"Die Glasfaser muß zum nationalen Programm erhoben werden"

27.01.1984

- Herr Arnold, für die mittel- und langfristige Planung der Informations- und Kommunikationsaktivitäten der Unternehmen setzt das Jahr 1984 einen starken Akzent. Das 64-K-Modellnetz ist da, das heißt also, es gibt neue Normen. Welche Wirkungen werden von diesem Modellnetz eines künftigen ISDN (Integrated Services Digital Network) ausgehen, auf den Anwender, auf die Hersteller und besonders auf die Endgeräte-Entwicklung?

Da wäre zunächst die Frage zu stellen, was kann ich mit den 64 Kbit pro Sekunde machen? Um das - und hierzu zählen auch die Nebenstellenanlagen - nutzen zu können, müssen in den nächsten zwei Jahren Endgeräte entwickelt werden, um eine Auswechslung oder Ergänzung der großen Nebenstellenanlagen zu ermöglichen, beginnend ab 1985/ 86. Das öffentliche digitale ISDN-Netz, die ISDN-Nebenstellenanlage und andere ISDN-Endgeräte müssen zeitlich parallel entwickelt werden. Dies ist eine Aufforderung an die Hersteller - und im übrigen auch der einzig wahre Grund für das 64 Kbit-Modellnetz, das die Post als Vorläufer von ISDN im Jahre 1981 beschlossen hat. Denn Endgeräte werden nicht entwickelt, solange die zugehörigen Netze nicht exakt beschlossen und geplant sind. Dies ist nun für die 64 Kbit pro Sekunde der Fall - und zwar im öffentlichen Bereich mit dem Modellnetz, wenn auch noch relativ teuer, und im privaten Bereich mit den digitalen Nebenstellenanlagen. Das ist heute und nicht Zukunft. Natürlich bedeutet das eine riesige Umstellung: Wieviele Bürokommunikationsgeräte gibt es denn, verglichen mit der Zahl der Telefone?

- Aber das ist das Marktpotential, daß die bisherige Nebenstellenanlage zum Bürokommunikationssystem wird - im Zuge des Wechsels von den alten Anlagen zu den neuen, digitalen. Bekanntlich gibt es unterschiedliche Marketing-Usancen in der nachrichtentechnischen und der Computerindustrie; wenn klassische DV-Hersteller Bürokommunikationssysteme - also heute oft "Mikronetze" oder PC-Netze mit allen möglichen Funktionen - installieren, dann sind diese Anlagen meist gekauft. Nebenstellenanlagen hingegen werden verleast. Und daraus ergeben sich unterschiedliche Marktpotentiale, weil in der nachrichtentechnischen Industrie langfristige Verträge vorherrschen. Wie beurteilen Sie diese Situation? Was soll ein "mittlerer" Anwender im Augenblick tun? Soll er noch weiter den Markt beobachten? Soll er sofort in ein PC-Netz einsteigen oder soll er noch warten, bis er eine digitale Nebenstellenanlage gegen seine alte austauschen kann?

Das wichtigste für den Anwender ist jetzt, daß er sich längerfristig ein Konzept macht, und nicht wie bisher immer nur das aktuellste Angebot nimmt, die aktuell von den Herstellern angebotene Technik für die Inhouse-Kommunikation dazu addiert und danach seine Anwendungen plant. Da sind manche Anwender heute schon ein bißchen vorsichtiger, indem sie die Entwicklung auf die nächsten drei, vier oder fünf Jahre betrachten. Aber selbst wenn man unterstellt, daß ein Anwender wirklich bis 87 sieht, dann hat er immer noch Schwierigkeiten. Er sagt zwar, wir müssen "was tun in der Bürokommunikation", aber wenn Sie ihn dann konkret fragen, dann sagt er, wir könnten mal mit PCs oder so etwas anfangen, aber so richtig weiß er eigentlich auch nicht, was man heute machen soll.

- Könnte man sagen, daß diese PC -Lösungen im Grunde genommen die Wegbereiter sind für die Inhouse-Kommunikation auf digitaler Nebenstellentechnik-Basis?

Das glaube ich wirklich.

- Was aber der Computerindustrie doch wohl etwas weh tun dürfte?

