E-Commerce, Datenqualität & CRM

Die größten Fehler im globalen Online-Handel

03.04.2013
Von 
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Holger Wandt ist seit 1991 für Human Inference tätig. Als Sprachwissenschaftler hat er viele Jahre an der Erfassung, Pflege und Qualität des Wissens, das die Produkte von Human Inference auszeichnet, gearbeitet. In seiner heutigen Position als Principal Advisor ist er verantwortlich für alle wissensbezogenen Fragen zur Datenqualität. Er ist der  Experte auf dem Gebiet der Interpretation von Kundendaten durch natural language processing, wobei wissensbasierte Verfahren  zum Einsatz kommen, die Einsichten der Computerlinguistik zur Spracherkennung und -synthese anwenden.  Diese Verfahren sind  die Grundlage des Erfolgs der Produktsuite von Human Inference. Daneben ist Dr. Wandt ein vielgefragter Referent auf (inter)nationalen Kongressen, Studienleiter der Masterclass Data Quality Management an der Nyenrode Buisnessuniversität und Dozent der linguistischen Fakultät an der Universität Utrecht Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE MicrosoftInternetExplorer4

Für Unternehmen, die international Online-Handel betreiben, ist ein fundiertes Management der Adressen geschäftskritisch. Wer nicht in die Qualität der Daten investiert und CRM-Systeme entsprechend ausstattet, verliert Geld und Kunden. Hier finden Sie Tipps, wie der E-Commerce nicht zur Pleite wird.

Nur noch zehn Prozent der Online-Shops in Deutschland, so die Studie "Geschäfte ohne Grenzen - E-Commerce international 2012" des Instituts ibi research an der Universität Regensburg, nehmen keine Aufträge aus dem Ausland an. 53 Prozent der Internet-Händler verkaufen hingegen aktiv in die europäischen Nachbarländer, elf Prozent planen dies in naher Zukunft. Das Potenzial des grenzüberschreitenden Online-Handels ist damit allerdings noch längst nicht ausgeschöpft, denn fast die Hälfte aller Web-Shops in Deutschland verfolgt keine planmäßige Strategie in Sachen Internationalisierung und Datenqualität.

Nach einer Studie von eBay betrachten 77 Prozent der befragten Händler Zölle und Einfuhrgebühren als größtes Hindernis für den Export ins außereuropäische Ausland. Innerhalb der EU stehen die hohen Kosten beim internationalen Versand mit ebenfalls 77 Prozent an erster Stelle der Hürden für den grenzüberschreitenden Handel. Weitere Barrieren für den E-Commerce sind nach Meinung der befragten Online-Shops national unterschiedliche rechtlichen Bestimmungen (51 Prozent), unzureichende internationale Versandservices (40 Prozent), fehlende Kenntnisse der ausländischen Märkte (33 Prozent) sowie Sprachbarrieren (32 Prozent).

In der Tat ist der grenzüberschreitende Handel eine Herausforderung. Das fängt schon bei den Adressdaten an. Während Firmen in Deutschland noch den Adressänderungsservice der Deutschen Post in Anspruch nehmen können, um Kundendateien auf dem aktuellen Stand zu halten, hilft dieser Weg bei Online-Geschäften mit dem Ausland nicht wirklich weiter. Bereits im inländischen E-Commerce müssen Handelsunternehmen heute eine Menge Geld investieren, um Aufgaben wie die einheitliche Sicht auf die Kundendaten, Datenintegration, Betrugsverhinderung, Minimierung der operativen Risiken sowie die Einhaltung von Compliance-Bestimmungen zu bewältigen. Sollen über die Landesgrenzen hinaus Geschäfte gemacht werden, kommt unter den genannten Aspekten zusätzlicher Aufwand auf den Online-Händler zu.

Der Name kann zur Falle werden

Foto: limpido, Shutterstock.com

Firmen, die internationale Geschäfte machen wollen, denken nicht automatisch daran, dass sie es selbst im europäischen im Ausland mit einer Vielfalt an Sprachen, Namen, Adresskonventionen und anderen Gewohnheiten und Regeln zu tun haben. Diese sind oft nur im kulturellen Kontext des jeweiligen Landes zu verstehen, und häufig ist deren Bedeutung abhängig von semantischen sowie syntaktischen Zusammenhängen.

In Island und Russland werden zum Beispiel Namensteile oft auf den Vornamen des Vaters zurückgeführt. In Russland heißen Sohn und Tochter von "Ivan Golubevs" dann etwa "Sergei Ivanovich Golubev" und "Olga Ivanovna Golubeva". Auch mit den Vorsilben muss man aufpassen: Sucht man den Namen "Van Dam", dann findet man ihn in Großbritannien unter dem Buchstaben "V". In den Niederlanden wird dieser Name jedoch unter dem Buchstaben "D" gelistet.

