Fünfter COMPUTERWOCHE-Kongress "IT meets Business"

Die IT rüstet für den Aufschwung

28.11.2003
Die IT muss nicht nur mehr Leistung erbringen als früher, sondern das auch nachweisen können. Darauf haben sich die meisten CIOs eingestellt. Das verdeutlichte der diesjährige COMPUTERWOCHE-Kongress "IT meets Business". In seinem fünften Jahr trug er den Untertitel "Die neue Ökonomie der IT".

Bange machen gilt nicht. So kommentierten die Zuhörer den Eröffnungsvortrag von Hans-Werner Sinn: Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) wies alle Aufschwungspropheten in die Schranken. "Die Lage hat sich weiter verschlechtert, nur die Erwartungen sind besser geworden", kommentierte er die jüngsten Forschungsergebnisse aus seinem Haus. Immerhin räumte er ein, dass möglicherweise gerade jetzt die "Bodenbildung" stattfinde. Im Klartext: Schlimmer kommt es wohl nimmer.

Aber momentan gilt es immer noch, möglichst viel mit möglichst wenig zu erreichen. Deshalb empfahl Stephan Scholtissek, Deutschland-Chef des Beratungsunternehmens Accenture, seinen Zuhörern, die Fertigungstiefe hinsichtlich ihrer Service- und Verwaltungsprozesse zu verringern. Auf der Produktionsseite sei eine weitere Reduzierung kaum noch möglich; beispielsweise fertige Porsche seine geländegängigen "Cayenne"-Modelle bereits heute nur noch zu neun Prozent selbst. Großes Rationalisierungspotenzial schlummere jedoch in der Auslagerung unternehmensinterner Abläufe, vulgo dem Geschäftsprozess-Outsourcing.

Eine Reihe von konkreten Spartipps verriet Lars Mieritz, Vice President und Director of Research bei Gartner Measurement. Hier nur einige Beispiele: Der Helpdesk lasse sich durch eine Selbsthilfe-Seite im Intranet entlasten; kostenmindernd wirke sich auch eine anforderungsgerechte Zuordnung der Ressourcen aus: "Warum sollen von acht bis zehn Uhr 20 Leute anwesend sein, wenn vor 9 Uhr 30 kaum jemand anruft?" Auch im Netzbetrieb sei Geld zu sparen, wenn der Traffic exakt analysiert und die Bandbreiten angepasst würden. Dass wer sparen will den PC-Wildwuchs beschneiden muss, gehört ja schon zu den Binsenweisheiten der Unternehmensberater: "Aber das ist ein bisschen wie Zahnpasta zurück in die Tube drücken", schmunzelte der Gartner-Analyst.

Der überwiegende Teil der Redezeit blieb in diesem Jahr den Erfahrungsberichten hochkarätiger IT-Manager vorbehalten. Joachim Mahr, Chief Information Officer der MG Technologies AG, rekapitulierte noch einmal die Gründe, warum vor zweieinhalb Jahren ein von oben herab verordnetes IT-Outsourcing kläglich scheiterte. MG Technologies sei kein Konzern im eigentlichen Sinn, sondern eine Ansammlung von 450 Einzelunternehmen. Aufgrund der intransparenten Kostenstrukturen hätten sich Mitarbeiter und Finanzposten nicht eindeutig zuordnen lassen. Folglich seien die Kosten beliebig hin und her geschoben worden. Das Ergebnis: "Die angestrebten Synergieeffekte waren nicht mehr wiederfindbar."

Deshalb habe MG Technologies, so Mahr, "den Reset-Knopf gedrückt" und unter anderm ein Kosten-Management aufgesetzt, das von allen Konzernbereichen mitgetragen werde. Es umfasst drei Stufen: Am Anfang steht der Business-Plan, als Basis für Make-or-buy-Entscheidungen dient das Kosten-Controlling, ergänzt wird es durch ein Projekt-Controlling, das sich nicht auf den Genehmigungsprozess beschränkt, sondern das Monitoring des Projektverlaufs sowie eine Nachbetrachtung einschließt. "Hier passiert in den Unternehmen überraschenderweise noch wenig", wunderte sich Mahr.