Nein, das sehe ich gar nicht so. Schließlich kann der Computerindustrie nichts besseres passieren, als wenn sie ohne jede Infrastrukturänderung heute sagen könnte, hier Anwender, das Telefon, das Du hast, das tauschen wir aus gegen ein Bildschirmtelefon, das dann auch gleichzeitig ein PC ist. Sonst brauchst Du bei Dir gar nicht viel zu ändern, auch wenn Du am Anfang nur damit telefonierst. Wie gesagt, der Computerindustrie konnte eigentlich gar nichts besseres passieren, weil der Anwender heute zwar nicht davor zurückscheut, "da so ein paar schicke Geräte zu kaufen", wohl aber davor, auch seine gesamte Netzstruktur ändern zu müssen und auch noch seine Hardware etc.; da sehe ach also wirklich die Chance der ISDN-Nebenstellenanlage. Und das ist gleichzeitig auch die Chance der Computerindustrie auf der Geräteseite.

- Mit dem Endgerät packe ich mir den Anwender?

Ja. Im Endgerät kann ich die Intelligenz einbauen. Das heißt konkret, daß die Nebenstellenanlagen im Zentrum der Inhouse-Kommunikation stehen. Das hat selbst IBM erkannt und war mit ein Grund für die Kooperation mit Rolm. Das Rolm-Konzept unterscheidet sich nicht vom Konzept deutscher Hersteller. Im Rolm-Konzept steht wirklich die Nebenstellenanlage im Mittelpunkt.

- Mit der internationalen Einigung auf den 64-Kbit-Kanal können also die Konzepte der Hersteller vielleicht in Kleinigkeiten abweichen, die Grundfunktionen aber müssen die gleichen sein?

Das ist klar.

- Dieses nachrichtentechnische Know-how ist also überlebenswichtig für die Computerindustrie?

Ja.

- Nun werden die Anwendungen ja auch von den Tarifen bestimmt: Netze und Endgeräte werden nicht genutzt, wenn die Tarife nicht günstig gestaltet sind. Wohin geht hier die Entwicklung? Wird sich die Post bei den leistungsvermittelnden Netzen den Fernsprechgebühren annähern oder wird es weiterhin mehr oder weniger große Unterschiede geben?

Also, zunächst einmal zu den Spezialnetzen wie Datex-L, Teletex, Datex-P, oder HfD und Kupferkoaxial-Verteilnetze. Hier gibt es meines Erachtens unterschiedliche Entwicklungen und die Sorge der Anwender daß die Post stärker kostenorientiert fahren wird. Der Zukunftsaspekt der Spezialnetze ist nämlich durch das ISDN nicht mehr gegeben, die Post muß hier jetzt auf kostengerechte Gebühren hinarbeiten. Da die wenigsten Spezialnetze kostendeckend sind - eigentlich außer dem Fernsprechnetz keines - heißt das zuerst einmal pauschal gesehen, daß alle teurer werden müssen. Das bedeutet, HfD oder festgeschaltete Leitungen werden teurer über die Volumentarifierung. Da hat die Post ja ihre Kurven verkündet, und für die "heavy Users" wird es auf jeden Fall ganz kräftig teurer. Das halte ich auch für richtig, weil es wirtschaftlich falsch ist, daß festgeschaltete Leitungen über Hunderte Kilometer als virtuelle Leitungen nur von einem benutzt werden und die übrige Zeit leerstehen.

Zweiter Punkt: Datex-P muß teurer werden. Datex-P ist in einem Kostendeckungsgrad, den man nicht akzeptieren kann - sicher weit unter 50 Prozent. Auch die Koaxialnetze waren bei den bisherigen Gebühren nicht kostedeckend und werden auch bei den neuen Gebühren nicht kostendeckend sein.

Allerdings auch nicht attraktiv für den Benutzer, weil sie relativ hoch sind.

Die Koax-Gebühren sind auch falsch in ihrer Struktur, das kommt noch dazu. Von Kostendeckung kann man deshalb gar nicht mehr reden. Sie sind zwar jetzt sehr hoch, aber wenn da, wo die Netze gebaut werden, keine Anschlußbereitschaft ist, dann bringen die hohen Gebühren nichts.

