Prozesse und Strukturen aufbrechen

Die größten Innovationsfallen

17.10.2012
Von Jens-Uwe Meyer
Oft verpassen vermeintlich innovative Unternehmen die Marktentwicklung. Lesen Sie hier die gefährlichsten Innovationsfallen, in die Firmen tappen.
Foto: Fotolia/kentoh

Innovation ist "in" - zumindest, wenn es um große Worte geht. Kaum eine Vorstandsrede, kaum ein Firmenprospekt, in dem der Terminus Innovation nicht strapaziert wird. Trotzdem tappen Unternehmen immer wieder in dieselben Innovationsfallen. Mit Schlecker, Manroland und Kodak hat es allein in diesem Jahr bereits drei prominente Opfer erwischt. Und andere Unternehmen stecken tief in Innovationsfallen, ohne es zu merken. Denn innovativ sind sie nur im Rahmen des Bestehenden. Radikal neue Innovationsansätze hingegen fehlen. Folgende fünf Innovationsfallen sorgen dafür, dass Betriebe den Anschluss verlieren.

Die Hochglanzfalle

Wer sich Websites, Visionen und Hochglanzbroschüren der meisten Unternehmen genauer ansieht, stellt schnell Folgendes fest: Irgendwie sind sie alle visionär, hochkreativ und praktisch kurz davor, die Branche zu revolutionieren. Auf den ersten Blick liest sich das beeindruckend. Blickt man jedoch genauer hinter die Fassade der Homepages und Prospekte, dann haben diese Botschaften oft wenig Substanz.

Je häufiger Mitarbeiter und Manager eines Unternehmens solche Botschaften vernehmen, desto mehr glauben sie: "Wir sind schon innovativ, wozu noch mehr?" Die Folge: Unternehmen werden betriebsblind. Sie konzentrieren sich auf die Innovationsfelder, die schnell und einfach Erfolge bringen. Wirklich radikale Innovationen finden jedoch nicht statt, die Märkte werden von Mitbewerbern und Kräften von außen umgestaltet. So geschehen in der Automobilindustrie: Ausgerechnet der Branchen-Outsider Shai Agassi, ein ehemaliger SAP-Vorstand - hat ein vollkommen neues Modell zur Elektromobilität entwickelt. Während die klassischen Automobilfirmen weiter daran arbeiten, Batterien besser und sparsamer zu machen, entwarf Agassi mit "Project Better Place" ein komplettes Mietsystem für aufgeladene Elektrobatterien.

Die Erfahrungsfalle

Insider, die auf den Management-Tagungen des ehemaligen Druckmaschinenherstellers Manroland waren, erinnern sich an die Botschaften des Vorstands. Er sagte der Zeitung eine große Zukunft voraus. Immer wieder wurde die Solidarität zur Druckrolle beschworen, während die meisten Medienverlage bereits ihr Wachstum auf ganz anderen Feldern suchten. Der Vorstand von Manroland ignorierte das. Die eigenen Erfahrungen sprachen dagegen. Für den damals zweitgrößten Druckmaschinenhersteller der Welt war es schlichtweg unvorstellbar, dass seine Produkte einmal überflüssig werden könnten. Das Ergebnis dieser Fehleinschätzung: Der Konzern wurde Anfang 2012 zerschlagen.

Manroland ist keineswegs ein Einzelfall. Das Topmanagement zahlreicher Unternehmen macht denselben Fehler: Es beurteilt die Zukunft mit den Erfahrungen der Vergangenheit. Menschen haben schon immer Zeitung gelesen, sie sind schon immer in ein Reisebüro gegangen, um ihren Urlaub zu buchen, und sie haben schon immer Kleidung von der Stange gekauft. Unvorstellbar, dass sie morgen eine Zeitung unpraktisch finden und als totes Holz verspotten, einem automatischen Buchungsassistenten mehr vertrauen als einem Reisebüro und nach personalisierter Kleidung verlangen. Bei der Beurteilung der Zukunft stehen die Erfahrungen der Vergangenheit oft im Weg. Trotzdem vertrauen Unternehmen auf sie und merken nicht, dass sie tief in einer Falle stecken.