Die International Data Corporation befragt 3090E-Anwender in den USA:Die Neuerungen werden noch unterschätzt

13.01.1989

Fast ein Jahr MVS/ESA-Ankündigung: Einer Untersuchung* der International Data Corporation zufolge wollen 70 Prozent der in Frage kommenden Anwender von 3090-Maschinen noch in diesem Jahr die Umrüstung auf die neue Betriebssystemarchitektur in Angriff nehmen.

Das neue IBM-Betriebssystem MVS/ESA ist eine Ankündigung für den Großrechnermarkt der achtziger Jahre mit einer Bedeutung, die weit in das nächste Jahrzehnt hineinreichen wird. Es handelt sich um ein Produkt, das die Leistungsfähigkeit erweiterter Speicherung (expanded storage) ausnutzt und einen klaren Trennstrich zwischen der 3090-Architektur und dem Vorgänger, der 308X-Familie, zieht.

Während der Vorgänger MVS/XA I.eistungssteigerungen und Veränderungen im Bereich der I/O-Operationen bot, die direkt von der Hardwarearchitektur abhängen, kann man MVS/ESA als evolutionär entstandene Erweiterung auffassen, wobei für deren Betrieb nur Hardwareanpassungen in begrenztem Umfang zwingend erforderlich werden. Die Summe der technologischen Fortschritte, die MVS/ESA bietet, werden am besten durch folgende Eigenschaften charakterisiert:

- Das Konzept der Datenräume erlaubt eine effizientere Ausnutzung der 31-Bit-Adressierung.

-"Hiperspaces" (High Performance Spaces) als konzeptionelle Grundlage erweiterter Speicherarchitektur erlauben den Einsatz strategischer Software-Subsysteme und damit eine erhebliche Leistungssteigerung.

DFP-Erweiterungen und -Verbesserungen (Data Facility Product) stellen die Plattform zur Installation systemgesteuerter Speicherung dar.

MVS/ESA repräsentiert in diesem Sinne einen Innovationsschub mit der Möglichkeit positiver Folge- innovationen. Primär besteht die Möglichkeit zu neuen Höchstleistungen bei MIPS (Rechenleistung) und Gigabytes (Speicherkonfiguration).

Um eine erste Abschätzung der Marktbedeutung von MVS/ESA vornehmen zu können, hat die International Data Corporation (IDC), Framingham/Massachusetts, in den USA eine Befragung unter 3090E-Anwendern durchgeführt. Sie sind die aussichtsreichsten Kandidaten für den Einsatz von ESA und stellen eine bedeutsame Kundenbasis für den Erwerb von Speichergeräten dar.

Es sei darauf hingewiesen, daß die erweiterten Möglichkeiten von ESA selbstverständlich ihre Umsetzung in der Schnittstelle zu den Applikationen finden müssen. Derzeit bleiben einige potentielle Vorteile noch im Nebel verborgen, weil exakte Formulierungen der Schnittstelle nicht existieren. Die Tücke liegt auch hier im Detail. Zur Abschätzung der Marktentwicklung unter den genannten Voraussetzungen werden folgende Fragen relevant:

- Wie konfigurieren die Kunden derzeit ihre 3090E-Rechner hinsichtlich der Erweiterungs- und Hauptspeicherhardware? Hinter dieser Frage steht die Möglichkeit des Einsatzes erweiterter Speicher unter ESA. Sind sie von der Hardwarekonfiguration her auf ESA vorbereitet?

-Welcher Prozentsatz dieser Kunden setzt eine Variante des inaktiven Datenmanagements mit DF/HSM oder equivalenter Ausrüstung von Drittanbietern ein? Dies ist eine Schlüsselfrage bei der Beurteilung der Migrationstendenz in Richtung ESA.

-Wie groß ist die Penetration von RAM-Disks in diesem Marktsegment? Kann die erweiterte Speicherarchitektur die Präsenz von Solid-State-Speichereinheiten limitieren? Falls nicht, für welche Applikationen werden auf 3090E-Rechnern überwiegend Ram-Disks eingesetzt?

-Wie groß ist der Prozentsatz der 3090-Anwender, die konkret die Migration zu ESA planen, und welcher Prozentsatz hiervon plant dies bereits in naher Zukunft? Wie schätzen die Anwender Chancen und Risiken dieser Migration ein, auch angesichts von IBMs SMS (Storage Management Subsystem) und besonders hinsichtlich des Erwerbs von Peripherie der Drittanbieter.

-Wie groß ist die Akzeptanz der Drittanbieter von Speichergeräten bei den 3090-Kunden?

