Michael Neff x Heidelberger Druckmaschinen 1. Platz x IT-Executive des Jahres

Die IT muss ihren Erfolg planen

25.10.2005
Michael Neff, CIO des Jahres 2005, hat die IT-Organisation von Heidelberger Druckmaschinen rund um den Globus saniert. Gleichzeitig gelang es ihm, mit innovativen und kreativen Projekten die Kernprozesse des Unternehmens und die Produkte zu verbessern.

"Wir können alles. Außer Hochdeutsch", wirbt das Bundesland Baden-Württemberg in einer Kampagne. Das trifft nicht nur auf Schwaben zu, sondern auch auf Eingeborene wie unseren CIO des Jahres 2005, Michael Neff, Chief Information Officer (CIO) der Heidelberger Druckmaschinen AG. In einem IT-Kurpfälzisch, das auf die branchenüblichen Anglizismen nicht ganz verzichten mag, schildert Neff die Projekte, die er im Laufe der vergangenen Jahre initiierte - und die können sich wahrhaft sehen lassen.

Zur Person

• Michael Neff ist seit April 2000 CIO der Heidelberger Druckmaschinen AG;

• 1992 bis 1999 CIO bei Hoechst Marion Roussel AG (Pharma-Division von Hoechst);

• 1992 IT-Manager Zentralabteilung Informatik und Kommunikation der Hoechst AG;

• 1990 bis 1991 Controller der Zentralforschung beim Hoechst- Konzern;

• 1986 bis 1990 IT-Manager im Geschäftsbereich Folien und Kunststoffe bei der Hoechst AG;

• 1979 bis 1985 Systemanalytiker bei FAG Kugelfischer in Schweinfurt.

Neffs Arbeit bei "Heidelberg" - so wird der Konzern intern respektvoll genannt - begann im Jahr 2000 damit, eine standortbezogene, heterogene IT-Welt an den rund 175 weltweiten Niederlassungen zu konsolidieren und zu standardisieren. Zu diesem Zweck stellte sich die interne IT unter der Regie des CIO als "Global Service Unit" auf und schuf erst einmal Ordnung. "Rund 7000 unterschiedliche Softwareprodukte waren konzernweit im Einsatz, außerdem gab es etliche unterschiedliche Hardwareplattformen", blickt Neff zurück.

"Wir haben bei unseren Aufräumarbeiten nicht nur Einsparungen, sondern auch qualitative Verbesserungen realisiert. Damit wurde die IT-Organisation im Unternehmen glaubwürdig." Nicht nur die IT-Mannschaft, auch das Management und die Anwender hätten Vertrauen in die interne IT gefasst. Im Nachhinein ist Neff davon überzeugt, dass dieses Projekt außerordentlich wichtig für das Standing seines Bereichs war: "Die Client-Umgebung zu optimieren ist etwas, womit man Erfolg haben kann im Unternehmen. Und das ist wichtig: Eine IT-Organisation muss eine Erfolgsplanung haben. Es muss Leistungen im Unternehmen geben, die man eindeutig der IT zuschreiben kann."

Heute basieren die rund 16 000 PC-Arbeitsplätze im Konzern auf einer kleinen Auswahl an Dell-PCs und -Laptops. Alle Rechner von China bis Kanada sind gleich ausgestattet, und auch die zur Verfügung stehenden IT-Services sind identisch. Dell ist hier mit seinen weltweit standardisierten, von Partnerunternehmen erbrachten hardwarenahen Dienstleistungen ebenfalls mit im Boot.

Kein Geld für Experimente So wie der CIO bei den Client-Rechnern auf Dell vertraut, setzt er bei der Software auf Microsoft. Zum Einsatz kommt Windows XP Professional, außerdem arbeitet Heidelberg mit Office 2003, Exchange 2003 und Windows Server 2003. Neff geht es dabei um eine weltweit einheitlich ausgestattete Umgebung sowie um eine im Bedarfsfall schnelle Implementierung. "Wir haben in unseren Niederlassungen rund um den Globus Leute, die sich mit Microsoft-Produkten auskennen. Der Rollout neuer Software und Services ist deshalb unproblematisch", sagt der IT-Manager. Heidelberger Druckmaschinen habe nach aufwändigen Restrukturierungsrunden in den vergangenen Jahren kein Geld übrig, um in diesen Bereichen zu experimentieren. Bei den Standardanwendungen müsse die IT nicht innovativ sein.

Diese pragmatische Sicht war es, die auch im Bereich der SAP-Entwicklung und -Betreuung zu einschneidenden Maßnahmen führte. Mit dem Projekt "Merge" verschmolz das Unternehmen in diesem Jahr seine drei großen SAP-Systeme zu einem einzigen. "Gemeinsam mit SAP und Hewlett-Packard haben wir zwölf Monate für Projektarbeit, Planung und Tests benötigt, um dieses gigantische Vorhaben zu stemmen", blickt Neff zurück. Die Migrationsphase habe eine Woche gedauert, in der rund um die Uhr nach einem minutengenauen Plan vorgegangen werden musste, um das System mit allen Daten aufzubauen, zu testen, abzunehmen und den Anwendern bereitzustellen.

Der Betrieb der SAP-Systeme wurde 2004 im Rahmen eines RZ-Outsourcing-Abkommens für zunächst fünf Jahre an Hewlett-Packard abgegeben. Das Projekt zur Konsolidierung der RZs von Atlanta, Singapur und Wiesloch, das zu den größten dieser Art weltweit zählt, dauerte 18 Monate und verschlang rund 35 Millionen Euro. Dafür kostet die gesamte SAP-Welt, mit der zirka 8500 Mitarbeiter arbeiten, den Konzern heute rund 30 Prozent weniger im Jahr als früher.

