CMOS-Mainframes nicht unbedingt guenstiger

Die IBM greift dem Anwender bei der Wartung kraeftig in die Tasche

15.03.1996

Bekannt ist, dass IBM die Preislisten fuer ihre Rechenboliden abgeschafft hat, was die Transparenz fuer potentielle Kaeufer nicht erhoeht haben duerfte. Nun geht man einen Schritt weiter und versucht, die Kundschaft mit verdrehten Rechenbeispielen auf die neuen "9672R"-Systeme einzuschwoeren, die mit CMOS-Prozessoren arbeiten. Das stellt Barry Graham, Autor beim englischen Branchenblatt "Insight IS" der Xephon Plc., fest.

Danach vergleicht die IBM in einem Preisbeispiel die Fuenf-Jahres- Kosten eines Modells aus der fluessiggekuehlten "9021"-Reihe und einer alten "3090/600J" mit denen einer CMOS-basierten Maschine. Dabei geht sie bei den herkoemmlichen Mainframes in ECL-Technik von Stromkosten ueber jeweils 100000 Dollar und Wartungsbetraegen von 210000 Dollar pro Jahr aus, was sich nach fuenf Jahren fuer beide Maschinen auf insgesamt 3,1 Millionen Dollar summiert (siehe untere Tabelle).

Die CMOS-Maschine schlaegt angeblich mit 20000 Dollar fuer Energie und mit 35000 Dollar fuer Serviceleistung pro Jahr, also 275000 Dollar fuer die Fuenf-Jahres-Periode zu Buche. Nach Beruecksichtigung anderer Faktoren wie Kapitalkosten und Ruecknahmeerloese ergebe sich fuer den Kunden beim Umstieg auf CMOS ein Kostenvorteil in Hoehe von 175000 Dollar fuer die Fuenf-Jahres-Periode.

"Das Problem mit dieser Rechnung ist, dass sie nicht stimmt", zerpflueckt Graham das Zahlenwerk und macht eine Gegenkalkulation auf. Tatsaechlich seien naemlich die Stromkosten aller Maschinen nur halb so hoch gewesen, der Wartungsaufwand fuer das 9021-System ebenfalls, und der Service fuer das alte Modell 3090 haette gar nur ein Viertel des angenommenen Preises ausgemacht. Die neue Berechnung fuer fuenf Jahre dreht das IBM-Rechenergebnis um: Nun ist das CMOS-System mehr als doppelt so teuer wie die alte Loesung.

Graham geht in seiner Kritik noch einen Schritt weiter: "Nicht nur, dass die Originalberechnung die neuen Systeme faelschlicherweise attrakiv aussehen laesst, sie beruecksichtigt auch nicht den Preisverfall bei CMOS-Prozessoren." Aber selbst bei Strassenpreisen fuer CPUs, Stromverbrauch und Wartung ergeben sich durch einen Wechsel zu CMOS-Mainframes keine Kostenvorteile, im Gegenteil. Legt man der Berechnung zudem eine Installationszeit von beispielsweise zwei statt fuenf Jahren zugrunde, verschlechtert sich das Preisverhaeltnis - selbst wenn man die IBM-Zahlen zugrundelegt - weiter zuungunsten der CMOS-Maschine wegen der dann niedrigeren Maintenance-Ausgaben fuer die ECL-Geraete (siehe Tabelle).

In den vergangenen Monaten verzeichneten die Xephon-Analysten um Graham erheblich divergierende Wartungspauschalen, die IBM fuer ECL-basierte Mainframes verlangt. Die Ausgaben variieren zwischen jaehrlich 15000 Dollar und 150000 Dollar pro Prozessor - ein Unterschied von 900 Prozent.

Der Preis fuer den Service wird zur Verhandlungssache, da IBM in einer Zwickmuehle steckt. Einerseits will man die Kundschaft auf die CMOS-Architektur bringen und lockt mit billigen Unterhaltskosten. Andererseits wird der Kunde, wenn er die Rechenleistung bestehender ECL-Systeme mit CMOS-Prozessoren erweitert, die guenstigeren Servicekonditionen auch fuer die Altgeraete in Anspruch nehmen wollen. "Die IBM verliert in so einem Fall Umsatzerloese ohne eine Gegenleistung zu erhalten", konstatiert Graham. Wie es zu diesem Dilemma kam, soll ein kurzer Rueckblick erklaeren.

Die Kosten fuer Wartung und die fuer die Hardware gingen mit der Zeit immer weiter auseinander, wie die Abbildung unten fuer IBMs groesste Systeme beweist. Lag der monatliche Servicepreis 1980 noch bei ein paar Dollar je Prozessor und je Speicherkarte oder TCM (Thermal conduction module), so stieg er auf knapp 2000 Dollar im Jahr 1994. Gleichzeitig wurden aufgrund der gestiegenen Leistungsfaehigkeit weniger, aber teurere Komponenten eingebaut, die Reparaturkosten stiegen ueberproportional.

Das Ergebnis dieser Entwicklung sieht man beim Blick in die Servicepreisliste fuer die fluessiggekuehlten ECL-Mainframes 9021 und fuer die luftgekuehlten 9121/ 9221-Modelle. Der Anteil der monatlichen Wartungskosten an den Gesamtkosten stieg permanent.

Kurioserweise geht heute bei einem Ausbau der Rechenleistung von ECL-Mainframes der Preis fuer die Wartung noch staerker in die Hoehe. Das ruehrt daher, dass IBM beispielsweise bei der Erweiterung von Speichern kraeftiger fuer die Wartung zulangt als bei der fuer den Basisprozessor. Graham fand heraus, dass bei grossen 9021-Systemen die Wartung des Expanded Memorys binnen fuenf Jahren bis zu 200 Prozent des Kaufpreises ausmachen kann, waehrend der Unterhalt des Basisprozessors nicht einmal mit 50 Prozent der Anschaffungskosten zu Buche schlaegt.

Angesichts der hoechst variablen Wartungspauschalen, die IBM erhebt, rechnet Graham: "Die Halbierung der Wartungskosten (laut IBM-Preisliste, Anm. d. Red.) eines Mainframes vom Typ 9021-982, spart waehrend der Installationszeit des Systems rund zwei Millionen Dollar." Das sei ausreichend, um die Entscheidung fuer CMOS-Grossrechner rueckgaengig zu machen und auf die ECL-Technik zu setzen. "Die CMOS-Situation ist nicht so rosig, wie oft vermutet wird."

Graham empfiehlt, sich beim Abschluss von Wartungsvertraegen an die Faustregel zu halten, wonach die Kosten dafuer monatlich nicht mehr als 0,166 Prozent des Kaufpreises ausmachen sollen oder acht Prozent ueber fuenf Jahre gerechnet (bei einem Jahr Garantie). Die IBM wollte sich zu diesem Thema nicht aeussern.