Obwohl nahezu die Hälfte der 3090-Anwender zum Befragungszeitpunkt keine erweiterten Speichersysteme einsetzte, wird die Mehrzahl mit den Vorbereitungen für eine Umstellung auf MVS/ESA im Jahre 1989 beginnen. Die Betreiber einer 3090 200E oder höher befinden sich für die Migration nach ESA in der günstigsten Ausgangsposition, so daß hier eine stärker ausgeprägte Migrationsbereitschaft besteht.

Die Anwender haben angesichts ESA bereits mit Upgrades der CPU den Datendurchsatz gesteigert, haben erweiterte Speicheroptionen beschafft und passen die wichtigsten Module ihrer Softwarekomponenten an künftige Umgebungsparameter an. Die Vorbereitungen für eine Leistungssteigerung der Anlagen sind also in vollem Gange; ESA konnte diesen Trend noch verstärken.

Wichtige Variable bei der Umstellung

DF/HSM, der inaktive Datenmanager von IBM, stellt bei der Umstellung des Betriebssystems eine wichtige Variable dar, die es zu berücksichtigen gilt. IBM konnte ihre Position in diesem Marktsegment ausbauen und bewegte einen großen Teil der 3090-Basis zum Erwerb dieser Komponenten. Der Wunsch der Kunden nach dem Einsatz von HSM in einer systemgesteuerten Umgebung wird im Kaufverhalten deutlich unterstrichen. Die Fülle der Vorteile dieses Systems wird sich indes ohne den operationalen Einsatz von SMS nicht verwirklichen lassen.

Die Chancen für die Drittanbieter von Software- oder Hardwarekomponenten waren noch nie besser als nach der Ankündigung von MVS/ ESA. Obwohl die Möglichkeiten für Drittanbieter zur Entwicklung und Installation funktional hervorragender Komponenten für die ESA-Umgebung weit besser sind als im Falle vergleichbarer Neuerungen, werden die Kunden durch die neue Architektur gleichzeitig fester an IBM gebunden.

Dies wird besonders durch die Tatsache unterstrichen, daß ESA und SMS bisherige IBM-Produkte aufwerten. Wie im Falle von

Neuerungen gleicher Tragweite gibt es auch die Befürchtung, sich mit Geräten von Drittanbietern Inkompatibilitäten einzuhandeln.

Die vollständig vom System gesteuerte und kontrollierte Speicherumgebung (system managed storage environment) wird auf der Basis der vorgestellten Produkte endlich Realität werden können - jedoch nicht ohne erhebliche Anstrengungen während der Umstellungsphase. Die Herausforderung liegt weniger im Bedarf klassischer Anpassung käuflicher Komponenten an die neue Umgebung, als vielmehr in einer völligen Neudefinition des Verständnisses von Daten. Hieraus resultierend muß auch der Umgang mit Daten einer vollständigen Neuorientierung unterzogen werden.

Die Schritte zur Erstellung neuer pragmatischer Richtlinien in der "Dataset Classification" liegen nun vor den Anwendern. Das Verständnis für den Umgang mit Daten muß in gleicher Weise erweitert werden, wie die Leistungsfähigkeit der Systemumgebung zugenommen hat. Gewissermaßen muß sich nun der Anwender ebenfalls als aufwärtskompatibel bewähren.

Hier liegt einer der kritischen Punkte für die Ausschöpfung des vollen Leistungsumfangs der ESA-Umgebung und für die realen Umsetzungsmöglichkeiten des maschinengesteuerten Speichermanagements vor. Am besten wird dieser Schritt als drastische Erweiterung des Informationsbegriffes verstanden. An dieser Stelle werden mit dem neuen Betriebssystem die äußersten technologischen Grenzverläufe nach vorne, weit in die Zukunft, verschoben.

Die Drittanbieter von Software- und Hardwarekomponenten leisten bei der Schließung der Lücken, die IBM selbst nicht sofort ausfüllen will oder kann, hilfreiche Dienste. Primär wird eine Unterstützung der Anwender bei der Formulierung einer neuen DV-Politik, beim Aufspüren von potentiellen Engpässen im System und natürlich bei der Implementierung von Lösungen gefragt sein, die von IBM nicht geliefert werden.

Eine IDC-Umfrage unter einem repräsentativen Querschnitt der 3090-Anwender förderte folgenden Ist-Zustand zutage:

-Eine Stichprobe von 102 Anwendern der 3090 ergab insgesamt 118 CPUs. Dies ergibt einen Mittelwert von 1,2 CPUs je Systemeinheit.

-Auf der Grundlage eines gewichteten Mittelwerts verfügen alle Systeme durchschnittlich über 90 Megabyte Hauptspeicher.

-47 Prozent aller 3090-Anwender verfügen nicht über irgendwelche erweiterten Speicher.

