Rechtslage Dokumenten Management

Die größten Mythen über elektronische Archivierung

03.12.2008
Von 
Volker Halstenbach ist Senior Berater und Partner bei der Zöller & Partner GmbH, einer anbieterneutrale ECM-Beratung mit Sitz in Sulzbach im Taunus, www.zoeller.de

6. Keine Pflicht zur vollständigen Archivierung von E-Mails

In den letzten Jahren ist gehäuft zu vernehmen, dass Unternehmen verpflichtet seien, ihre komplette E-Mail-Korrespondenz elektronisch aufzubewahren. Aus handelsrechtlicher Sicht (HGB) allein ist eine solch umfassende Archivierungsverpflichtung nicht abzuleiten, wohl aber die Aufbewahrungspflicht von E-Mails, die als Handelsbrief beziehungsweise Beleg fungieren (zum Beispiel Angebote, Rechnungen). Hierfür ist im Handelsrecht allerdings keine Formvorschrift fixiert - eine papiergebundene Aufbewahrung des Ausdrucks wäre handelsrechtlich ausreichend (mehr zu Software für die E-Mail-Archivierung finden Sie hier).

Steuerrechtlich (AO) betrachtet ergeben sich jedoch Archivierungsanforderungen, die aus dem geänderten § 14 der AO (erläutert in den "GDPdU") abzuleiten sind und seit Januar 2007 vom Bundesfinanzministerium schriftlich formuliert sind: Dort wird die elektronische Aufbewahrung für solche E-Mails gefordert, die steuerrechtlich relevant sind und deren Inhalt elektronisch in weiterführende DV-Verarbeitungen einfließen (siehe FAQ zur GDPdU vom 23. Januar 2008). Dies betrifft in der Regel jedoch nur einen geringen Anteil aller E-Mails von Unternehmen - die Verpflichtung zur umfassenden E-Mail-Archivierung ist weiterhin weder aus den GOBS noch aus den GDPdU ableitbar.

Für Unternehmen, die von der amerikanischen Rechtssprechung betroffen sind, kann sich aus dem Sarbanes Oxley Act (SOX) die Notwendigkeit ergeben, E-Mails bestimmter Personenkreise - insbesondere des Managements - elektronisch aufzubewahren (mehr zum Thema SOX und Compliance finden Sie hier). Die Verpflichtung zur vollständigen E-Mail-Archivierung stellt in Deutschland allerdings die Ausnahme dar.

Nicht verunsichern lassen

Wer den Einsatz einer elektronischen Archivlösung plant, sollte sich nicht durch Äußerungen verunsichern lassen, die häufig von Anbietern stammen und aus eigen-wirtschaftlichem Interesse Rechtsanforderungen formulieren, für die es objektiv betrachtet keine Rechtsgrundlage gibt (siehe auch, welche Speziallösung für die E-Mail-Archivierung es gibt).

Die überzogene Panikmache einiger Marktteilnehmer kurz nach Veröffentlichung der GDPdU (Beispiel: „… CD und DVD sind nicht GDPdU-gesetzeskonform…") und die heutige von den Finanzbehörden akzeptierte Praxis der Datenaufbewahrung in Unternehmen unter Einsatz herkömmlicher Technologien, ist ein prominentes Beispiel für den immer wieder anzutreffenden Versuch, neu formulierte Rechtsanforderungen durch Überinterpretation und Verunsicherung für eigene wirtschaftliche Interessen auszunutzen. Anwender sollten ihre Rechtslage und Verpflichtungen zunächst klären, bevor sie in vorauseilendem Gehorsam unnötige „Compliance"-Investitionen tätigen.

Allerdings ist zu empfehlen, beim Systemaufbau Techniken und Verfahren einzusetzen, die den Anforderungen der GOBS standhalten: Es handelt sich hierbei um dieselben Anforderungen, die auch an die Buchführungssoftware gestellt werden - nicht mehr und nicht weniger. Die Einhaltung der üblichen Sorgfaltspflicht sowie die Führung einer Verfahrensdokumentation sind zwingende und in den meisten Fällen ausreichende Grundlagen für einen rechtskonformen Archivbetrieb (as).