Aufräumen ist Plicht Die SAP-Konsolidierung war ein Baustein im übergeordneten Vorhaben der "Application Roadmap Realization". Drei Jahre arbeitete das Unternehmen daran, sämtliche Legacy-Anwendungen und Projekte im entwicklungs-, fertigungs- und montagenahen Bereich zu prüfen. Im Zuge dieser Arbeiten löste Heidelberg Individualprogramme auf der Basis einer IBM-CIM-Umgebung (Computer-Integrated-Manufacturing) durch PLM-Programme (Product-Lifecycle-Management) von SAP ab, migrierte im CAD-Bereich von "Catia" auf "Unigraphics" und sanierte so die geschäftskritischen Systeme.

Doch bei all den Sanierungs-, Konsolidierungs- und Standardisierungsarbeiten, um die Neff auch angesichts dramatischer Budgetrückgänge nicht herumkam, verlor er doch die der IT innewohnenden Innovationschancen nicht aus den Augen. "IT muss immer dann innovativ sein, wenn man an die Kernprozesse herankommt", erklärt der CIO. Das sei etwa der Fall, wenn es um die Entwicklung neuer Druckmaschinen gehe, die Verlässlichkeit dieser Maschinen im Feld zu gewährleisten sei oder die Auftragsabwicklung unterstützt werden müsse. Als absolut geschäftskritisch bezeichnet Neff auch die Ersatzteilfunktionalität und -logistik sowie Verkauf und Marketing.

So hat Neff auch hier eine Reihe innovativer Projekte vorzuweisen. Sein Team schuf eine weltweit einheitliche Ersatzteillogistik, die heute in Europa und Amerika sowie demnächst auch in Asien genutzt wird. Dem Konzern gelang es dabei, die eigenen Lager, Systeme und Prozesse mit denen von Lieferanten und Kunden zu verknüpfen.

Mobile Einsatztruppe Rund 4000 Servicetechniker weltweit stattet das Unternehmen außerdem mit mobilen Geräten und darauf laufender global standardisierter Software aus, damit diese ihre Wartungs- und Serviceaufgaben möglichst schnell und rationell abwickeln können. Darüber hinaus wurde eine Fernwartungslösung implementiert: Druckmaschinen melden sich nun automatisch, wenn der Betrieb nicht rund läuft, und Servicetechniker können unabhängig von ihrem jeweiligen Ort eingreifen und das Problem lösen.

Zu den Errungenschaften der Ära Neff gehört auch die neue, ebenfalls weltweit eingeführte Internet- Präsenz. Auf Basis von Softwareprodukten von Firmen wie Interwoven, ATG, Oracle und Microsoft wurde das zentrale Internet-Präsenzsystem www.heidelberg.com aus der Taufe gehoben, das sämtliche lokalen Systeme weltweit ablöst. "Wir haben im Web nun einen Corporate-Auftritt. Das läuft wesentlich konsistenter und professioneller als früher", so der CIO selbstbewusst.

Keines der von Neff verantworteten IT-Projekte blieb ohne konkreten Bezug zur Geschäftsstrategie. Beispielsweise gab das Business vor, das Servicegeschäft auszubauen - die IT-Crew reagierte mit mobilen und automatisierten Lösungen für die Servicetechniker. Die Fixkosten waren laut Vorstandsbeschluss zu senken, was mit selektivem Outsourcing und volumenabhängigen Preisen gelang. Mit dem Konsolidieren und Standardisieren der konzernweiten IT-Services erreichte der CIO die vom Business geforderte geringere Komplexität und die bessere Qualität. Mit einem Internet-Shop kam Neff dem Wunsch nach, das Geschäft mit Verbrauchsgütern zu intensivieren.

Hoffen auf SOA Was die Zukunft angeht, setzt Neff auf Anwendungsintegration (EAI), Portaltechnik, mobile Lösungen und nicht zuletzt auf Service-orientierte Architekturen (SOA). Sein Ziel dabei ist zum einen, den Aufwand für die Erstellung von Softwareschnittstellen drastisch zu reduzieren, zum anderen aber soll eine neue Art des Designs von Geschäftsprozessen möglich werden. "Mit Web-Services und SOA gestalten bei uns die Verantwortlichen selbst ihre Geschäftsprozesse - und nicht mehr die Labors von SAP. Damit werden Unternehmen ganz neue Freiheitsgrade bekommen."

Konkret hängt sich der CIO des Jahres eng an seine wichtigsten Lieferanten SAP und Microsoft. Ein Strategiepapier sieht beispielsweise vor, bis zum Jahr 2010 den Umstieg in SAPs neue Netweaver- und ESA-Welt (Enterprise Services Architecture) geschafft zu haben. Auf der organisatorischen Seite legt Neff wert auf ein kompetentes und professionelles Architekturteam, auf Itil-Prozesse für Geschäftsprozess- und Anwendungsdesign sowie auf die Zusammenarbeit mit wenigen guten Dienstleistern - die auch aus Billiglohnländern kommen dürfen. Außerdem soll die gegenwärtige IT-Governance überarbeitet werden, bessere Prozesse erhofft sich der CIO mit Hilfe entsprechender Tools von Mercury einführen zu können.

Veränderung zu organisieren ist laut Neff letztendlich das Kerngeschäft der IT. "Kein Unternehmen kann eine Käseglocke über seine IT stülpen. Wir IT-Leute müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir der Veränderung durch Technologie letztendlich unseren Job verdanken. Mit dieser Veränderung müssen wir uns permanent selbst wandeln." n

Heinrich Vaske