- Diejenigen der 53 Prozent, die über Expanded Storage verfügen, besitzen typischerweise eine Speicherkapazität von 64 Megabyte. Auf der Grundlage eines gewichteten Mittelwerts errechnet sich eine durchschnittliche Kapazität von 110 Megabyte.

Interessant ist die hohe Zahl der 3090-Anwender ohne jegliche Speichererweiterung. Mit Kosten von 3500 Dollar je Megabyte und nur marginalen Leistungssteigerungen gegenüber 308X-Systemen, haben sich viele dazu entschlossen, diese Hardware zunächst nicht zu installieren. Es sollte angemerkt werden, daß die Mehrzahl hiervon nach eigenen Angaben die Installation einer Speichererweiterung dennoch innerhalb der kommenden zwölf Monate in Angriff nehmen wird.

ESA-Einsatz - Zeitplan und Voraussetzungen

Die meisten 3090-Anwender sind zur Zeit nicht in der Lage, ESA auf der vorhandenen Anlage zu implementieren. Die Betreiber einer 3090-200E oder höher sind in der Mehrzahl damit beschäftigt, die Hardwaregrundlagen für ESA zu installieren, also insbesondere die Speichergröße anzupassen. Diese Anwender verfügen über die beste Ausgangsposition zum Einsatz von MVS/ESA.

Auf die Frage nach dem geplanten Beginn der Konvertierung nach MVS/ESA antworteten 70 Prozent der befragten Anwender, daß dieser Schritt für das Jahr 1989 geplant sei. Die hohe Zahl erklärt sich dadurch, daß einige den Erwerb einer Speichererweiterung und/oder von DFP als den ersten Schritt zur Implementierung von ESA ansehen. Daneben gaben viele an, daß zunächst ein CPU-Upgrade als erster Schritt in Richtung ESA unternommen werde. In diesem Sinne sollte die hohe Zahl geplanter Systemerweiterungen als Beginn der Migration interpretiert werden. 1989 wird demnach weniger das Jahr des ESA-Booms werden, als vielmehr das Jahr der entscheidenden Weichenstellungen hierfür.

Der wichtigste Schritt scheint vollzogen zu sein, denn die große Mehrzahl der 3090-Anwender hat das Potential von ESA erkannt und bereitet sich zielstrebig auf dessen Einsatz vor. Offen bleibt dabei lediglich, wie groß die Zahl der Mainframekunden ist, die angesichts MVS/ESA die überfällige Renovierung ihrer gesamten Anlage in Erwägung ziehen. Bekanntermaßen ist der Bestand an Mainframes in einigen Fällen überaltert, und das Leistungspotential von MVS/ESA könnte den Anstoß zur Erneuerung der gesamten Anlage geben. Diese letzte Zielgruppe kann bei der Beurteilung des Marktes für die MVS/ESA-Umgebung im kommenden Jahr vernachlässigt werden; Impulse aus dieser Zielgruppe üben allenfalls einen positiven Effekt auf diesen Markt aus.

Das Mißverhältnis zwischen der großen Zahl von Anwendern, die die Einführung von ESA für das Jahr 1989 angeben, und jenen, die hierfür lediglich die konkreten Hardwarevoraussetzungen anpassen wollen, läßt den Schluß zu, daß mit ESA primär die Ausbeutung von Hochleistungs-CPUs oder der Einsatz von IBMs modernster Soft- und Hardware assoziiert wird. Der durchschnittlich informierte Anwender glaubt, durch ein CPU-Upgrade und durch die Erweiterung seiner Speicherkapazität zusammen mit der Anpassung seiner Softwarekomponenten gut gerüstet zu sein. Hierdurch werden die entscheidenden Neuerungen im Bereich der Speicherverwaltung unterschätzt.

Die Gegenleistung für die hohen Investitionen in die erweiterte Speicherung oder in DF/HSM werden erst bewundert werden können, wenn ESA auf dem entsprechenden System auch läuft. Die Anwender sind im Sinn der Ausschöpfung ihrer Investitionen gut beraten, wenn sie ESA ohne unnötige Zeitverluste auf einem bereits vorbereiteten System zum Laufen bringen.

Die beiden Hauptkomponenten von MVS/ESA sind MVS/SP und DFSMS/SP. Zur vollen Ausnutzung von DFSMS, kurz SMS, werden sowohl neue Soft- als auch Hardwarekomponenten erforderlich werden, die von IBM und Drittanbietern vermarktet werden. Das Besondere an MVS/SP ist die effizientere Ausnutzung der Speichererweiterung. Die neuesten Versionen der Produkte DB2, IMS, CICS, auch von Applikationen unabhängiger Anbieter, werden oder wurden zur vollständigen Ausnutzung des "Hiperspace"-Konzepts und der daraus resultierenden Leistungssteigerung entsprechend angepaßt. Von diesen Produkten darf ebenfalls die Umsetzung des Konzeptes der "Datenspaces" zur Erzielung besserer I/O-Leistungen und ein größerer virtueller Adreßraum erwartet werden.