Die einzige Ausnahme bei dieser Entwicklung der Spezialnetze dürfte Datex-L sein, und zwar nicht, weil da nicht die gleiche Situation bestehen würde, sondern einfach deshalb, weil Datex-L und ISDN sich eigentlich bezüglich der Daten- und Textübertragung nicht mehr unterscheiden. Wenn Sie das 64-K-Modellnetz sehen, dann ist das schon ein Zwitter: es läuft auf den Vemittlungsstellen des IDN, die Verbindungsaufbauzeiten sind also in etwa gleich; bei ISDN werden sie ein bißchen länger sein, maximal zwei Sekunden, weil das Fernsprechnetz mehr Hierarchiestufen hat, es gibt ja nur 17 oder 18 Datenvermittlungsstellen, aber rund 3600 Fernsprechvermittlungsstellen. Datex-L-Anwendungen werden in Konkurrenz stehen mit allem, was leitungsvermittelt neu kommt. Die Verkehrsgebühren vom Modellnetz betragen schon heute nur noch das 2,6fache des analogen Kanals und sind schon billiger als die des 9600-Datex-L-Netzes. In meiner Studie habe ich geschrieben, daß die Einführungsgebühren für ISDN nicht höher sein sollten als maximal der Faktor 1,2 gegenüber der teuersten Gebühr für den analogen Fernsprechkanal. Das würde heißen, ein 64 Kbit-Kanal im ISDN sollte anfänglich nicht mehr kosten als eine Gebühreneinheit - 23 Pfennig - für neun bis zehn Sekunden Zeittakt. Das kann ich jetzt natürlich leicht fordern, wenn ich noch bei der Post wäre, würde ich mich nicht so konkret äußern.

Das heißt dann, daß die ISDN-Geschwindigkeit mit 64 Kbit pro Sekunde wesentlich billiger sein wird als das heutige Datex-L, aber es sind genau die gleichen Anwendungsformen. Im übrigen wird es wohl schon in den Anfangen einen Netzübergang von ISDN zu Datex-L geben. Spätestens 1986 müßte dafür einer der ersten Versuche gemacht werden. Das ist absolut lebenswichtig für ISDN und das gleiche, was man zwischen Telex und Teletex gemacht hat.

Das heißt, Datex-L wird wohl notgedrungen billiger werden müssen. Man könnte erwarten, daß 1984 eine Gebührensenkung von 20 Prozent kommt. Ob das aber wirklich gemacht wird, ist eine andere Sache.

- Aber es wäre wünschenswert und auch realisierbar?

Es wäre realisierbar. Also wenn ich bei der Post wäre, würde ich Datex-P verteuern und Datex-L verbilligen - und den Leuten auch erklären, warum.

Beim Modellnetz ist die Tendenz richtig: Die Verkehrsgebühren werden bei der Geschwindigkeit 64 KBit pro Sekunde erheblich billiger für Text- und Datenübertragung als bei den heutigen Datennetzen. Daß die Gebühren des Modellnetzes und vor allem die Grundgebühren nicht repräsentativ für ISDN sein können, ist klar.

- Wird es denn im ISDN spezielle Datenübertragungsgebühren geben?

Nein. Das ist einer der wichtigsten Punkte. Es gibt zwar Überlegungen in diese Richtung, aber - ich habe das auch in der Studie geschrieben - das wäre ein Schildbürgerstreich. Integrierte Netze machen überhaupt nur dann einen Sinn, wenn wirklich alle Dienste darauf aufbauen, und zwar nicht nur technologisch, sondern auch anwendungsmäßig. Der Anwender soll ja vom Technologiefortschritt profitieren. Für die geschäftliche Kommunikation ist das besonders wichtig, für die private Kommunikation, die ich für viele Jahre noch überwiegend in der Sprache sehe, glaube ich, daß der Technologiefortschritt nicht zu einer Verbilligung führen wird, eher zu einer Verteuerung. Auf alle Fälle kann die Tendenz - seit 1975 wurden die Fernsprechgebühren nur gesenkt - bei den Innovationsaufgaben der Post zum ISDN eigentlich nicht aufrecht erhalten werden. Das heißt konkret, die Verkehrsgebühren des ISDN sollen 1,2mal höher sein und die Einführungsgebühr das Drei- bis Fünffache der heutigen Telefon-Grundgebühr, also 81 bis 135 Mark monatlich, betragen, um einfach ISDN so attraktiv wie möglich zu machen und so schnell wie möglich den Umstieg zu schaffen. Ganz simpel. Durch die Gebühren würde ein Trend von den Datennetzen und dem HfD zum ISDN einsetzen.

- Was heißt das für die vorhandenen Datennetze?

Ich glaube nicht, daß die Post zum Beispiel noch weiter das heutige Datex-P-Netz ausbauen wird, wenn die Kapazitätsengpässe behoben sind, sondern daß sie 1985 eine neue Ausschreibung machen muß für ein ganz neues Datex-P-System, ein echtes Nachfolgesystem.

- Ein gänzlich neues Datex-P?

