Ein Land im Computer-Aufwind: Aktivitäten, Trends, Veränderungen

Die kanadische DV-Industrie im Jahre 1981

19.03.1982

Die Probleme der kanadischen DV-Benutzer unterscheiden sich nur unwesentlich von den Schwierigkeiten deutscher Anwender. Dennoch gibt es in dem nur zwanzig Millionen Einwohner zählenden Staat einige Charakteristika, die nur dieser DV-Landschaft zu eigen sind. Michael Dwyer, Mitarbeiter der nordamerikanischen Fachzeitung "Computing Canada", blickt auf die DV-Aktivitäten des vergangenen Jahres zurück.

Die größte Aufmerksamkeit zog 198 l das Telidon-Projekt auf sich.

Noch am Jahresanfang befürchteten Industriebeobachter, daß das Telidon-Vorhaben wegen mangelnder Unterstützung durch die Regierung scheitern könnte. Eine regierungsamtliche Erklärung des Department of Communications im Februar ebnete jedoch endgültig den Weg für Telidon.

Telidon sowie das von den Franzosen entworfene Antiope machten auf der Videotex '81 im Mai in Toronto einen hervorragenden Eindruck. Englands Prestel schien weit übertroffen. Inzwischen jedoch tauchten eine Reihe sehr kritischer Fragen auf.

Kanadas Vorsprung könnte leicht verlorengehen, da große Teile der Telidon-Software nicht durch Copyright geschützt sind und relativ leicht kopiert oder nachgestellt werden können.

Noch mehr Unruhe brachte die Frage, welche Rolle Telidon eigentlich spielen und in welcher Form es kommerziell verwertet werden sollte. Die einen sehen es als Kommunikationsmedium für die breite Allgemeinheit und erwarten, daß 1985 bis zu 500000 Terminals im Einsatz sind. So zum Beispiel die Voraussage von Infomart im letzten Herbst. Andere plädierten für eine mehr kommerzielle Ausrichtung, die den Vorstellungen der Graham-Poulter-Gruppe aus Leeds in England entsprechen würde. Die Engländer wollten auf der Basis von Telidon ein Kunden-Informationssystem in britischen Supermärkten einsetzen, dessen besonderer Vorteil in der leichten Änderbarkeit von Preisinformationen liegt.

Zunächst werden spezialisierte Anwendungen erwartet. Ein Einsatz als Massen-Marketinginstrument wird erst in der etwas ferneren Zukunft gesehen. Die meisten Vorstellungen zielen derzeit auf eine Lösung irgendwo dazwischen.

Ein wichtiges Ereignis mit Rückwirkungen auf das ganze Land war der Poststreik im letzten Sommer. Dadurch entbrannte die Diskussion über Electronic Mail erneut auf das heftigste.

Obwohl manche Analytiker der Überzeugung sind, daß Electronic Mail in bezug auf die Kosten konkurrenzfähig ist, gibt es dazu noch keine praktischen Versuche. Aber selbst das neugegründete Unternehmen für Postdienste stellt Überlegungen zur Einführung elektronischer Briefübermittlung an.

Aber nicht nur der Ausfall des Postdienstes war Anlaß zur Beunruhigung. Hinzu kam eine wachsende Besorgnis über die Abhängigkeit der Unternehmen von ihrer Datenverarbeitung. Ein Teil der Lösung des Problems scheint in sogenannten "Disaster recovery centers" zu liegen. Das erste Unternehmen dieser Art wurde im April in Montreal von CDP ( Cadre d'Informatique Protegée) eröffnet. Drei weitere Gründungen wurden bis zum Jahresende angekündigt. Das eine Zentrum ist ein komplett ausgerüstetes Gebäude bei Toronto. Die beiden anderen sind unbenutzte Gebäude, die von Anwender-Unternehmen angeboten wurden. Ursprünglich waren die Gebäude für eigene Zwecke erstellt worden.

Ein weiteres ernstes Problem ist für viele Unternehmen die Computer-Kriminalität. Diebstähle, die mit Hilfe des Computers begangen werden, nehmen zu. Wertvolle Informationen - Daten und Software - sind dem Zugriff einfallsreicher Computer-Krimineller ausgesetzt.

1981 wurden einige neue Produkte vorgestellt:

Bell Canada brachte das Displayphone heraus, bei dem Sprach- und Datenübertragung integriert sind. Wang Canada Ltd. stellte mit der Alliance Workstation zwei Produkte vor, von denen einige Beobachter glauben, daß sie Vorboten des Office of the Future sind.

