Die Kehrseite der neuen IBM 138, 148

06.08.1976

Justus Wierzewski, Geschäftsführer der Infodata GmbH, Reibeck b. Hamburg

Der Riese hat mal, wieder Kaninchen aus dem Zylinder gezaubert. So spät wie möglich und So früh wie unumgänglich durften Anwender und Wettbewerb über die Konsequenzen der Neuankündigungen der Modelle 370-138 und 370-148 rätseln.

Auf den ersten Blick war die Welt heil. Der Wettbewerb fand seine Strategie des Angriffs auf den Markt der Anlagen mittlerer Größe bestätigt. Die Anwender addierten ein bißchen an den CPU-Features (vorhandene und gewünschte) herum und stellten fest, daß selbst ohne Langzeitbindung gegenüber der vorhandenen Installation sehr fühlbare Einsparungen sozusagen per Federstrich möglich waren. Auch für Leasingfirmen als indirekt betroffenen Dritten blieb die erfreuliche Aussicht, daß Neuabschlüsse wegen der besonders attraktiven Kaufpreise winkten. Damit waren, interessante, weil gegen den IBM-Mieten niedrigere Leasingraten klar vorgezeichnet. Der Wermutstropfen der, jetzt nicht mehr über den Optionspreisen liegenden Marktpreise für die Modelle 135 und 145 war damit mehr, als ausgeglichen. Alles in schönster Ordnung also, keinem wurde weh getan? Mir scheint: mitnichten.

Sieht man etwas genauer hin, findet man leicht manches Haar in der Suppe. Warum wurden die neuen Modelle beispielsweise nicht auf der Hannover Messe vorgestellt? Jeder Interessent hätte so eine echte Vergleichsmöglichkeit gehabt. Statt dessen kam die Modellankündigung in der Urlaubszeit. Jede Reaktion in Form von Analysen, Stellungnahmen, Vergleichen wurde zwangsläufig zu einer mehr oder weniger verzettelten Einzelaktion. Hauptinformant des Anwenders blieb so der zuständige Vertriebsbeauftragte. Dessen diskreter Wink mit dem Zaunpfahl, hier der Hinweis auf rapide zunehmende Lieferzeiten und daraus resultierenden späteren Eintritt der errechneten Einsparungen, muß eine nachdrückliche Wirkung gehabt haben. Dem Vernehmen nach übersteigen hierzulande die Abschlüsse bereits die IBM internen Erwartungen. Leider scheint aber niemanden richtig klar geworden zu sein daß damit, ähnlich wie bei der Erfindung der diversen Verträglichkeiten, die Weichen gestellt wurden, um ein Grundübel im Anwenderbereich zu zementieren.

Mit dem verbilligten Arbeitsspeicher und der gesteigerten CPU-Leistung, können weiterhin unwirtschaftliche, weil total überalterte Systeme am Leben erhalten werden. Datenbank- und Bildschirmanwendungen werden noch stärker propagiert werden. Dabei wird die Zahl der Anwendungen weiter steigen, die bei einem tatsächlichen Aktualitätsbedarf der Fachbereiche in, der Spanne von 12 bis 24 Stunden mit Antwortzeiten von Sekunden operieren. Es ist zwar "modern", mit Bildschirmen auf Datenbanken zuzugreifen, deren update einmal täglich im batch stattfindet, nur wirtschaftlich ist es eben nicht. Das seit Jahren perfekt, funktionierende System des overselling feiert fröhliche Urständ.

Es klingt manchem Anwender vielleicht reaktionär, aber wer aus Kostengründen bisher auf Luxus und Komfort von Datenbank und Bildschirm verzichten mußte, sollte den Ausweg nicht unbedingt bei schnelleren neuen Systemen suchen.. Diese sind bewußt so ausgelegt, daß sie Appetit auf aufwendige Anwendungen machen,, die ihrerseits dann wieder neue Hardware erfordern. Außerdem profitiert von der höheren Geschwindigkeit nur derjenige, dessen CPU-Auslastung so hoch ist, daß diese zum Systemengpaß wurde. Eine realistische Gegenüberstellung von Informations- und Aktualitäts-Bedarf in Verbindung mit dem dafür erforderlichen Informationsmittel führt statt dessen oft zu erstaunlichen Erkenntnissen. Das bereits sehr verbreitete Sammelsystem zur Datenerfassung oder COM sind in Vielen Fällen zu gleichen zu gleichen Ergebnissen am Arbeitsplatz imstande. Bleibe ersparen aufwendige Zusatz-Hardware Zusatz-Hardware. ISAM-Zugriffe auf Extrakt-Dateien von einem in den Fachbereich ausgelagerten Erfassungsplatz des Sammelsystems sind heute problemlos. Ein COM-Sichtgerät ist unter DM 800, - Kaufpreis zu haben und damit sicher billiger als die Miete der für den permanenten Zugriff erforderlichen Plattenlaufwerke und Bildschirme samt Steuereinheit.

Wer Kosten Sparen will oder muß kann zu diesem Zweck mit seinem vorhandenen System die verschiedensten Wege gehen. Kauf der installierten Anlage unter Ausnutzung des Optionspreises mit oder ohne anschießenden lease back ist nur einer davon. Die neuen Systeme jedenfalls lösen Budgetprobleme nur scheinbar. In Wahrheit helfen sie Beim Zudecken der Probleme mit veralteten Anwendungen und sind die Ursache für neuerliche Erweiterungen. Damit geht sicher die Rechnung des Herstellers auf, aber nicht die der Einsparungen beim Anwender.

Im Vergleicht zu den alten Modellen sind die Kaufpreise prozentual wesentlich niedriger als die Mieten. Kaufpreissenkungen von mehr als 35% stehen Mietreduzierungen von weniger als 10% gegenüber.

Aus der Vergangenheit läßt sich jedoch der Schluß ziehen, daß Leistungssteigerungen der CPU bei sinkenden Mieten das Ende einer Systemfamilie ankündigen.

Es erscheint die Vermutung naheliegend, daß der voreilige Anwender nur zu bald jene Kollegen neidisch betrachten wird, die sich vor der mühseligen Kleinarbeit des System-Tuning nicht gedrückt haben und bei der Versorgung der Fachbereiche mit ausreichend aktuellen. Informationen den Mut zu einfallsreichen Lösungen hatten.