Die Kostenlos-Ära im Web geht zu Ende

22.02.2002
Von 
Peter Gruber arbeitet für die Portale Computerwoche und CIO.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Unendlich viel Geld ist in den Jahren des Internet-Hypes in den Sand gesetzt worden. Das Überangebot an kostenlosen Inhalten hat Geschäfte mit Content lange Zeit vereitelt. In letzter Zeit mehren sich aber die Anzeichen dafür, dass die "Kostenlos-Kultur" zu Ende geht.

Es muss Schluss sein mit der Vorstellung, dass es im Web alles gratis gibt, so lautet mittlerweile das Credo der E-Commerce-Branche. Doch um diesen Kulturwechsel zu vollziehen, muss die verwöhnte Online-Klientel erst umerzogen werden. Und das dürfte kein leichtes Unterfangen sein. Die schier unerschöpflichen Geldströme von Risikokapitalgebern sorgten bisher dafür, dass Inhalteanbieter wie etwa Verlage, Medienkonzerne, aber auch Softwarehersteller gegenüber hochsubventionierten Gratisanbietern den Kürzeren zogen.

Gratisdienste verschwinden von der Bildfläche

Die Dotcom-Krise scheint nun aber Wirkung zu zeigen. Kostenlose hochwertige Dienste nehmen in letzter Zeit deutlich ab, weil die Rechnung nicht aufging, sich ausschließlich über Werbung zu finanzieren. Ehrgeizige Online-Publikationen wie der Computerchannel von Gruner + Jahr mussten beispielsweise ihren Dienst einstellen. Auch in anderen Bereichen wechseln Anbieter zunehmend ihre Geschäftsmodelle oder geben auf. Die kostenlosen Datenspeicher im Web etwa sind rar geworden. Von den Karten- und Navigationsdiensten, die es vor einem Jahr noch in großer Zahl gratis gab, sind mittlerweile die meisten von der Bildfläche verschwunden. Dasselbe gilt für kostenlose E-Mail- und SMS-Dienste.

Vor allem die Zeitschriftenverlage beginnen damit, Geld für Inhalte zu verlangen. Wurde bisher bereits viel über das relativ erfolgreiche Bezahlmodell des US-amerikanischen "Wall Street Journal" mit rund 600000 Abonnenten geschrieben, steigen nun auch hierzulande Sites wie "Spiegel Online" in den Markt ein. Die Titelgeschichte der Print-Ausgabe gibt es jetzt bereits am Samstagnachmittag für 50 Cent zum Download. Die Abrechnung erfolgt mit dem mittlerweile recht verbreiteten Click&Buy-System von Firstgate. Dabei muss sich der Kunde einmalig bei Firstgate anmelden und kann zukünftig nach Eingabe seiner persönlichen Identifikationsnummer (PIN) bei Partner-Sites einkaufen. Der Dienstleister bucht die aufgelaufenen Kosten einmal pro Monat vom Konto des Endkunden ab.

Sex sellsEiner Studie der Marktforscher von Jupiter MMXI zufolge wurden 2001 in Westeuropa nur 252 Millionen Euro durch Web-Content erwirtschaftet. Der Löwenanteil davon entfiel mit rund 70 Prozent auf Erotikangebote, der Rest überwiegend auf Spiele, Finanzdienste sowie Wirtschaftsnachrichten. Bis zum Jahr 2006, so die Jupiter-Prognose, wird das Volumen über PC konsumierter Bezahlinhalte auf 1,7 Milliarden Euro steigen, wobei 47 Prozent der Befragten bekunden, auch künftig grundsätzlich kein Geld für Content ausgeben zu wollen. Zeitungs- und Zeitschriftenverlage haben es dabei nach Ansicht der Marktforscher besonders schwer, über Web-Angebote Umsätze zu generieren. Bessere Erlösmöglichkeiten werden Anbietern generell über Mobiltelefone eingeräumt. Hier schätzt Jupiter das Umsatzvolumen im Jahr 2006 auf 3,3 Milliarden