Kaufhäuser als alternativer Distributionsweg für neue Low-end-PCs

Die IBM bläst mit PS/1-Familie zur Attacke auf den Heimmarkt

06.07.1990

NEW YORK (CW) - Mit der in den USA vorgestellten neuen - für IBM-Verhältnisse relativ preiswerten - PC-Familie PS/1 will der DV-Marktführer in den Heimmarkt einsteigen.

Weil sich der Absatz von professionellen PCs in den USA der Sättigungsgrenze nähert, der Heimmarkt dagegen zehnprozentige Wachstumsraten verspricht, versucht IBM diesen Sektor zum zweiten Mal zu erobern - diesmal jedoch mit einem professionell ausgestatteten Gerät. Die Maschine, die auf dem mit zehn Megahertz getakteten Intelprozessor 80286 fußt, wird im Gegensatz zur sonstigen IBM-Politik komplett ausgeliefert, also inklusive Monitor, Tastatur, ROM-basiertem Betriebssystem DOS 4.01 und - zumindest in den USA, wo bereits heute begrenzte Stückzahlen verfügbar sind - mit einem integrierten Modem sowie dem Softwarepaket "Works" von Microsoft. Dort soll das System je nach Ausbaustufe zwischen 999 und 1999 Dollar kosten.

Für die leistungsstärkste Konfiguration mit VGA-Farbmonitor, 1-MB- RAM, 3?-Zoll-Diskettenlaufwerk und 30-MB-Platte wird ein Listenpreis von 1649 Dollar angegeben. Der "Straßenpreis", so schätzen Insider, wird um zehn bis 15 Prozent darunter liegen.

Die zweite Novität: Big Blue will das auf den Heimmarkt ausgerichtete PS/1 nicht nur über seine bisherige Händlerschaft vertreiben, sondern auch in großen Warenhäusern feilbieten. Die IBM-Strategen vermuten nämlich, daß sie über diesen neuen Distributionsweg eher an den privaten Nutzer herankommen, der selten den Weg in spezialisierte Fachgeschäfte findet.

Mit dem Augenmerk auf das, was Kunden von einem "Heim-PC" erwarten, ist der PS/1 als "Plug-and-play-Gerät" konzipiert, das auch unerfahrene Anwender selbst aufbauen und schnell benutzen können. In den betuchteren Haushalten, in die das System mit Macht Einzug halten soll, wird es, so hoffen die Marketing-Leute, sowohl von Kindern für Computerspiele und Lernsoftware als auch von Erwachsenen zur Planung des Familienbudgets und zur Erledigung liegengebliebener Büroarbeiten eingesetzt.

Weil die Anforderungen an ein Heimgerät denen an einen professionellen Einplatz-Rechner unter DOS gleichen, erwarten Analysten der International Data Corp. (IDC), daß die PS/1-Maschinen auch für kleine bis mittlere Unternehmen interessant sind, die den PC für ihre Korrespondenz und einfache Buchhaltungs-Aufgaben benötigen. Insider halten diesen Weg jedenfalls für erfolgversprechend und schätzen, daß Big Blue noch in diesem Jahr etwa 100000 PS/1 absetzen kann.

Schließlich, so die IDC-Beobachter, sei dieses System nicht mit dem 1984 herausgebrachten PC-Junior vergleichbar, der ebenfalls auf den privaten Kunden abzielte, aber nicht voll kompatibel war, über zuwenig Speicher (128KB) und über eine schlechte Tastatur verfügte.

Die deutschen Haushalte und Kleinunternehmer müssen noch bis September auf das Gerät warten. Von IBM Deutschland war allerdings bezüglich Konfiguration, Preis und Distributionskanälen noch nichts Konkretes zu erfahren außer der Tatsche, daß auch hierzulande ähnliche Zielgruppen und Verkaufswege ins Auge gefaßt würden.