Customer-Realationship-Management/Stufenmodell zum Aufbau von Customer-Relationship-Management

Die größten Herausforderungen beim Aufbau einer CRM-Systemlandschaft

10.12.1999
Die Fähigkeit, Produkte und Dienstleistungen optimal an Kundenbedürfnisse anzupassen, ist gefragter denn je. Aus Wettbewerbsgründen muß dies kontinuierlich und schnell geschehen. Ein wesentlicher Baustein, solche Kundennähe herzustellen, ist ein IT-gestütztes Customer-Relationship-Management (CRM). Markus Müller* beschreibt die Herausforderungen beim Aufbau einer derartigen CRM-Systemlandschaft und skizziert eine in der Praxis bewährte Vorgehensweise.

Primäres Ziel eines CRM-Programms ist es, den Wert und die Anzahl profitabler Kundenbeziehungen zu erhöhen. Dies kann in Form verschiedenster Anwendungen erfolgen und umfaßt beispielsweise die Verbesserung des Cross-Selling bei Versicherungen, die Bewertung von Kreditrisiken bei Banken, die Optimierung des Yield-Managements bei Fluggesellschaften beziehungsweise allgemein die Verbesserung des Kundenservices zur Stärkung der Kundenbindung. Im Idealfall fließt die Kenntnis der individuellen Kundenpräferenzen auch direkt in das spezifische Produktdesign ein.

Eine typische CRM-Systemarchitektur (siehe Grafik) muß die vier Phasen der Durchführung eines CRM-Programms unterstützen.

Datenbeschaffung: Kundeninformationen werden aufgrund historisch gewachsener Systeme oft dezentral in verschiedenen operativen Systemen gehalten. Tools zur Datenextraktion und -bereinigung überführen diese Informationen in ein Data-Warehouse, in dem ein ganzheitliches Bild vom Kunden entworfen wird. Neben internen Informationen werden oft auch externe Daten aufgenommen, zum Beispiel geodemografische Informationen.

Kundenanalyse: Es gibt zwei Möglichkeiten, um das Kundenverhalten statistisch zu analysieren. Entweder man führt die Analyse direkt im Data-Warehouse durch, oder man verwendet bei häufig wiederkehrenden Analysen sogenannte Data-Marts, die spezifische Ausschnitte des Data-Warehouse in einer optimierten Form bereitstellen. Ergebnis der Analyse ist eine spezifische, oft sehr kleine Kundengruppe.

Kundeninteraktion: Ein Kampagnen-Management-System ist auf Basis dieser ausgewählten Kundengruppe in der Lage, konkrete Maßnahmen zu planen. Kampagnen-Manager können dabei mehrere Vertriebskanäle einbeziehen (zum Beispiel Ansprache durch Call-Center und Follow-up durch Mailing oder Vermittler). Sie kontrollieren auch den Erfolg der Maßnahmen und berücksichtigen hierbei die Informationen, die die Erfassungssysteme an den verschiedenen Kundenkontaktpunkten liefern.

Lernen und anpassen: Die CRM-Fähigkeiten lassen sich kontinuierlich verbessern - sowohl bei der Datenbeschaffung und Kundenanalyse als auch bei der Kundeninteraktion. Möglich wird dies durch die Rückführung der Ergebnisse über den Kampagnen-Manager und die Bereitstellung dieser Information in den Analysedatenbeständen.

Auf dem Markt ist heute eine Fülle von Software verfügbar, mit der sich die Funktionen eines CRM-Systems auf einfache Weise implementieren lassen. Besonders komplex ist der Aufbau eines Data-Warehouse, denn hier muß ein ganzheitliches Bild vom Kunden bereitgestellt werden. Außerdem muß das Data-Warehouse für die erforderlichen Anbindungen an die operativen Systeme sorgen. Viele Unternehmen scheitern am Aufbau dieser Systeme, und manche Data-Warehouse-Projekte werden nach einigen Jahren und Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe eingestellt, weil sich die erwarteten wirtschaftlichen Erfolge nicht einstellen beziehungsweise weil die Komplexität der Implementierung unterschätzt wurde.

Eine Analyse solcher fehlgeschlagener Projekte zeigt, daß sich die Mißerfolge im Kern auf drei Ursachen zurückführen lassen.

