Die Gerichte entscheiden einhellig:

Die gute Benutzerdokumentation ist ein Muß

22.04.1988

Die Datenverarbeiter sind der Auffassung, daß zu jedem Anwendungsprogramm eine Benutzerdokumentation gehört. Die Gerichte haben daraus die Konsequenz gezogen, sie für einen wesentlichen Teil der geschuldeten Leistung zu halten. Ist sie untauglich oder fehlt sie, hat der Anwender das Recht, das Programm und gegebenenfalls auch die mit dem Programm gekaufte DV-Anlage zurückzugeben. Christoph Zahrnt, auf EDV spezialisierter Rechtsanwalt in Neckargemünd, hat im folgenden eine ganze Reihe signifikanter Urteile aufgelistet.

Zum Thema "Dokumentation" liegen etliche Urteile vor. In allen Urteilen haben die Gerichte entschieden, daß das Fehlen der Benutzerdokumentation oder erhebliche Fehlerhaftigkeit zur Rückgabe - nach ordnungsgemäßer Nachfristsetzung - der Programme und bei gleichzeitigem Kauf von Hardware sogar zur Rückgabe der Hardware berechtigen. Die Lieferantenseite sollte das dringend berücksichtigen. Denn diese Rechtsprechung ist inzwischen unter Rechtsanwälten so bekannt, daß die erste Frage eines Rechtsanwalts, der einem Anwender aus einem EDV-Vertrag heraushelfen soll, dahingeht, ob eine ordnungsgemäße Benutzerdokumentation geliefert worden ist.

Wie hoch die Anforderungen der Gerichte sind, soll im folgenden anhand der Urteile - in chronologischer Reihenfolge - dargestellt werden.

Lückenhafte Anleitung

"Erforderlich ist eine ausführliche und verständliche Bedienungsanleitung. Wie der Sachverständige aber überzeugend festgestellt hat, ist die Anleitung nicht nur schwer lesbar, sondern auch lückenhaft. Infolgedessen gerät jeder, der auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung nicht versiert ist, bei der Benutzung zwangsläufig in Schwierigkeiten."

LG Aachen vom 19. September 1983 (2 0 508/81)

Englische Beschreibung

Der Beklagte hatte eine branchenspezifische Mikrocomputerlösung für sein Baugeschäft erworben.

"Zwar ist dem Beklagten bis Fristablauf unstreitig das fehlende Steckmodul geliefert worden; der Beklagte wurde (aber) nicht in die Lage versetzt, mit dem Gerät zu arbeiten, weil die Beschreibung des Moduls und das damit zusammenhängende Programm in englischer Sprache abgefaßt war, womit der Beklagte nichts anfangen konnte."

LG Kiel vom 26. März 1984 (2 0 192/83)

Wesentlicher Bestandteil

"Das Gericht ist nach den Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, daß zur Anwendung der Programme Programmdokumentationen notwendig sind, also einen wesentlichen Bestandteil der von der Klägerin geschuldeten Leistung darstellen. Sie sind auch Voraussetzung für die geschuldete Einarbeitung."

AG Bruchsal vom 30. Juli 1984 (1 C 54/83)

Notwendiger Lieferumfang

"Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergibt sich, daß das Benutzerhandbuch zum notwendigen und üblichen Lieferumfang bei der Anlieferung eines Computersystems gehört. Als Programmdokumentation stellt das Benutzerhandbuch eine notwendige Voraussetzung für die sinnvolle Anwendung eines Programmes dar. Es kann durch eine Schulung der Benutzer nicht vollständig ersetzt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Schulung der Benutzer sowie die schriftliche Dokumentation zusammengehören und sich wechselseitig ergänzen. Der Sachverständige hat dies einleuchtend damit begründet, daß die Schulung des Benutzers schon aus Zeitmangel gar nicht auf alle denkbaren Sonderfalle - Fehlermeldungen und Fehlerbehandlungsmaßnahmen - eingehen kann, diese vielmehr schriftlich dokumentiert sein müssen. Die Ansicht der Klägerin, wonach es deshalb keiner schriftlichen Dokumentation bedürfe, weil der Benutzer die erforderlichen Anweisungen über den Bildschirm erhalte, widerspricht nach den Ausführungen des Sachverständigen jeder praktischen Erfahrung."

LG Mannheim vom 8. Oktober 1984 (24-0-62/83)

Anweisung fehlte

"Die Beklagte hat einen wesentlichen Mangel der Computeranlage bewiesen, der die vollständige Einbehaltung des Mietzinses rechtfertigt. Dieser besteht darin, daß zu der Computeranlage unstreitig die schriftliche Bedienungsanweisung fehlte ....ist es schon allein aufgrund des Fehlens der Anleitung für einen Nichtfachmann der elektronischen Datenverarbeitung nicht möglich, ein solches System voll auszunutzen, effektiv zu betreiben und mit eventuell auftretenden Ausnahmesituationen fertigzuwerden."

OLG Frankfurt vom 22. Januar 1985 (5 U 86/84)

Fehlen ist ein Mangel

"Wenn der Sachverständige darlegt, daß die Programmdokumentation notwendige Voraussetzung für die Anwendung eines Programmes sei und als Hilfsmittel bei der zweckentsprechenden und wirtschaftlichen Installierung, Benutzung, Fehlerbeseitigung und Schulung dienen solle, kann das Fehlen oder Unvollständigsein einer Dokumentation nicht anders als Mangel im Sinne von 537 BGB gewertet werden."

