Die Konvergenz der Netze wird Realität

20.02.2006
3GSM: Erste Handy-Modelle verknüpfen Mobilfunk und Festnetz per WLAN.

Auf der diesjährigen GSM World in Barcelona wurde deutlich, wie die Konvergenz zwischen Mobilfunk und Festnetz gestaltet werden kann. Offen ist allerdings weiter die Frage, welches Access-Medium in den Ballungszentren künftig den mobilen Anwender mit breitbandigen Diensten versorgen wird.

WLAN-Chaos

Wer schon immer einmal eine Lektion in Sachen "So sollten Sie ein WLAN auf gar keinen Fall einrichten" erleben wollte, der war auf der 3GSM genau am richtigen Platz. In bester Wildwest-Manier hatten hier Veranstalter und Aussteller unkoordiniert Access Points installiert, so dass etwa in der Halle 2 bis zu 36 WLANs gleichzeitig zu empfangen waren. Und dies, obwohl in den 802.11-WLAN-Standards eigentlich bei 13 verfügbaren Kanälen zu jedem benachbarten Sender drei Kanäle Abstand empfohlen werden. Ein Wildwuchs, der seine Konsequenzen hatte: Wer per WLAN online gehen wollte, konnte die einzelnen Bits per Handschlag persönlich begrüßen. Den frustrierten Messebesuchern und Ausstellern blieb derweil nur eine Alternative: Sie mussten per UMTS ins Netz gehen und die teuren Roaming-Gebühren bezahlen.

Hier lesen Sie …

• wie Festnetz und Mobilfunk konvergieren;

• welche Endgeräte sich für beide Welten eignen;

• wohin die Entwicklung der Access-Medien geht.

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Nachdem die Aussteller bereits auf den letzten beiden 3GSM-Veranstaltungen in Cannes das hohe Lied der Konvergenz von Festnetz und Mobilfunk sangen, konnten die Messebesucher dieses Jahr in Barcelona die ersten konvergenten Endgeräte testen. Kaum ein namhafter Hersteller, der in Barcelona nicht mindestens ein Gerät auf seinem Stand zeigte, das WLAN und Mobilfunk in Form von GSM und UMTS beherrscht.

So präsentierte Nokia beispielsweise mit dem "6136" ein Handy, das für WLAN und Mobilfunk geeignet ist. Laut Hersteller hat das Klapptelefon im WLAN-Betrieb eine Sprechzeit von 5,5 Stunden und eine Standby-Zeit von rund 82 Stunden. Deutlich länger reicht der Akku mit 280 Stunden im normalen Mobilfunkbetrieb, wobei der Anwender ebenfalls rund fünf Stunden telefonieren kann.

Ein Meisterwerk der Technik

Zwei konvergente Multitalente hatten in Barcelona Hewlett-Packard und Fujitsu-Siemens Computers (FSC) im Gepäck. Auf Basis von Windows Mobile 5.0 integrierten die beiden Hersteller in ihren Produkten WLAN, Mobilfunk, Bluetooth und GPS zur Fahrzeugnavigation. Während HPs "HW6900" lediglich mit einer Edge-Unterstützung bei der mobilen Datenübertragung aufwartet und im WLAN gemäß IEEE 802.11b nur 11 Mbit/s erzielt, ist FSCs neuer "Loox T830" aus heutiger Sicht ein wahres Meisterwerk der Technik. Er beherrscht UMTS und funkt im WLAN mit bis zu 54 Mbit/s (802.11g). Zudem verfügt er über zwei integrierte Kameras für Videokonferenzen. Beim für Geschäftsanwender wichtigen Thema Mobile E-Mail gehen HP und FSC wieder den gleichen Weg: Beide setzen hier auf die Direct-Push-Technologie von Microsoft.

Angesichts der vielen Funktionen, die aktuelle Geräte wie der T830 in sich vereinen, stellt sich nicht nur Uwe Romppel, Senior Director Thin and Pen-based Clients bei FSC, die Frage, ob hiermit nicht der Zenit der Integration erreicht ist und künftige Produktentwicklungen wieder zu spezialisierten Endgeräten tendieren. Ein erstes Indiz dafür, dass die Reise in diese Richtung gehen könnte, ist beispielsweise Intels Ankündigung eines "Ultramobile PC" für 2007. Intel-Managern zufolge soll diese neue Gerätegattung kleiner als heutige Notebooks sein, aber dennoch aus klassischen PC-Komponenten wie Festplatte oder Centrino-Technik bestehen.

Mobil aber sparsam

Bei der Entwicklung des Mini-PCs stehen, so der Chiphersteller, vor allem zwei Aspekte im Vordergrund: bessere mobile Datenübertragung sowie geringerer Energieverbrauch. Deshalb dürfte auch in Sachen Festplatte noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Denn wenn es stimmt, dass, wie Darin Billerbeck, Vice President für Flash-Produkte bei Intel, ausführte, das Moorsche Gesetz auch für Flash-Speicher gilt, dann dürften 2007 bereits Speicher mit 4 GB Kapazität verfügbar sein und sich als Alternative zu den energiefressenden Festplatten anbieten.

Eng mit der Materie Konvergenz ist auch das Schlagwort UMA (Unlicensed Mobile Access) verknüpft. Damit ist die Netzinfrastruktur gemeint, über die Mobilfunkdienste mittels unregulierter Übertragungstechniken wie WLAN oder Bluetooth bereitgestellt werden. Den Vorteil von UMA sieht Nokia-CEO und Chairman Jorma Ollila darin, dass Handys in Gebäuden mit schlechtem Mobilfunkempfang über einen WLAN-Zugang in Netz gehen können. Der Benutzer könnte dort dann beispielsweise per VoIP über das WLAN telefonieren.

