Die Koenig-Brauerei ist zum Alleingang bereit Die Jahrtausendwende mit R/2 darf nicht Millionen kosten

06.01.1995

Die R/2-Standardsoftware ist bis Version 4.3 mit einem Datumsformat ausgestattet, das mit der Jahrtausendwende unbrauchbar wird. Um dieses Problem zu loesen, sollen die Kunden nun mit riesigem Aufwand auf die Produktversion 5.0 umsteigen. Die Duisburger Koenig-Brauerei will hier nicht mitmachen. Der dortige DV-Chef Hermann Lichtenberg* schlaegt statt dessen vor, dass die SAP ein Migrations-Tool erstellt.

Zum SAP-Anwender wurde die Koenig-Brauerei mit der Version 1.6 der Standardsoftware. Danach wurde der Migrationsweg ueber Version 4.1 und 1990 nach Version 4.3 beschritten. Diese Umstellungen waren notwendig, weil das Unternehmen an der Weiterentwicklung der Softwareprodukte und den erweiterten Moeglichkeiten teilhaben wollte.

Nunmehr ist ein Stand erreicht, bei dem Buchhaltung Buchhaltung und Kostenrechnung Kostenrechnung bleiben. Rationalisierungseffekte koennen bei einer Migration auf die Version 5.0 nur noch in geringem Umfang erzielt werden. Der Grad der Dringlichkeit einer Versionsumstellung liesse sich fuer unser Unternehmen am besten mit "nice to have" umschreiben.

Um es ganz deutlich zu sagen: Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gibt es fuer die Koenig-Brauerei - und ich nehme an, fuer eine Vielzahl von Unternehmen, die in einer aehnlichen Situation sind - keinen Grund, fuer viel Geld (unter Umstaenden mehrere Millionen) einen Versionswechsel vorzunehmen, nur um die Jahrtausendwende zu bewaeltigen.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die SAP AG als Monopolist nicht nur das Ziel hat, sondern auch die Macht ausueben will, den Teil ihrer Kunden, die mit dem Erreichten (naemlich Version 4.3) aeusserst zufrieden sind, zu zwingen, jeden von ihr gewuenschten Migrationsweg zu beschreiten. Das Unternehmen tut das sicherlich auch, um seine gewiss schon goldene Bilanz auf Kosten der Kunden weiter zu polieren. Ginge es um den Kundennutzen, koennten ja beispielsweise die Wartungskosten gesenkt werden.

Die SAP scheint auch gar kein Interesse zu haben, Versionswechsel einfacher und weniger aufwendig zu gestalten oder gar die Modifikation des Datumsformats so zu unterstuetzten, dass der Wechsel mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln zu bewaeltigen ist. Dabei resultiert die jetzige Situation doch wohl auch aus einer Fehlentwicklung, die bei SAP zu suchen ist, denn die Version 4.3 wurde bis in die 90er Jahre ausgeliefert.

Jeder, der lange genug im Geschaeft ist, weiss, dass vor zehn bis 15 Jahren, als IBM noch eine Quasi-Monopolstellung hatte, die Situation aehnlich war. Inzwischen sind dort, nachdem sich die Verhaeltnisse gewandelt haben, Release-Wechsel vom Aufwand her nicht mehr problematisch.

Ich bin der Meinung, die Kunden, die mit dem Organisationsstand 4.3 zufrieden sind (Stabilitaet, Moeglichkeiten etc.), sollten sich der SAP gegenueber bemerkbar machen und einmal versuchen, an der Quasi-Monopolstellung zu kratzen. Dies wird nicht leicht werden, aber der Paragraph 26 Absatz 2 GWB (Kartellgesetz) duerfte hier ein wirksamer Hebel sein.

Die Koenig-Brauerei ist durchaus auch zu einem Alleingang bereit. Natuerlich wird es leichter werden, wenn sich moeglichst viele Anwender artikulieren, um die SAP AG dahin zu bringen, fuer Kunden, die bei Version 4.3 bleiben wollen, eine kostenguenstigere Loesung fuer die Umstellung anlaesslich der Jahrtausendwende anzubieten.

Der SAP-Kunde Koenig-Brauerei

Die Koenig-Brauerei GmbH & Co. KG, ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 330 Millionen Mark, ist seit 1980 SAP-Kunde fuer das Modul RA/Anlagenbuchhaltung. In der Folge kamen folgende Komponenten hinzu: RF/Finanzbuchhaltung, RM/Materialwirtschaft, RK/Kostenrechnung und RV/Vertriebsabwicklung.