AG Oberkirch vom 6. Februar 1985 (C 154/84)

Lieferung ohne Anleitung

Die Klägerin hatte einer Anwenderin einen Mikrocomputer geliefert.

"Die Lieferung des Computergerätes ohne die gleichzeitige zur Verfügungstellung von deutschen Bedienungsanleitungsbüchern war fehlerhaft. Der Senat geht davon aus, daß eine mit den Branchennuancen nicht vertraute Partei, die einen Computer kauft, davon ausgehen darf, daß ihr zur vollen Funktionsausnutzung des Gerätes eine in ihrer Sprache verständliche Anleitung gegeben wird. Führt die Verkäuferin dies nicht und will sie diese Bedienungsanleitung in einer anderen - hier im Streitfall englischen - Sprache zur Verfügung stellen, so muß sie dies durch Erklärung gegenüber ihrem Vertragspartner zum Inhalt des Vertrages machen."

OLG München vom 10. Juli 1985 (7 U 1501/85)

Trotz Dialogsystem

"Ein Benutzerhandbuch muß umso umfassender sein, je weniger komfortabel das Programm ausgebaut ist. Der Sachverständige hat insbesondere das Argument der Lieferantin entkräftet, wegen des benutzten Dialogsystems sei ein Handbuch nicht erforderlich. Da grundsätzlich alle derartigen Systeme im Dialogverfahren arbeiten, weil das Gerät den Bediener "fragt" was es arbeiten soll, und dieser antwortet, hat das Dialogverfahren allein mit dem Einbau einer Bedienerführung ins Programm noch nichts zu tun. ...Es fehlt jeglicher substantiierte Vortrag über den konkreten komfortablen Ausbau der Programme, der ausnahmsweise die Notwendigkeit einer schriftlichen Bedienungsanleitung entfallen ließe."

OLG Stuttgart vom 1. Oktober 1986 (4 U 187/85)

Einweisung nicht ausreichend

Die Beklagte hatte einen Bürocomputer zu zirka 55 000 Mark gekauft.

"Die Einweisung des Personals durch den Verkäufer ist für eine Anlage mit dieser Funktionsfülle alleine nicht ausreichend. Es ist nicht möglich, daß sich die mit der Bedienung befaßten Personen das Wissen über alle denkbaren Funktionen und Funkionsstörungen dauerhaft aneignen. Nur bei Vorhandensein des Handbuchs ist die Anlage auch im Falle von seltenen Funktionen, Funkionsstörungen oder bei Personalwechsel im vorgesehenen Umfang benutzbar."

OLG Frankfurt vom 10. März 1987 (5 U 121/86)

Handbuch und Programm

"Nach den Ausführungen des Sachverständigen bilden erst die Dokumentation, bestehend aus einem Bedienerhandbuch, und das Programm zusammen die Software."

LG Heidelberg vom 19. August 1987 (0 139/85 KfH II)

Dokumentation mangelhaft

Die Beklagte hatte erst drei Monate nach Lieferung der DV-Anlage gerügt, daß die Anwendungsprogramme fehlerhaft seien und sie damit nicht klarkäme. Im Prozeß berief sie sich darauf, daß die Benutzerdokumentation mangelhaft sei. Die klagende Lieferantin hielt diese Rüge unter Kaufleuten für verspätet. Das Gericht teilte diese Auffassung nicht:

"Bei der Lieferung der Anwendersoftware und des sogenannten vorläufigen Bedienungshandbuches konnte die Beklagte auch bei einer in ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlichen Untersuchung nicht feststellen, ob das Bedienungshandbuch für den Betrieb der Anlage ausreichte. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß die Qualität eines Handbuches für die Arbeit mit Anwendersoftware erst im Laufe des Betriebs der Computeranlage festgestellt werden kann. Daher ist davon auszugehen, daß die Beklagte erst bei Abfassung ihres Schreibens (3 Monate später) die Unbrauchbarkeit des gelieferten Programmpaketes in dem bisher gelieferten Umfang erkannt hat. Zwar hatte die Beklagte mit diesem Schreiben die Unvollständigkeit des Bedienungshandbuches nicht beanstandet; da das Bedienungshandbuch aber nach dem Sachverständigengutachten für die ordnungsgemäße Nutzbarkeit der Anwendersoftware erforderlich war, die Beklagte andererseits nicht nur bestimmte Beispiele für Fehler aufgeführt, sondern allgemein die Nutzbarkeit des Programms beanstandet hat, bezog sich diese Rüge auch auf Fehler des Bedienungshandbuches. Außerdem hat die Klägerin durch ihr Schreiben (ein paar Tage später) zu erkennen gegeben, daß sie Schwierigkeiten bei der Arbeit der Beklagten mit dem Programm unter anderem auf einen mangelnden Informationsfluß zurückführte. Auch für die Klägerin war demnach erkennbar, daß Bedienungsprobleme für die Beklagte Anlaß zu ihrem Schreiben waren und damit auch Fehler des Bedienungshandbuches für die Beanstandung mit ursächlich sein konnten."

LG Essen vom 30. September 1987 (44 0 197/86)