Fehlender Geschäftsbezug: Der Aufbau von CRM wird als reines IT-Projekt ohne eindeutige Unterstützung durch die Firmenleitung gestartet. Gibt es keine unternehmensseitigen Vorgaben, wird die IT-Infrastruktur überdimensioniert: Man will sich alle späteren Anwendungsoptionen offenhalten. Ein typischer Fehler ist es, das Data-Warehouse an alle operativen Systeme und Kundenkontaktpunkte anzubinden und darüber hinaus mit sehr kurzen Antwortzeiten auszustatten. Fehlt ein Business-Case und der zugehörige Business-Sponsor, wird das IT-Projekt bei Verzögerungen oder allgemeinem Kostendruck schnell repriorisiert beziehungsweise eingestellt.

Mangelnde Priorisierung: Der Implementierungsfahrplan ist zu komplex. So wird beispielsweise parallel damit begonnen, mehrere operative Systeme und Kundenkontaktpunkte an das DataWarehouse anzubinden.

Mangelnde Koordination: CRM ist oftmals das erste organisationsübergreifende IT-Projekt. In Unternehmen mit dezentral organisierten IT-Abteilungen und bei unklaren Zuständigkeiten kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten in der Umsetzung führen.

Die Kernprobleme beim Aufbau von CRM-Systemen liegen damit in der Regel nicht in fehlender fachlicher Qualifikation der IT-Bereiche begründet, sondern in Mängeln beim Implementierungs- beziehungsweise Komplexitäts-Management.

Wird ein CRM-System erfolgreich implementiert, ist es von Beginn an klar auf den zu erzielenden Geschäftsnutzen ausgerichtet und verfolgt einen schrittweisen Aufbau der Systemlandschaft. Die benötigten Systeme werden dabei so ausgelegt, daß:

-die implementierte Funktionalität und Datenkomplexität den CRM-Skills der Marketing-Organisation entsprechen und sich auch tatsächlich nutzen lassen.

-sich den erforderlichen Investitionen möglichst frühzeitig ein wirtschaftlicher Nutzen gegenüberstellen läßt.

-die Gesamtkomplexität des Systemaufbaus handhabbar bleibt.

Eine Versicherung beispielsweise verzichtete beim Aufbau eines CRM-basierten Cross-Selling in der ersten Implementierung bewußt auf die Einbindung externer geodemografischer Daten und auf Analysen zur Kundenprofitabilität. Außerdem wurden nur Daten aus dem Bereich Sach- und Kfz-Versicherung herangezogen, auf die Anbindung von Daten zur Lebens- und Krankenversicherung aber verzichtet. Da kein vollständiges spartenübergreifendes Bild vom Kunden erstellt wurde, ließ sich die Komplexität reduzieren. Das Datenmodell war funktionsfähig, enthielt mehr als 200 Kundenmerkmale und stellte so eine im Vergleich zur Ausgangslage wesentlich verbesserte Analyseplattform dar. Vorherige Analysen waren lediglich auf der Basis des Alters der Kunden und der existierenden Produktpalette durchgeführt worden. Anstelle einer vollständigen Data-Warehouse-Lösung baute man zunächst nur einen entsprechenden Data-Mart auf, um die Daten zur Sach- und Kfz-Versicherung zu analysieren und hieraus ein Bild vom Kunden zu entwerfen.

Einstieg mit Pilotprojekten

Das Projekt wurde innerhalb eines halben Jahres mit relativ geringen Investitionen implementiert und zeigte bereits in den ersten Monaten wesentlich bessere Verkaufserfolge. In nachfolgenden Implementierungsstufen wurde das Datenmodell dann schrittweise auf die übrigen Sparten ausgedehnt und der Data-Mart mittels eines Data-Warehouse an die operativen Datenbestände angebunden.