Nein, einfach eine Nachfolgetechnik, die erstens besser ist von der Software her und die auf das Jahr 1995 ausgelegt ist. Man muß doch sehen, daß wir den Bildschirmtext-Rechnerverbund nun mal auf Datex-P abgestützt haben und dieses zusammenbrechen kann, wenn der Rechnerverbund wirklich so intensiv kommt, wie man heute vermutet.

- Diese technologische Entwicklung läßt sich ja ohne entsprechende finanzielle Mittel nicht realisieren. Wenn man sieht, was die Bundespost für die Breitbandverkabelung ausgeben will dann fragt man sich, wie sie das eigentlich nebeneinander alles realisieren will? Kann es nicht sein, daß unter Umständen die geschäftliche Kommunikation - einfach auf Grund der Finanzlage - darunter zu leiden haben wird und die Prioritäten eben nicht so gesetzt werden, wie es wünschenswert wäre?

Das ist eigentlich meine wesentliche Besorgnis und auch mit ein Grund meiner Aktivitäten, die überhaupt nicht politischer Art sind. Man weiß, daß die Bundespost heute schon vier Milliarden Mark auf dem Geldmarkt aufnehmen muß. Wenn man ISDN wirklich schnellstens einführen will, heißt das vorzeitiges Auswechseln von Vermittlungsstellen, um schnellstens zumindest eine ISDN-Ortsvermittlungsstelle pro Ortsnetz zu bekommen; 70 Prozent der Vermittlungsstellen im Fernsprechnetz sind maximal erst zehn Jahre alt, wobei gerade dieses Alter technologisch gesehen eigentlich sehr unglücklich ist. Aber da konnte die Post nichts machen, die Nachfrage war eben in den letzten zehn Jahren sehr stark. Man weiß, daß die Post drei investitionsintensive Bereiche hat, die im wesentlichen nur sie verantworten kann, allenfalls mit Unterstützung des Forschungs- und Wirtschafts- oder sogar des Verteidigungsministeriums: nämlich ISDN, Glasfaser und Satellit. Der Satellit wurde jetzt endlich in Auftrag gegeben, der kostet über den Daumen schon eine Milliarde. Das halte ich noch für den kleinsten Betrag; auf fünf Jahre gesehen sind das 200 Millionen Mark pro Jahr, und das ist realisierbar. Bei ISDN stehen ganz andere Beträge zur Diskussion. Wenn man die vorzeitge Auswechslung von Vermittlungsstellen zugunsten schnellmöglicher Flächendeckung in Betracht zieht, dann muß man allein dafür mindestens 1,5 Milliarden zusätzlich zur Verfügung stellen.

- In welchem Zeitraum?

Pro Jahr ab 1986, weil vorher noch gar nicht geliefert werden kann. Aber die Zielrichtung sollte sein, jeweils 1,5 Milliarden in den nächsten 15 Jahren und zwar nicht für normale Ersatz-und Erweiterungsinvestitionen in der Vermittlungstechnik - die Summe dafür liegt bei 1,3 Milliarden -, sondern zusätzliche 1,5 Milliarden Mark für ISDN-Gerätetechnik.

- Das wären pro Jahr also zirka drei Milliarden für öffentliche Vermittlungstechnik?

Ja, für öffentliche Vermittlungstechnik, wenn man die Ausstattung der Teilnehmer-Anschlußleitungen mit hinzurechnet. Wenn heute eingewandt wird, die Musik spielt eigentlich im Glasfasernetz, ist das irreführend. Das wird heute in der Öffentlichkeit noch nicht gesehen, aber ISDN ist auch für Glasfasernetze die "precondition". Ohne ISDN kann es auch kein integriertes Glasfasernetz geben. Die Steuerung von ISDN ist ja schon vorgesehen für Breitbandnetze und ohne digitale Vermittlungstechnik hat ein Glasfasernetz keinen Sinn.

Wenn man außerdem weiß, daß die Japaner, die noch vor drei Jahren beim Einsatz der Glasfaser im Ortsnetz uns gegenüber zurückhaltender waren, heute Glasfaser zu einem Ziel ersten Ranges erklärt haben und die japanische Fernmeldeverwaltung innerhalb von 15 Jahren 230 Milliarden Mark für integrierte Netze investieren will, so muß das zu denken geben. Irgendwas Adäquates muß hier in der Bundesrepublik gefunden werden.