Auch Mikrocomputer waren 1981 groß vertreten. Neu präsentiert wurden die HP 125 von Hewlett-Packard (Canada) Ltd., Micro-Plus von Centurion Computer Ltd., Apple III von Apple Canada Inc., Xerox 860 von Xerox Canada, Canon CX-1 von Canon Canada Inc., OC 8810 und 8820 sowie EC 8800 von Monroe Systems for Business, HITS von Volker Craig und schließlich Personal Computer.

IBM ist dabei wieder einmal eine Geschichte für sich. 1981 kamen nicht nur der lange vorausgesagte Personal Computer auf den Markt, sondern auch das System /23, einige Verbesserungen bei der 4300-Produktlinie und die 3081 K. Auf der anderen Seite wurde die Verschiebung für die 3380 DASD bekanntgegeben.

IBMs Mitbewerber kommentierten die Ankündigungen mit Gelassenheit. Die Hersteller von Mikrocomputern hoffen gar, daß IBMs Personal Computer ihnen letztendlich helfen wird, Marktanteile zu erobern. Sie können von IBMs aggressiver Marketingstrategie für Mikros nur profitieren.

Auch die Hersteller der steckerkompatiblen Anlagen haben sich nach eigener Aussage auf die Einführung der 3081 K sehr gut eingestellt. Amdahl brachte bereits die 5860 und die 5880 auf den Markt, National Advanced Systems hat seine AS/9000 Serie um den Doppelprozessor AS 9000 DPC erweitert.

Neu auf dem Mikro-Sektor war auch ein Zusatzgerät von Digital Equipment of Canada Ltd., mit dem ihr VT 100 vom intelligenten Terminal zum Mikrocomputer umgewandelt werden kann.

Auch die Hersteller von Großcomputern stellten neue Produkte vor: B 94 von Burroughs Inc., die DG 6000 Eclipse von Data General Canada Ltd. und die HP-3000-Modellreihe 44 von Hewlett-Packard.

Neben neuen Produkten gaben 1981 auch eine Reihe von neuen Unternehmen ihr Debüt. Als die drei wichtigsten könnten sich Nabu Manufacturing Corp. und Orca Tech Inc., die in Ottawa CAD/CAM-Arbeitsplätze herstellt, sowie David Computers Inc. of Kitchener, Ontario, herausstellen.

1981 blieb die kanadische DV-Industrie nicht von schlechten Nachrichten verschont. Zwei Niederlassungen mußten ihren Geschäftsbetrieb einstellen. Ein weiteres Unternehmen, das in Schwierigkeiten geraten war, die Consolidated Computer Inc., wurde von der Regierung an Nabu verkauft.

Bell Canadas Niederlassung Intel Term wurde geschlossen. Genauso erging es der Pertec Computer Corp. (Canada) Ltd., als ihre US-Mutter die Geschäftsbereiche für Datensammelsysteme und dezentrale Datenverarbeitung an Sperry Univac verkaufte.

Einige der größeren Hardware-Hersteller aus den USA waren ebenfalls wenig erfolgreich. Ihre Verluste erklären sie durchweg mit der schlechten Wirtschaftslage und dem gestiegenen Kurs des US-Dollars gegenüber anderen Währungen.

Texas Instruments und National Semiconductor gaben die Produktion ihrer Magnetblasenspeicher auf. Jetzt sind nur noch die Intel Corp. und Fujitsu Ltd. auf diesem Gebiet tätig.

Software als Marktrenner

Einen ausgesprochenen wirtschaftlichen Aufschwung konnten

Kanadas Software-Unternehmen im letzten Jahr verzeichnen. Da die Kosten für Anwendungsprogramme weiter steigen und immer mehr Anwendungsgebiete erschlossen werden, erweisen sich Softwarepakete

als regelrechte Marktrenner. Besonders dann, wenn sie spezifische Anwendungsnischen ausfüllen können.

Für einige Softwarehäuser besteht die Schwierigkeit nur darin, wirklich alle Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, auch auszuschöpfen. Eine Lösung wird gerade von der Sydney Development Corp. aus Vancouver vorexerziert, die sich ein Finanzierungsmodell aus Steuermitteln ausgedacht hat, um so das für die Softwareentwicklung erforderliche Kapital zu erhalten.

Das letzte Jahr verlief für die DV-Industrie sehr ereignisreich. Die meisten Probleme sind allerdings noch ungelöst, und aller Voraussicht nach wird ihre Zahl 1982 sogar noch anwachsen.

(Ins Deutsche übertragen von Rosi Bayer-Juhasz, EDV-Übersetzungen Ravenstein, Hennef/Sieg)