Die IT-Euphorie ist verflogen Schwachstelle Organisation: Unternehmen vor dem Umbruch

05.11.1993

DUESSELDORF (CW) - Die Zeiten, in denen Grossunternehmen blosse Lippenbekenntnisse zum Lean Management abgaben, sind vorueber. Immer haeufiger werden ueber Jahre gewachsene Strukturen grundsaetzlich in Frage gestellt. Mit drastischen Massnahmen sollen Unternehmensorganisationen den neuen Geschaeftsbedingungen angepasst werden.

Drei Viertel der europaeischen Firmen gehen davon aus, dass Prozesse und Betriebsablaeufe kuenftig die Organisationsgestaltung bestimmen werden. Dagegen sind nur vier Prozent der Meinung, dass sie die kuenftig erforderlichen Prozessstruktur schon erreicht haben. Zu diesem Ergebnis kommt die branchenuebergreifende Studie "Herausforderung Organisation - Perspektiven in Zeiten des strategischen Umbruchs" von der Unternehmer-Beratung Droege & Comp. GmbH in Duesseldorf.

Knapp 800 Frageboegen aus ganz Europa haben die Consultants ausgewertet - die Datenbasis ist repraesentativ, wie Droege & Comp. versichert. Nach Meinung der meisten Wirtschaftslenker ist demnach die Unternehmensorganisation zu lange vernachlaessigt worden, es gebe einen gewaltigen Anpassungsbedarf. Die Stunde der Umsetzer sei gekommen.

Die Ergebnisse der Markt-untersuchung duerften in Beraterkreisen Hoffnungen wecken: Die ueberwiegende Mehrzahl der befragten Unternehmen plant naemlich in den naechsten Jahren eine grundlegende Reorganisation. Primaeres Ziel ist nahezu ueberall eine bessere Kundenorien-tierung.

Die Strukturorganisation der Zukunft wird laut Umfrage im wesentlichen durch flache Hierarchien und bereichsueber-greifende Teams gekennzeichnet sein. Bestehende Zentral-bereiche werden dahingehend ueberprueft, ob sich Aufgaben in dezentrale Bereiche verlagern lassen. Auf diesem Wege wollen Unternehmen bessere Entschei-dungen ohne aufwendige Abstimmungsprozeduren treffen. Auch die Auslagerung von Aufgaben bleibt ein Thema - am liebsten nehmen Grossunternehmen aber die eigenen Tochtergesellschaften in die Verantwortung.

Mit der IT-Euphorie, so bilanziert die unter wissenschaftlicher Aufsicht entstandene Studie, ist es vorbei. Die weitaus meisten Unternehmen seien sich darueber im klaren, dass vor dem Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie erst einmal die Prozesse und Strukturen angepasst werden muessten.

Mehr als 80 Prozent der Unternehmen erwarten aber, mit Hilfe der DV Ziele wie die Verkuerzung von Durchlaufzeiten, die Verbesserung der Entschei-dungsqualitaet oder eine optimale Kundennaehe zu erreichen.

Holding-Strukturen sind bei Grossunternehmen inzwischen beliebt, sie versprechen mehr Flexibilitaet und bringen - moeglicherweise - eine Entbuerokratisierung. Knapp die Haelfte der befragten Unternehmen hat solche Strukturen bereits eingezogen, ein weiteres Viertel steht vor der Einfuehrung.

Auf dem Vormarsch sind operative Management-Holdings. Dabei uebt mehrheitlich die "Dachzentrale" unternehmerischen Einfluss auf die "De-Zentralen" aus. Immerhin 90 Prozent der Befragten hat die rechtliche Verselbstaendigung von Unternehmensbereichen bereits vollzogen oder plant entsprechende Schritte.

Fuehrungskonzepte der Zukunft legen Wert auf die Schaffung von Anreizen. Zielvereinbarungen, eine groessere Eigenstaendigkeit der Mitarbeiter und die Erweiterung von Entscheidungsbefugnissen werden die Regel sein. Jedes zweite Unternehmen denkt ueber die Einfuehrung von Profit-Center-Konzepten nach, wie sie heute erst bei 20 Prozent der Unternehmen realisiert sind. Auf diesem Weg soll die Motivation gefoerdert und die Ergeb-nisverantwortung delegiert wer-den.