Postleitzahlen als Herausforderung

Die Interpretation und Verarbeitung von Postadressen in den einzelnen europäischen Ländern ist ebenfalls kein leichtes Unterfangen. Die Vielfalt der Adressbestandteile und die Unterschiede bei deren Anordnung und Formatierung sind groß. So existieren in Irland beispielsweise keine Postleitzahlen und in Frankreich steht die Hausnummer vor der Straße. Dort gibt es zwar eine verbindliche Regelung, die von der "Association Française de Normalisation" (AFNOR) festgelegt wurde und die einheitliche Schreibweise von Postadressen definiert. Doch in der Praxis ist das leider nicht so klar, auch wenn der "Service National de l’Adresse" (SNA) Referenzdatensätze veröffentlicht hat, an die man sich nur zu halten braucht und Empfängerdaten für Pakete nach Frankreich überprüfen kann.

Das ist auch dringend notwendig, denn das Postleitzahlensystem unterscheidet sich in Frankreich sehr stark von dem anderer Länder wie etwa Deutschland. In Frankreich teilen sich verschiedene Standorte oft dieselbe Postleitzahl. Außerdem bietet die staatliche Post "La Poste" Cedex (Courrier d’Entreprise à Distribution Exceptionnelle) in Frankreich einen Lieferservice für Unternehmen, dessen Anschrift nicht unbedingt in der postalisch gleichen Stadt wie der Empfänger einer Sendung liegen muss. Ein Beispiel ist folgende Adresse:

M. Legendre Pierre

La Butte

50540 CHALANDREY

Dann schreibt die SNA-Referenzdatenbank Folgendes vor:

M. Legendre Pierre

LA BUTTE

MONTGOTHIER

50540 ISIGNY LE BUAT

Chalandrey ist ein Standort, der zur Poststelle Isigny le Buat gehört und dieselbe Postleitzahl nutzt. Aber La Butte ist keinesfalls ein Teil von Chalandrey, sondern von Montgothier - mit derselben Postleitzahl wie Isigny le Buat. Und damit nicht genug: CHALANDREY, LA MANCELLIERE, LE MESNIL BOEUFS, LE MESNIL THEBAULT, LES BIARDS, MONTGOTHIER, MONTIGNY, NAFTEL, VEZINS - alle diese Orte haben dieselbe Postleitzahl 50540 mit ISIGNY LE BUAT als zuständigem Postamt. Und jede dieser Gemeinden hat natürlich ihre eigenen Durchgangsstraßen und Räumlichkeiten, die es zu überprüfen und berücksichtigen gilt. Gelingt es nicht, den richtigen Kunden zu identifizieren und ihm das Paket zuzustellen, erwartet den Online-Händler eine teure Retoure. Vom Ärger mit dem unzufriedenen Kunden ganz zu schweigen.

Digitale und menschliche Intelligenz kombinieren

Um Kosten zu reduzieren und Rückläufer zu vermeiden, ist es sinnvoll, bereits im Vorfeld die Adresse zu validieren, wozu eine von der SNA zertifizierte Software erforderlich ist. Idealerweise sollte computergestützte Schlussfolgerungen mit der menschlichen Intelligenz kombiniert werden. Denn die in Deutschland noch einigermaßen zuverlässig arbeitenden mathematischen Prozeduren zur Dublettenerkennung und Adressvalidierung stoßen bei europaweiten Kundendatenbanken sehr schnell an ihre Grenzen.

Neben den herkömmlichen mathematischen Verfahren kommen deshalb in der Datenqualitätssoftware zunehmend auch auf Wissen basierende Methoden zum Einsatz, die Einsichten der Computer-Linguistik zur Spracherkennung und -synthese anwenden. Im Ergebnis wird eine deutlich höhere Erkennungsquote von Dubletten erreicht - und das über Länder- und Sprachgrenzen hinweg. International tätige Online-Händler sollten von vorneherein in die Qualität ihrer Daten investieren. Denn Namen und Adressdaten falsch zu erfassen, ist ganz einfach. Ausgesprochen kompliziert wird dagegen die Kontrolle, ob die für den Versand benötigten Informationen korrekt, eindeutig und vollständig sind.

Doch mit der richtigen Schreibweise der Namen und Anschriften alleine ist es nicht getan. Hinzu kommen die verschiedenen Sprachen, Zeichensätze, Datenschutzregelungen, Schreibweisen bei Datum und Währungen, die beachtet werden müssen. Unternehmen, die in ihren CRM-Systemen internationale Kundendaten verarbeiten wollen, sind sehr stark auf das Verständnis von Namensbesonderheiten, Adresskonventionen, Sprachfeinheiten, Geschäftsregeln, den Verhaltensnormen und dem kulturellen Hintergrund des jeweiligen Landes angewiesen. Sonst ist die internationale Expansion des Geschäfts schneller vorbei als sie begonnen hat. (pg)