Zu viel Planung ist kontraproduktiv

Große Beachtung fand der Vortrag von Thomas Tribius. Der CIO des Axel Springer Verlags forderte die anwesenden Standeskollegen auf, bei ihrem Bemühen um eine effektivere IT mehr Selbstbewusstsein an den Tag zu legen. Hinsichtlich der IT-Strukturen gelte: "Binden Sie den Kunden so wenig wie möglich in Ihre Entscheidungen ein. Sie können es sowieso nicht allen recht machen."

Jahresplanungen hält Tribius im Grunde genommen für überflüssig. Sie verführten nur zu einem relativ unbeschwerten Umgang mit dem einmal bewilligten Budget: "Eigentlich ist egal, was geplant wurde; wichtig ist es, jede Maßnahme kritisch zu hinterfragen."

Dass sich Tribius damit nicht nur Freunde macht, versteht sich von selbst. Doch damit kann er offenbar leben: "No pain, no gain!" Mit dieser Einstellung ist ihm zweierlei gelungen: Zum einen hat er aus unterschiedlichen IT-Bereichen einen einzigen internen Dienstleister geformt und eine in großen Bereichen einheitliche IT-Umgebung geschaffen. Zum anderen sind die Leistungen der IT-Abteilung klar definiert, zu Paketen gebündelt und mit Preisschildchen versehen.

Aus dem Alltag eines selbst ernannten "Spezialisten für Kanalarbeit und Rückabwicklung" berichtete Alfred Spill, Chef der IS Operations beim schweizerisch-schwedischen ABB-Konzern. Er benannte vier Anforderungen an die IT-Infrastruktur eines Großunternehmens: Erstens muss sie in ihrer Organisation das gesamte Unternehmen abbilden - keine leichte Aufgabe, wenn sich dessen Gestalt, wie bei ABB lange Zeit üblich, durch Fusionen und Firmenverkäufe beinahe wöchentlich ändert. Zweitens betonte auch Spill, wie wichtig es sei, die Kosten nicht wahllos zu kappen, sondern sie erst einmal transparent zu machen.

Drittens sollte die Infrastruktur aus Kostengründen nur das absolute "Minimum" an technischem Fundament bereitstellen. "Ich frage die Leute immer, ob sie irgendwelche Probleme mit den Antwortzeiten hätten, und wenn sie verneinen, verringere ich die Bandbreite", gab Spill zum Besten und weidete sich am Entsetzen des Auditoriums - bevor er schließlich zugab, einen Scherz gemacht zu haben. Viertens sei, so schärfte er seinen Zuhörern ein, das Vertrauen der Business-Kollegen in die Kompetenz der Infrastrukturexperten unerlässlich.

Die Strategien der CIOs

Ein Highlight der Konferenz war die Podidumsdiskussion, an der neben Mahr und Tribius auch Ricardo Diaz Rohr, Chief Information Officer bei Lufthansa Cargo, und Heinz Kreuzer, IT-Chef der TUI AG, teilnahmen. Letzterer stellt im weiteren Kongressverlauf ein von ihm initiiertes Business-Intelligence-Projekt vor, das einen maßgeblichen Beitrag zum Erfolg des Touristikkonzerns geleistet habe.

Die Leitfrage der Diskussion lautete: "Wie begegnen CIOs den Forderungen nach Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit?" In den vergangenen drei bis vier Jahren sind die Erwartungen an die IT deutlich gestiegen, konstatierte Kreuzer; die Lösungen würden schneller erwartet. Vor allem müssten sie frühzeitig messbare Ergebnisse vorweisen, bekräftigte Mahr.

Laut Tribius verlangt die verstärkte Erfolgskontrolle von den IT-Verantwortlichen auch ein gerüttelt Maß Selbstreflexion. Nur wer seine Performance richtig einschätze, könne sie verbessern. Darüber hinaus sei eine klar definierte IT-Struktur hilfreich, ergänzte Kreuzer. Diaz Rohr verwies auf die Notwendigkeit, einen "Blueprint" für die Anwendungsentwicklung zu entwerfen. Und Tribius plädierte vehement für die "Durchsetzung eines Fünf-Jahres-Bebauungsplans". Allerdings meldeten seine Gesprächspartner Zweifel an, ob dieses Ziel überall erreichbar sei.

