Blick in die Glaskugel/IKT-Markt Deutschland 2004

Die goldenen Zeiten sind vorbei

09.01.2004
Viele Marktteilnehmer blicken mit großem Optimismus dem Jahr 2004 entgegen. Diese Euphorie teilen die Analysten von Techconsult nicht. Der Markt für Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) werde sich vielmehr sehr differenziert entwickeln, ohne an die goldenen Zeiten der Vergangenheit anzuknüpfen.Von Andreas Zilch*

Insgesamt ist für den deutschen IKT-Markt 2004 ein leichtes Wachstum von zwei bis vier Prozent zu erwarten. Allerdings werden sich nicht alle Marktsegmente positiv entwickeln. Außerdem hängt ein möglicher Anstieg von vielen Einflussfaktoren ab, die wenig mit der IT zu tun haben - zum Beispiel wie die Steuerreform sich in Deutschland auswirkt und wie sich der Euro im Verhältnis zum Dollar entwickelt. Trotz dieser Einschränkungen lassen sich einige grundlegende Trends in den einzelnen Marktsegmenten beschreiben.

Notebooks bleiben gefragt

Hardwareanbieter können etwas aufatmen: Die Analysen von Techconsult zeigen für 2004 eine langsame, aber stetige Stabilisierung des ihres Marktes in Deutschland.

Insbesondere bei den portablen Rechnern ist im kommenden Jahr ein Investitionszuwachs von drei bis fünf Prozent zu erwarten. Investiert wird dabei maßgeblich in Notebooks. Das Wachstum nach Stückzahlen wird 2004 etwa acht bis zehn Prozent betragen. Dies entspricht annähernd einer neuen Million Notebooks in Deutschland 2004 - nur im B-to-B-Markt. Vor allem öffentliche Verwaltungen, die Industrie sowie Banken und Versicherungen zeigen sich in Sachen Portables wieder investitionsfreudiger.

Bei Desktops tut sich 2004 nicht viel, zumal ein starker Migrationsprozess hin zu portablen Systemen zu verzeichnen ist.

Tischcomputer unterliegen genau wie andere Hardwareprodukte einem relativ starken Preisdruck. Fallende Stückpreise werden nur zum Teil durch höhere Absatzmengen kompensiert. Bei relativ konstanten Ausgaben dürften im kommenden etwa zwei bis vier Prozent mehr Desktops abgesetzt werden als 2003, also zirka 4,3 Millionen Stück. Nennenswert in Tischrechner investieren werden Dienstleister, die öffentliche Hand und die Industrie.

Die Bedeutung des Preisverfalls spiegelt sich besonders im Server-Bereich wider. Den um voraussichtlich um zwei bis drei Prozent auf etwa 4,6 Milliarden Euro schrumpfenden Ausgaben deutscher Unternehmen für Server-Produkte (zirka 4,6 Milliarden Euro im Jahr 2004) steht ein moderates Wachstum der Stückzahlen gegenüber. 2004 steigt insbesondere die Nachfrage nach den immer leistungsfähiger werdenden und kostengünstigeren Intel- und Intel-kompatiblen Multiprozessor-Systemen. Die Industrie, Energie- und Wasserversorgung sowie die öffentlichen Verwaltungen sind Branchen mit maßgeblichen Steigerungsraten. Neben den herkömmlichen Multiprozessor-Servern bringen die Itanium-Technologie und darauf basierende Produkte einen klaren Wachstumsimpuls.

Nicht so gut sieht es dagegen im Non-Intel-Segment aus: Hier schrumpft der Markt in den nächsten Jahren weiter deutlich. Die Zahlen zeigen insbesondere sinkende Nachfrage nach Unix-Servern (Auslieferungen minus sieben bis neun Prozent) und proprietären Systemen (Auslieferungen minus zehn bis 15 Prozent).

Das Wachstum von Linux im Server-Segment kann insgesamt als stetig bezeichnet werden (also auch hier keineswegs überwältigend), bei den Linux-Desktops zeigt sich sogar eine leichte Ernüchterung auf Seiten der Anwender.

Insgesamt können sich Unternehmen bei der Hardware weiterhin auf ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis freuen. Bei den Gesamtkosten treten reine Stückkosten in den Hintergrund, da andere Komponenten und Dienstleistungen einen wesentlich höheren Anteil haben (Services, Wartung, Kontinuität, erweiterte Garantie, Software-Packages, Schnittstellen-Konfiguration, hierauf müssen sich auch die Einkaufsabteilungen einstellen. Anbieter müssen mit einem knallharten Verdrängungswettbewerb rechnen, der insbesondere über die Geschäftsmodelle (optimierte interne Kostenstrukturen) und das zusätzliche Serviceangebot für den Anwender entschieden wird.

Konsolidierungsphase noch nicht beendet

Der Softwaremarkt ist geprägt von starken Konsolidierungstendenzen. Die Anzahl der unabhängigen Softwareanbieter wird in Deutschland in den nächsten Jahren deutlich sinken. Aus Anwendersicht empfiehlt es sich daher, stark auf die Zukunftssicherheit des Anbieters zu achten, die allerdings nicht mit seiner absoluten Größe gleichzusetzen ist.

