Kolumne

Die Jagd nach Fachkräften ist eröffnet

28.06.2007

Kaum geht der Aufschwung ins zweite Jahr, klagen Unternehmer, Verbandsfunktionäre und Politiker über den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Dem Branchenverband Bitkom zufolge waren Anfang 2007 rund 20 000 Stellen unbesetzt. Vor allem im Software- und Servicemarkt hatten es Arbeitgeber schwer, geeignetes Personal zu finden. Sie bezeichnen den Mangel an Fachkräften inzwischen als ernsthaftes Wachstumshemmnis. Aber auch IT-Chefs in Anwenderunternehmen monieren, wie schwierig es oft geworden ist, die richtigen Leute zu finden.

Diese Klagen erklingen immer im Gleichtakt mit der Konjunktur. Je besser der Laden läuft, desto schwieriger wird es, Leute zu finden. Ganz normal eigentlich. Schwer nachvollziehbar ist allerdings, warum die Knappheit fast immer so plötzlich einsetzt, dass den Unternehmern nichts anderes übrig bleibt, als nach Hilfe aus der Politik zu rufen. Die eilt dann auch pflichtschuldigst herbei und assistiert mit Zusagen über den Abbau von Zuwanderungshürden. Die sind zwar in der Tat sehr hoch. So schreibt das Zuwanderungsrecht vor, dass ein ausländischer Arbeitnehmer von außerhalb der EU 85 000 Euro im Jahr verdienen muss, um das Aufenthaltsrecht zu erlangen. Aber die Hürden des Zuwanderungsrechts sind für die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt nicht entscheidend. Sie spielen mittel- und langfristig eine große Rolle, weil einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge in Deutschland die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren schrumpft. Will Deutschland diesen Rückgang durch Zuwanderung ausgleichen, müsste man schon bis 2010 rund 150 000 Menschen pro Jahr eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.

Doch kurzfristig gesehen, müssen vor allem die Unternehmen den Fachkräftemangel verantworten! Sie sind die Ersten, die in konjunkturell schwierigeren Zeiten Ausbildungsprogramme stoppen, Einsteigern keine Chance mehr geben, sich zu beweisen, und die ohnehin schon viel zu spärliche Zusammenarbeit mit Hochschulen ruhen lassen. Außerdem haben sie die nun fehlenden Spezialisten entlassen, nicht zuletzt um den Offshore-Anteil an ihrer Wertschöpfung zu erhöhen. Jetzt hat sich das Konjunkturklima gewandelt, und das kurzfristige Denken der Unternehmen rächt sich. Gut ausgebildete Leute fallen nicht einfach so vom Himmel. Die gesamte Gesellschaft muss in Ausbildung investieren. Dazu gehören neben der Politik auch die Unternehmen. Sonst heben die Klagen beim nächsten Konjunkturhoch wieder an - wahrscheinlich noch lauter.

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