Technisch betrachtet baut UMA dabei einen Tunnel zwischen dem WLAN-Zugangspunkt und dem Netzknoten des Providers auf und gewährleistet so eine sichere Datenübertragung. Abgerechnet wird, unabhängig vom Hotspot, über die SIM-Karte des Anwenders. Neben einer quasi Inhouse-GSM-Abdeckung sind für Steven Shaw, Director bei der auf UMA-Lösungen spezialisierten Kineto Wireless, aber auch andere Anwendungsmöglichkeiten denkbar. Zum Beispiel könnte ein Unternehmen UMA in Kooperation mit einem Mobilfunkanbieter nutzen, um auf seinem Campus per WLAN die interne Telekommunikations-Infrastruktur aufzubauen. Per Handy telefonieren die Mitarbeiter hier per VoIP oder zu Firmentarifen. Verlassen sie das Gelände, schaltet das Endgerät automatisch in das Mobilfunknetz um. Neben der verbesserten Erreichbarkeit sieht Shaw für Unternehmen den Vorteil darin, dass sie nicht mehr in Tischtelefon und Handy investieren müssen.

Welches Access-Medium?

Offener denn je scheint dagegen die Frage zu sein, welches Access-Medium das Rennen um den mobilen Breitbandzugang macht. So war es in Barcelona beispielsweise verdächtig ruhig in Sachen WLAN-Hotspots - was aber angesichts des dort vorherrschenden Durcheinanders (siehe Kasten "WLAN-Chaos") nicht weiter verwundert. Das Thema könnte allerdings neuen Auftrieb erhalten, wenn Intel, wie auf der 3GSM angekündigt, im Lauf des Jahres in seine Centrino-Plattform SIM-Kartenleser integriert. Die SIM-Karten könnten dann nämlich zur Authentifizierung des Benutzers an einem Hotspot und zur Abrechnung über seinen Mobilfunkbetreiber verwendet werden, womit das leidige Problem der unterschiedlichen Abrechungsmodelle, das vor allem Geschäftsreisende nervt, der Vergangenheit angehören dürfte.

Anderseits vereinfachen die SIM-Reader aber auch die Integration von Mobilfunktechnik wie HSDPA im Notebook. Die Sende- und Empfangsteile können nämlich - ähnlich wie beim WLAN - in Form von PCI- oder PCI-Express-Minimodulen an die Centrino-Plattform angekoppelt werden. Entsprechende HSDPA-Module von Sierra Wireless wollen beispielsweise Lenovo und Fujistu-Siemens in ihre Geräte einbauen.

Hohes Innovationstempo

HSDPA mit Transferraten von 1,8 Mbit/s ist aber nur der erste UMTS-Evolutionsschritt auf dem Weg zu breitbandigen Mobilfunkdiensten. Noch in diesem Jahr, so Kathleen Landry, Direktorin bei Sierra Wireless, werden Karten verfügbar sein, die 3,6 Mbit/s im Download übertragen, und im nächsten Jahr bringt HSDPA dann auch im Upload eine Geschwindigkeitssteigerung.

Glaubt man T-Mobile-Chef René Obermann, dann könnte das Innovationstempo sogar noch höher sein. Obermann hält 2008 bereits Transferraten von über 14 Mbit/s für realistisch. Zum Ende des Jahrzehnts peilt der Manager 20 Mbit/s an.

Angesichts dieser Perspektiven stellt sich die Frage nach den Zukunftsaussichten einer anderen Technik, die in den letzten Jahren auf der 3GSM für viel Aufmerksamkeit sorgte: Wie steht es um "Mobile Wimax"? Eine Frage, die mehr denn je berechtigt ist, denn der Technik droht ihr Kostenvorteil - ein Pluspunkt, den Intel immer hervorhob - abhanden zu kommen, wenn sich eine Siemens-Ankündigung bewahrheitet.

Die Münchner wollen künftig die Mobilfunkbasisstationen, die etwa auf Dächern installiert werden, in zwei Teile aufgliedern. Auf das Dach kommt nur noch die eigentliche Antenne mit dem Radiokopf, während die empfindliche Elektronik, also der Server, irgendwo im Keller installiert wird. Das senkt nicht nur die Installationskosten, sondern erspart auch den kostspieligen Klimaschutz für die Elektronik - insgesamt bezifferte Siemens-Communications-Chef Thomas Ganswindt das Einsparpotenzial auf 65 Prozent. Gleichzeitig erlaubt es das neue Konzept, über einen Server bis zu zwölf Radioköpfe zu adressieren, die fast 50 Kilometer vom Server entfernt installiert sein können.

Berücksichtigt man diese Entwicklung und die HSDPA-Evolution, dann fällt das Resümee für Mobile Wimax bisher eher ernüchternd aus. Die ersten Prototypen, die Intel als PC-Card auf der Messe zeigte, erreichten gerade mal HSDPA-Geschwindigkeit und bewegten sich auch bezüglich der Latenzzeit nur auf Mobilfunkniveau. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Intel-Mitarbeiter schätzten, dass die Serienmodelle, die etwa ab Ende 2007 erhältlich sein dürften, zwischen einem und zwei Watt Strom verbrauchen. In der Praxis ließe sich dann etwa zwei bis drei Stunden mit einem Centrino-Notebook per Mobile Wimax arbeiten, während per WLAN mit der jüngsten Centrino-Generation Arbeitszeiten von vier bis fünf Stunden als realistisch gelten.