Einmütig hoben die IT-Chefs die Bedeutung von Standards hervor. Diaz Rohr gab allerdings zu bedenken, dass man auch schon einmal "fünfe gerade sein lassen" müsse. "Sicher sollte man an die Umsetzung pragmatisch herangehen", stimmte Tribius zu, um dann einzuschränken: "Als CIO muss man bestimmte Dinge konsequent fordern."

Wie in einer Ehe

Häufig zitiert wird das Schlagwort von der Vertrauenskrise im Verhältnis zwischen Fachabteilungen und IT. Doch diesen Schuh wollten sich die Diskutanten nicht anziehen. "Das ist wie in einer Ehe", erläuterte Diaz Rohr. Einen Vertrauensverlust erleide nur, wer seinen Partner schon einmal betrogen habe. Übertragen auf die IT bedeute das: Da, wo es wirklich wichtig sei, dürfe der CIO nichts versprechen, was er nicht halten könne.

Andernfalls wird der IT-Chef bald das Damoklesschwert des Outsourcings über seinem Kopf spüren. Mittlerweile bedroht es aber auch IT-Abteilungen, die sich vordergründig nichts zuschulden kommen lassen. Tribius kommentiert die allgemeine Auslagerungseuphorie mit Zynismus: "Wer diese Sau durch Nachbardorf flitzen sieht, will sie selbst treiben." Aber wenn die IT-Abteilung ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht durch Benchmarks belegen könne, sei es durchaus "visionär", sie auszulagern.

Technologe wird Vendor Manager

Zum Thema Outsourcing hat wohl kaum jemand mehr beizutragen als Clemens Jochum, Chief Technology Officer der Deutschen Bank. Schließlich hat der weltgrößte Finanzdienstleister im vergangenen Jahr große Teile seines IT-Betriebs ausgelagert. "Die Rolle des IT-Managers ändert sich dramatisch", stellte Jochum fest. Früher habe der CIO seine Wichtigkeit über das Budget und den Headcount definiert, heute über seinen Beitrag zum Geschäftserfolg. In der Vergangenheit sei er "Herr über die Technologie" gewesen, nun werde er immer stärker zum "Vendor Manager". Die IT habe sich zu einer Ware entwickelt, die sich auch von außen zukaufen lasse.

Allerdings warnte Jochum potenzielle Nachahmer davor, dem Outsourcing-Partner "Hausaufgaben" aufzubürden, die man selbst nicht bewältigt habe. Außerdem habe die Deutsche Bank den Fehler gemacht, zu spät eine "Retained Organisation" für das Vendor-Management aufzubauen. Sie sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ein Viertel der 900 betroffenen Mitarbeiter in der Bank bleiben und diese Aufgabe übernehmen würde.

Den Blickwinkel des Analysten vertrat Brian Rogers, Manager Consultant bei der Meta Group. "Bevor man etwas nach außen gibt, muss man erst einmal die eigenen Services kennen", mahnte er. Es sei sinnvoll, vor der Auslagerung einen Dienstleistungskatalog zu erstellen und danach ständig zu prüfen, ob die Service-Level-Agreements (SLAs) auch eingehalten werden. Diese Vertragsbestandteile dürften nicht in technischen Termini abgefasst, sondern müssten in die Sprache der Geschäftsprozesse übersetzt sein.

Wer sich nicht sicher war, ob seine Anstrengungen adäquat entlohnt werden, erhielt im letzten Vortrag einige Anhaltspunkte. Dirk Ewert, Berater und Vergütungsexperte der Management-Beratung Towers Perrin, stellte die Ergebnisse einer Gehaltsstudie vor, die er gemeinsam mit der CW erarbeitet hatte. Am besten verdienen IT-Manager hierzulande in der Hessenmetropole Frankfurt; die einstige Boomtown München ist, so Ewert, "ins Mittelfeld zurückgefallen". Wer richtig absahnen will, sollte sich ohnehin nach einem Job in der Schweiz umsehen.

Karin Quack, kquack@computerwoche.de