ERP (Enterprise Resource Planning) bleibt weiterhin ein sehr wichtiges Thema, da es mehr und mehr zum Rückgrat der meisten Unternehmensanwendungen wird. In diesen Markt ist im letzten Jahr durch die Mittelstandsinitiativen von SAP und Microsoft Business Solutions viel Bewegung gekommen. Obwohl es noch eine Zeit dauern wird, bis die "Großen" komplett Fuß gefasst haben, ist auch hier der Konsolidierungstrend unabwendbar. Dies bedeutet aber keineswegs, dass alle bisherigen Anbieter von Mittelstands-ERP-Lösungen vom Markt verschwinden - markt- und kundenorientierte ERP-Anbieter mit innovativen und soliden Produkten werden durch den Ausleseprozess vielmehr weiter gestärkt.

Die Herausforderung für die Softwareanbieter lautet 2004, die Geschäftsprozesse ihrer Kunden (und deren Lieferanten sowie Kunden) noch besser zu verstehen und Produkte und Implementierungsservices dementsprechend anzupassen. Dies wird schon seit Jahren proklamiert und hört sich zunächst trivial an, bedeutet aber für die meisten Anbieter ein komplettes Umdenken.

Mit dem Slogan "Software wird zum Service" haben die Anbieter ihr Ziel formuliert, aber noch keineswegs erreicht. Obwohl Flexibilisierung und Dynamisierung grundsätzlich richtig sind, reagieren Anwender nicht gerade enthusiastisch auf das Angebot. Der Markt entwickelt sich langsamer als erwartet. Die Anbieter sind gefordert, statt markiger Marketing-Sprüche den konkreten Nutzen anhand von Fallbeispielen und Referenzen nachzuweisen.

Erholung im TK-Sektor

Der deutsche Markt für Netz-Hardware und Telekommunikations-Equipment erholt sich 2004 nach der bisherigen Rückwärtsentwicklung wieder.

Das Marktvolumen wächst um zwei bis drei Prozent auf etwa sieben Milliarden Euro. Der Markt für TK-Hardware schrumpft allerdings wegen des anhaltenden Preisverfalls bei den klassischen Telefonanlagen sogar noch weiter.

Es gibt jedoch auch Lichtblicke, die Marktsegmente mit überdurchschnittlichem Wachstum. Die Aussicht auf größere Flexibilität und reduzierte Betriebskosten bewegt immer mehr Communications-Verantwortliche in den Unternehmen, über Voice over IP nicht nur nachzudenken, sondern tatsächlich den Einstieg zu wagen. Zunächst meist noch in abgegrenzten Unternehmensteilen, Niederlassungen oder Testumgebungen, um Erfahrungen für den als nicht risikolos empfundenen Umstieg zu gewinnen. Somit steigt das Marktvolumen 2004 voraussichtlich auf über 200 Millionen Euro.

Größere Flexibilität ist auch der Treiber für den derzeitigen Kommunikationstrend, Wireless LAN. Die wachsende Verbreitung mobiler Rechner verstärkt das Bedürfnis nach ortsunabhängigem Datenzugriff, der mit Hilfe drahtloser Netze möglich wird. Gleich ob im Unternehmen oder an entsprechend ausgestatteten Hotspots, werden aktuell Dateien, E-Mails und überhaupt das Internet verfügbar. Öffentliche drahtlose Zugänge finden sich an immer mehr Orten. Während bisher vor allem Business-Hotels und Flughäfen mit Public WLANs aufwarteten, werden diese Dienste im kommenden Jahr vermehrt auch an Orten jenseits der "Jet-Set"-Zielgruppe anzutreffen sein. So ist beispielsweise die Ausstattung der Autobahn-Raststätten in Deutschland mit drahtlosen Zugangspunkten vorgesehen. Der Markt für WLAN-Equipment expandiert 2004 entsprechend stark um annähernd 25 Prozent auf über 230 Millionen Euro. Die bisher noch in viele "WLAN-Kleinstaaten" zersplitterte Landkarte wird zunehmend auf wenige Anbieter, nämlich die Mobilfunkbetreiber aufgeteilt werden.

Jüngstes Beispiel ist die Übernahme des größten österreichischen Public-WLAN-Betreibers Metronet durch T-Mobile. Solche Zusammenschlüsse begünstigt auch der Wunsch der Anwender nach komfortabler Abrechnung und störungsfreiem Roaming. Wesentlicher Hemmschuh einer stärkeren Verbreitung von Wireless LANs ist die häufig als mangelhaft angesehene Sicherheit, nachdem in Pressebeiträgen der häufig leichtgemachte unautorisierte Netzzugang beschrieben wurde.

Das Bedürfnis nach mehr Sicherheit in der Internet-Nutzung und zunehmende Fernzugriffe auf lokale Netzwerke verstärken das Interesse an VPN-Lösungen. 2004 wird der Markt für VPN-Hard- und -Software um fast 30 Prozent auf über 135 Millionen Euro zulegen.