Auf der anderen Seite verbindet SMS die softwareseitig verankerten Leistungsmerkmale von DFP mit aktuellen oder künftig verfügbaren Hardwareleistungen. Dies ermöglicht den Zugriff auf Hardwareeinheiten unter einem logischen Blickwinkel auf der Basis von Datenstrukturen. Die "class selection routines", die SMS über die Interactive System Management Facility (ISMF) bereitstellt, ermöglichen es, logischen Freiraum, Leistungs- und Backup-Charakteristika mit Datensätzen zu steuern.

Erweiterte Funktionalitätsmerkmale von Software und Hardware können in der neuen Architektur direkt miteinander verknüpft werden. Hierduch bestimmt das System selbst die am besten zur physikalischen Ablage von Daten geeigneten Geräteeinheiten.

Hierzu ein Beispiel: Programme, die Datensätze mit hundertprozentiger Verfügbarkeit als Element benötigen, können durch die Angabe.

AVAILABILITY = CONTINOUS dazu veranlaß werden, daß der entsprechende Datensatz auf einem physikalischen DASD-Gerät abgelegt wird, das von einem Controller 3090-3 gesteuert wird. Seine erweiterten Dual-copy-Fähigkeiten können optimal integriert werden.

Da das Speichermanagement als Schlüsselelement unter ESA verstanden werden muß, wurden die Anwender von 3090-Rechnern befragt, ob eine Softwareeinheit bereits vor ESA ein inaktives Datenmanagement auf dem System übernommen hatte. Es erstaunt nicht, daß die überwiegende Mehrzahl der Anwender diese Technologie einsetzt. Fast 59 Prozent der Anwender setzen das Produkt DF/HSM und weitere 19,6 Prozent Pakete von Drittanbietern ein. Der Löwenanteil dieses Marktes wird von HSM beherrscht. Mehr als 20 Prozent aller Anwender verzichten vollständig auf den Einsatz von inaktivem Datenmanagement.

Die Anwender, die den Einsatz von ESA für wünschenswert halten, sind gezwungen, aktuelle Versionen (oder Äquivalente) von DFSMS einzusetzen, insbesondere die Produkte Data Facility Product (DFP), Resource Access Control Facility (RACF), DF/DSS (Dataservices) und schließlich DF/HSM.

Unter der Voraussetzung, daß MVS/ESA von den meisten potentiellen Anwendern bereits in diesem Jahr implementiert werden wird, ist die Frage von Interesse, wie sich das Kaufverhalten bezüglich der Angebote von Drittanbietern entwickelt und ob die Anwender gauben, daß IBMs SMS (storage management subsystem) auch mit Peripheriegeräten zusammenarbeiten kann, die mit der 370-Architektur inkompatibel sind.

Folgende Einschätzungen der Anwender charakterisieren nach der Inbetriebnahme von ESA wahrscheinlich das Kaufverhalten:

-Weniger als sechs Prozent der Anwender geben an, daß sie nach der Inbetriebnahme von ESA die Abnahme von Geräten der Drittanbieter reduzieren.

-Fast 20 Prozent der Anwender erwarten, daß SMS die Peripheriegeräte von Drittanbietern in ihrer Kompatibilität mit IBM-Mainframes reduzieren wird.

Obwohl 73 Prozent aller Anwender die Einführung von ESA konkret in Angriff genommen haben, wird die Migration keinen Einfluß auf die Kaufentscheidung bezüglich der Angebote von Drittanbietern haben. Bei der Ausweitung des Marktvolumens sind die Drittanbieter am Zug: Sie müssen nun der Kundenbasis plausibel machen, daß ihre Geräte in der ESA-Umgebung kompatibel bleiben.

Mit ESA steht die Tür zur weiteren Steigerung der Verarbeitungskapazität offen. Da Drittanbieter nicht direkt von diesem Produkt betroffen werden, bleibt wohl alles beim alten: Nicht die Architektur beschränkt den Marktzutritt, sondern die Fähigkeit, ein vorhandenes Produkt überzeugend in die gegebene Umgebung integrieren zu können.

*Die Studie "370/Architecture Storage: MVS / ESA-Impact on Storage Devices" ist erhältlich bei der IDC Deutschland GmbH, Eschborn. Die vorliegende Zusammenfassung erschien im EDP Deutschland Report der IDC, Ausgabe 24/88.

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