Einen geeigneten Einstieg in eine solche stufenweise Implementierung von CRM-Systemen bilden Pilotprojekte. Diese dienen gleichermaßen als CRM-Lernumgebung und als Katalysator, um eine breite Geschäftsunterstützung zu erhalten. Bei der Pilotierung von CRM-Projekten hat sich folgendes Vorgehen bewährt:

Festlegung der groben wirtschaftlichen Ziele, die mit dem Pilotprojekt erreicht werden sollen. Zum Beispiel: Erhöhung der Selling-Rate, Erhöhung der Cross-Selling-Rate, Verringerung der Stornoquote, Verbesserung des Kundenservices. Wichtig ist, daß man sich bereits bei der Festlegung dieser Ziele darüber Gedanken macht, wie sich die Ergebnisse später messen lassen.

Nachfrage nach CRM-Analysen steigt

Entwicklung von Hypothesen, wie sich die Ziele durch eine verbesserte Kenntnis des Kunden erreichen lassen. In der Regel genügen hierzu einige Brainstorming-Sitzungen mit Produkt- und Vertriebsmitarbeitern. Ergebnis könnten beispielsweise fünf typische Merkmale für Kunden sein, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Produkt kaufen werden.

Überprüfung dieser Hypothesen durch einfache, eindimensionale Kundenbestandsanalysen. So wurde im Beispiel der Versicherung überprüft, ob die ausgewählten Merkmale tatsächlich mit der Kaufwahrscheinlichkeit der Kunden korrelieren; gegebenenfalls muß die Hypothese angepaßt werden.

Auf dieser Basis läßt sich eine erste Bewertung des möglichen wirtschaftlichen Nutzens durchführen. Diese A-priori-Wirtschaftlichkeitsanalyse bildet eine gute Basis, um bereits zu Beginn des Pilotprojekts eine starke Unterstützung durch die Unternehmensleitung zu bekommen.

Entwerfen eines Kundenbilds, zum Beispiel aus manuell durchgeführten Datenabzügen, die in einer separaten Datenbank aggregiert werden. Hier wird ein statistisches Analysepaket bereitgestellt, mit dem sich beispielsweise auf der Basis multilinearer Regression die Kaufwahrscheinlichkeit einzelner Kunden prognostizieren läßt .

Die erfolgreiche Durchführung eines oder mehrerer solcher Pilotprojekte führt zu einer unternehmensseitigen Nachfrage nach verbesserten CRM-Analysen. Der Ansatz wird auf weitere Produktgruppen beziehungsweise Vertriebskanäle ausgedehnt. Spätestens jetzt sollte man von dem beschriebenen "Try it, do it, fix it"-Approach auf der IT-Seite zu einer langfristig geplanten CRM-IT-Architektur übergehen, die die Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau der Systemlandschaft festlegt. Dieser Ausbau sollte aber nach wie vor möglichst synchron mit konkreten Geschäftsanforderungen erfolgen.

Auf diese Weise lassen sich die ehrgeizigen Ziele eines ausgefeilten Customer-Relationship-Managements wirkungsvoll in der Praxis umsetzen - erfolgreiche Unternehmen haben das bewiesen. Neben der Steigerung der Profitabilität und der Kundenbindung wird dadurch gleichzeitig die Basis für dringend erforderliche Veränderungen im Vertriebsansatz geschaffen - hin zu einem abgestimmten Zusammenspiel aller Vertriebskanäle (Multi-Channel-Management).

ANGEKLICKT

CRM-Programme können wirtschaftlich sehr effektiv sein. So waren Versicherungsunternehmen in der Lage, ihre Stornoquote um bis zu einen Prozentpunkt zu senken, indem sie Kunden, die ihre Policen mit hoher Wahrscheinlichkeit storniert hätten, gezielt ansprachen. Das Ergebnis: zusätzliche Deckungsbeiträge in Millionenhöhe. Mit Cross-Selling-Programmen lassen sich die Verkaufserfolge durch dirktes Kontaktieren ausgewählter Kunden die Verkaufserfolge um bis zu 30 Prozent erhöhen. Die Umsetzung von CRM ist für die meisten Unternehmen jedoch eine große Hürde. Zum einen gibt es organisatorische Schwierigkeiten, zum anderen erfordert ein vollausgebautes CRM-Programm die Bereitstellung einer komplexen IT-Infrastruktur, was Investitionen in Höhe von 50 bis 100 Millionen Mark bedeuten kann.

*Dr. Markus Müller ist Senior-Projektleiter im Business Technology Office (BTO) von McKinsey & Company in Frankfurt am Main.