Outsourcing muss sich jetzt beweisen

Im Services-Markt werden 2004 die durchgreifendsten Veränderungen zu beobachten sein. Hier setzt sich fort, was 2003 bereits begonnen hat. Bei den Projekt-Services (dem klassischen "People Business") wurde durch die jetzt bestehenden Überkapazitäten ein extremer Preisverfall eingeläutet. Wo in Zeiten des E-Business-Hypes noch durchschnittliche Tagessätze zwischen 1250 und 1400 Euro erzielbar waren, liegen die Preise nunmehr zwischen 900 und 1100 Euro.

Outsourcing könnte sich 2004 zum Megatrend mausern - aber dafür müssen sich bei den kürzlich gestarteten Projekten schnell positive Ergebnisse einstellen. Es herrscht noch eine sehr starke Kostenorientierung ("Wir werden durch Outsourcing unsere IT-Kosten um 30 Prozent senken!"). Diese Zielmarken sind von den Outsourcern allerdings kaum zu erreichen. Zusätzlich soll die Qualität gegenüber der Inhouse-Lösung zumindest gehalten und oft noch verbessert werden. Auch hier sind die Erwartungen in der Regel hoch.

Neue Themen wie BPO (Business Process Outsourcing) können zusätzliche Wachstumsimpulse schaffen, aber Theorie und Umsetzung klaffen derzeit noch weit auseinander. Das Gleiche gilt für das "On-Demand"-Thema, auch hier sollten Anwender und Anbieter nicht allzu viel Marktvolumen in Deutschland 2004 erwarten.

Offshore-Applikationsentwicklung und Services werden derzeit heiß diskutiert. Sicher werden mehrere große IKT-Anbieter und einige große IKT-Anwender versuchen, die potenziellen Kostenvorteile zu nutzen. Für den gesamten deutschen Markt sieht Techconsult das Thema allerdings derzeit eher kritisch, insbesondere wegen der nicht zu unterschätzenden Sprachbarriere. 2004 werden einige Versuche mit Offshore-Ourtsourcing unternommen. Die weitere Entwicklung ist von den Resultaten abhängig.

Wirtschaftlichkeit nachweisen

Im Zusammenhang mit der starken Outsourcing-Nachfrage steht auch die Frage nach der internen Positionierung der IKT-Abteilungen. Der reine "Verwalter" der Infrastruktur ist definitiv zu wenig, der lässt sich in vielen Fällen wesentlich besser "outsourcen". Den internen Dienstleistern muss es vielmehr gelingen, die Verbesserung der Geschäftsprozesse in den Fachabteilungen wirklich mit Technologie zu unterstützen. Weiterhin sind sie aufgefordert, die Wirtschaftlichkeit von IKT-Investitionen nachzuweisen. Dies bedeutet neben der Herausforderung auch eine große Chance für die IKT-Abteilungen, den reinen "Cost Cutting" Forderungen positiv entgegenzutreten.

Diese erweiterten Anforderungen bedeuten allerdings ein ziemlich radikales Umdenken, welches nach Erkenntnissen von Techconsult in vielen Abteilungen - auch im Mittelstand - schon eingesetzt hat. Somit entwickelt sich 2004 bei den internen IKT-Dienstleistern eine "Zwei-Klassen-Gesellschaft": "Gute" Abteilungen werden nachweisbar zum Geschäftserfolg beitragen, "schlechte" werden sich (zumeist erfolglos) gegen Outsourcing-Bestrebungen wehren müssen. (ciw)

*Andreas Zilch ist Managing Director Consulting der Techconsult GmbH.

Trends & Tipps

- Hardware: Portable Rechner werden mit einem Wachstum von acht bis zehn Prozent stärker nachgefragt als Desktops (zwei bis vier Prozent).

- Software: Konsolidierung ist das vorherrschende Thema. Aus Anwendersicht ist es wichtig, auf die Zukunftssicherheit des Anbieters zu achten.

- Kommunikation: Der Markt erholt sich langsam wieder: Zwei bis drei Prozent Wachstum sind drin.

- Services: Extremer Preisverfall und Outsourcing bestimmen das Bild. Sprachbarriere nicht unterschätzen!

Abb.1: Für Services wird am meisten ausgegeben

Hardwareanbieter können aufatmen: Der Markt stabilisiert sich langsam. Bei Services haben Überkapazitäten einen extremen Preisverfall bewirkt. Quelle: Techconsult GmbH

Abb.2: Wachstum bei mobilen Systemen

Bei Desktops wird sich 2004 nicht viel tun, es besteht ein starker Trend hin zu portablen Systemen. Quelle: Techconsult

Abb.3: Der VPN-Markt explodiert

Der Markt für VPN-Hard- und -Software wird um knapp 28 Prozent wachsen. Quelle: Techconsult

Abb.4: Mehr Geld für Kommunikation

Der deutsche Markt für Communications erholt sich: 6,8 Milliarden Euro werden erwartet. Quelle: Techconsult