Es fehlt eine moderne Systematik

Die Klassifizierung der DV-Berufe ist völlig veraltet

17.05.1991

Die Arbeitsämter können sich nur auf die amtliche Berufsystematik der "Klassifizierung der Berufe" stützen, die im DV-Sektor völlig veraltet und teilweise fehlerhaft ist Was als Statistikgrundlage und Basis wissenschaftlicher Auswertungen fehlt, so die Auffassung von Karl Eulenstein*, ist eine moderne Berufssystematik, die sich an der tatsächlichen Struktur der modernen Datenverarbeitung ausrichtet.

Nicht nur der technische Hintergrund der Datenverarbeitung ist für die DV-Mitarbeiter von Bedeutung, sondern auch die Veränderungen der DV-Landschaft und die Auswirkungen auf betriebliche Organisationsstrukturen und damit vor allem die beruflichen Anforderungen spielen eine große Rolle.

Auffallend bei berufsbezogenen Veröffentlichungen ist allerdings, daß selbst amtliche Statistiken und Volkszählungsergebnisse mit Berufsbezeichnungen arbeiten, die zum Teil völlig veraltet sind, Synonyme darstellen oder gar sich einer konkreten Zuordnung verwehren. Der Wert solcher statistischer Erhebungen und ihrer Auswertung ist damit eingeschränkt.

Zwar gibt es schon erste Ansätze (zum Beispiel durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg), aber noch keine gut differenzierte Gesamtstrukturierung. Es fehlt im Grunde sogar eine exakte Definition, was ein DV-Beruf ist und was nicht.

Ebenso fehlt eine genaue Abgrenzung des gesamten Berufsbereichs aller DV-Beschäftigten. So gibt es bereits Schlußfolgerungen, daß deren Anzahl stetig zunehmen wird. Einer bereits oft verwandten Unterscheidung von Kern-, Misch- und Randberufen der Datenverarbeitung fehlt leider noch die eindeutige Festlegung des Strukturelementes, das heißt, ob die Unterscheidung berufsfachlich (qualitativ) oder nach der Lage in der DV-Struktur zu erfolgen hat.

Für beide Auslegungcarten gibt es Beispiele. Um nur eines zu nennen: Alle Operatoren werden, unabhängig von der Qualifikation, grundsätzlich den DV-Kernberufen zugeordnet. Die Bezeichnung "Randberufe wirft die Frage auf, wo sich der Rand für die DV-Berufe befindet. Gibt es DV-Berufe am inneren Rand des Berufsbereichs, und welche befinden sich außerhalb?

All diese Unklarheiten verlangen nach einer systematischen Gliederung der Datenverarbeitungsberufe, die sich an dem Datenverarbeitungsprozeß ausrichtet. Da sich in der Praxis die betrieblichen Organisationsstrukturell naturgemäß unterscheiden, ist hier eine funktionale Gliederung der Datenverarbeitung als Ausgangsbasis angebracht.

Das nachfolgende Funktionsmodell der modernen Datenverarbeitung kann in seiner übersichtlichen Darstellungsform auch dem Laien als Einstieg in die komplexe Materie, gewissermaßen als Verständnishilfe, dienen. Neu daran ist die Abgrenzung der eigentlichen, das heißt der automatisierten, Datenverarbeitung von benachbarten Bereichen wie beispielsweise PC-Anwendung am Arbeitsplatz, DV-Schulung oder Vertrieb, Verkauf von Hard- und Software einschließlich Beratung und Betreuung.

Das ermöglicht zugleich eine klare Umgrenzung der DV-Berufe. Nicht jeder, der bei seiner Arbeit, Daten beziehungsweise Informationen verarbeitet wer tut das eigentlich nicht muß sogleich zwangsläufig den DV-Berufen zugeordnet werden. Die eigentlichen Datenverarbeitungsberufe aber sind in drei Funktionssäulen aufgegliedert:

- DV-Anwendungsentwicklung,

- Systemkernbereich und

- Rechenzentrum.

Dies entspricht auch dem logischen Ablauf Alle vorkommenden Aufgaben- beziehungsweise Tätigkeitsfelder sind leicht ablesbar, ihre Verknüpfungen unschwer zu erkennen.

Die davon abgeleitete Berufssystematik unterscheidet sich naturgemäß von der amtlichen Gliederungsordnung und hat den wesentlichen Vorteil, nur die Berufsbezeichnungen gruppenweise zusammenzufassen, die fachlich eng verwandt lind damit austauschbar sind.

Insofern ist die Neugliederung eine echte Hilfe bei der Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter, während die bisherige Berufsklassifizierung nicht nur grober unterteilt, sondern auch teilweise Zuordnungen vornimmt, über die man sich nur wundern kann, zum Beispiel Lochkartensortierer und Leiter des Rechenzentrums. Die gesamte Neugliederung hier vorzustellen, verbietet die Vielzahl der vorkommenden Berufsbenennungen (es sind fast 200).

Beispielhaft ist hierbei die feine Aufgliederung der Systemprogrammierer zu erkennen, deren enge Berufsverwandtschaft den gesamten Funktionsblock durchzieht, von der Systemadministration (einschließlich Datenbanken und Netzwerken) bis zur Systemsoftware-Entwicklung.