Minihersteller rechnet für 1989 mit Verlusten

Die International Business Unit von Prime hofft auf Ost-Geschäfte

16.03.1990

MÜNCHEN (ciw) - Die Abwehr des "unfriendly overtaking" durch MAI Basic Four hat der Prime Computer Inc. nicht nur Kosten in Höhe von 30 Millionen Dollar eingetragen, sondern auch die Kunden stark verunsichert. Dies dürfte nicht zuletzt ein Grund für den zu erwartenden dreistelligen Millionenverlust sein, den der Minihersteller wahrscheinlich im Geschäftsjahr 1989 hinnehmen muß.

Trotzdem gab sich der Präsident und General Manager der erst im Februar in München eingerichteten International Business Unit (IBU), Michael H. Forster zuversichtlich. Bereits am Ende des laufenden Geschäftsjahr sollen Prime International und das Gesamtunternehmen wieder profitabel arbeiten. Der Druck ist groß, denn ohne Gewinne kann das Unternehmen die Bank-Kredite nicht - wie versprochen - innerhalb von vier Jahren zurückzahlen, mit denen der Rückkauf von eigenen Aktien finanziert worden war.

Seinen Optimismus bezieht Forster aus dem guten Auftragseingang im vierten Quartal des letzten Geschäftsjahres und aus der bereits stark vorangeschrittenen Produktmodernisierung: "Am Ende des Jahres wird Prime alle (Hardware-)Produkte mit neuen Technologien ausgestattet haben." Außerdem werde Prime demnächst einen neuen Mini mit dem proprietären Betriebssystem "Primos" vorstellen, der als "Ergänzung der Mini-Palette nach oben" gedacht sei, berichtete Forster weiter.

Allerdings ist das Ergebnis des letzten Jahres nicht gerade ermutigend. Weltweit setzte Prime mit 1,51 Milliarden Dollar 5,3 Prozent weniger um als im Vorjahr mit 1,594 Milliarden. Dem englischen Branchendienst "Computergram" zufolge mußte der Minihersteller nach dem vierten Quartal einen Verlust von 101,3 Millionen englischen Pfund (etwa 283 Millionen Mark) ausweisen - inklusive außerordentlicher Belastungen.

Relativ gut abgeschnitten hat hingegen die in Wiesbaden ansässige deutsche Tochtergesellschaft. Mit 370 (346) Millionen Mark Umsatz verzeichnete die inzwischen größte "Prime-Filiale" einen Zuwachs von sieben Prozent. "Vor dem Hintergrund des langwierigen Übernahme-

kampfes und der damit verbundenen Verunsicherung der Kunden können wir mit diesem Umsatz und einer Umsatzrendite von einem Prozent sehr zufrieden sein", versicherte Erwin Leonhardi, langjähriger Geschäftsführer von Prime Deutschland.

Investiert hat man in der deutschen Dependance vor allem in den Aufbau einer System-Integrations-Abteilung. Dort bemüht sich heute eine 45köpfige Mannschaft darum, Prime-Kunden in Sachen Fertigungsintegration zu beraten. "Wir konzentrieren uns auf die technisch orientierten Prozeßketten," erläutert Leonhardi. Für ihn ist der CAD/CAM- und CIM-Markt auch in Zukunft das Hauptbetätigungsfeld für Prime.

Ähnlich positive Ergebnisse erwartet Prime in Zukunft im internationalen Geschäft. 58 Prozent des gesamten Konzern-Umsatzes wurden bereits 1989 außerhalb der USA gemacht und in naher Zukunft soll dieser Prozentsatz sogar auf 70 Prozent steigen; davon - wiederum werden zwei Drittel aus Europa kommen. "Das gab auch den Ausschlag für München als IBU-Standort," betonte Forster. Außerdem sei die bayerische Metropole im Hinblick auf den EG-Binnenmarkt und für die zunehmenden Aktivitäten in Osteuropa eine ideale Basis.

Den ersten Vorstoß in Richtung Osten hat man bereits unternommen. Prime möchte die 4000 Mitarbeiter umfassende Vertriebsorganisation des schwerfälligen DDR-DV-Riesen Robotron als "Groß-Distributor" gewinnen.

Nach Angaben von Leonhardi spricht man im Moment "sehr ernsthaft" über den Vertrieb des CAD-Programms "Medusa" und der damit gekoppelten Hardware durch das Wokurka-Imperium. "Auf der Leipziger Messe werden wir bereits gemeinsam mit Robotron ausstellen", frohlockt der Prime Manager. Sollte die Kooperation zustande kommen - woran er keinen Zweifel läßt - "wollen wir Marktanteile erobern und keine schnelle Mark machen."

Die allerdings kann im Zuge der geplanten Währungsunion durchaus nebenbei in die Firmenbörse fließen, denn Prime verkauft seine Produkte gegen Ost-Mark. Sollte später Ost- gegen D-Mark im Verhältnis 1:1 getauscht werden, könnte das Unternehmen einen zusätzlichen Gewinn verbuchen. Leonhardi ist vom Erfolg der Kooperation überzeugt, schließlich verfüge Robotron über ein dichtes Netz von Handelsstellen, mit denen die Produkte gezielt an den Mann gebracht werden könnten.