiter über die Reaktion der anderen frustriert waren", erinnert sich Bernhardt. "Es mußte reiner Tisch gemacht werden."

Das Ergebnis, ein inzwischen reibungslos funktionierender EDV/Org-Bereich mit einer vierfachen Erweiterung der Zentralanlage, 40 Terminals im Online-System, eine Produktionslenkung auf vier DEC-Prozeßrechnern wurde parallel zur intensiven Mitarbeiterschulung im wesentlichen mit folgenden Maßnahmen erzielt:

- Umorganisation des DV-Bereiches nach den Grundsätzen eines Produktionsbetriebes,

- Gründung eines DV-Komitees, bestehend aus einem Vorstandsmitglied, der Stabsleitung, der DV-Leitung und drei Fachbereichsleitern,

- Einführung einer Vorschlangs- und Genehmigungs-Prozedur,

- Festlegung aller im DV-Bereich geltenden Regeln in Form eines DV-Handbuches,

- Ausarbeitung eines praktikablen Informations-Systems, durch das die Zusammenarbeit zwischen Management, den Angehörigen der Fachabteilungen und dem DV-Personal transparent wurde und das ein allgemeines, methodisches Arbeiten erlaubte.

Die Lösung des Problems

"Heute", so Bernhardt, "ist die EDV bei uns zu dem geworden, was sie letztlich sein sollte. Ein effektives Instrument zur Führung eines Unternehmens."

Für alle anderen Anwender, bei denen das noch nicht der Fall ist, gibt es nach Bernhardts Meinung nur zwei Möglichkeiten zur Lösung des Problems: "Entweder lernt das Top-Management mehr über die EDV oder die DV-Leiter entwickeln unternehmerisches Denken, um vom Mittel-Management in echte Kommando-Positionen der Führungsspitze aufzurücken."