Man muß einfach von dieser simplen politischen Schwarz-weiß-Malerei, besser gesagt, Schwarz-rot-Malerei wegkommen, die den Blick fürs Wesentliche verstellt! Hier kann nur gesagt werden, wir müssen Glasfasernetze aufbauen und drei Milliarden Mark im Jahr zur Verfügung stellen. Bei den Firmen, die wirklich sehr viel getan haben in Sachen Glasfaser und die sich jetzt zwar nur vorsichtig äußern können (das kann man auch verstehen), wird gesagt, wenn da nicht in den nächsten zwei Jahren verbindlich gesagt wird, soundsoviel wird national abgenommen, dann halten wir unsere Entwicklungsmannschaft nicht. Und dann passiert in dieser neuen Schlüsseltechnologie eben das gleiche wie bei der EDV.

- Was passiert konkret, wenn diese Abnahmegarantie der Bundespost nicht kommt?

Naja, dann passiert folgendes, daß wir - die Faser selbst vergeß ich mal - die Komponenten und das innovative Know-how in Deutschland, jedenfalls bei den deutschen Herstellern, nicht haben können, einfach, weil sie die Mannschaften nicht halten können, aber im Export gegen Länder wie Frankreich oder England antreten sollen, die ganz gezielt ihren Markt forcieren. Das bedeutet, daß es bei uns keinen vergleichbaren "home market" gibt.

- Der aber wäre eine Voraussetzung für die Konkurrenzfähigkeit unserer stark exportorientierten Telekommunikationsindustrie, die ja vorläufig noch sehr stark ist.

Ja, ohne Heimmarkt ist die eben nicht mehr gegeben. Bei der Frage des Glasfasereinatzes spielt nicht so sehr eine Rolle, ob nun heute schon sehr viel von der Post abgenommen wird, sondern es muß eine Gewißheit" bestehen bei den Firmen, daß die Post den nichtbedarfsorientierten Einsatz der Glasfaser im Ortsnetz in etwa zwei Jahren wirklich forcieren wird und nicht wegen der in der Öffentlichkeit fälschlicherweise verstandenen Konkurrenz zum Koaxialkabel zögerlich behandelt. Diese Verunsicherung ist heute in der Industrie - und zwar nicht nur in der Großindustrie - vorhanden.

- Nun versteht sich das Postministerium, jedenfalls unter dem jetzigen Minister, erklärtermaßen und expressis verbis nicht als "das Entwicklungshilfeministerium der deutschen Industrie". Sollte man sich diesem Gedanken nicht doch wieder etwas mehr nähern? Allerdings vielleicht nicht nur von Seiten des Postministeriums, sondern auch von Seiten des Wirtschafts- und Forschungsministeriums? Wäre da nicht eine neue Art "konzertierter Aktion" zu erwägen, irgendetwas, was mit den japanischen Aktivitäten gleichzusetzen wäre?

Ja, meiner Meinung nach muß die Glasfaser zu einem nationalen Programm erhoben werden; das ist nicht nur eine Frage des Postministeriums, wobei die Post natürlich schon eine wesentliche Rolle spielt. Ich habe gehört, daß eine gemeinsame BMFT-Post-Gruppe gebildet werden soll, so daß ich eigentlich recht zuversichtlich bin, und das Wirtschaftsministerium drängt ja auch in Richtung nationale Strategien. Das Hauptproblem ist eben, daß diese Koax-Verkabelung so in die politische Diskussion geraten ist. Sie hat dazu geführt, daß Schwarz-Schilling heute nicht sagen kann, im Dortmunder Kabelpilotprojekt wird ein Versuch mit Glasfaseranschlüssen - wenn auch zeitlich versetzt - mitvorgesehen, zum Beispiel in der Innenstadt, wo Koaxialkabel zur Verteilung von Programmen kaum Sinn machen, weil fast nur Bürogebäude vorhanden sind. Die Reaktion wäre sofort, daß kein Gemeinderat sich mehr Koaxkabel in seine Stadt legen lassen würde.

Das geschieht aber auch nur deshalb, weil der Gemeinderat nicht versteht, daß gerade in Wohngebieten Koax und ISDN zusammen noch 20 Jahre ausreichen. Aber so ist die Situation nun einmal. Die politische Diskussion ist entstanden.....

-. .. durch die medienpolitische Diskussion

.... weil der technologische Durchbruch der Glasfaser gerade in die Zeit der medienpolitischen Diskussion fiel. Es ist sehr schädlich, daß das Koaxkabel schwarz und die Glasfaser rot angestrichen werden.

Mit Glasfaser muß was passieren, national passieren, und da darf man Ansätze, wie sie jetzt im Postministerium versucht werden, über Videokonferenz, die ich prinzipiell für gut halte, nicht als Lösung betrachten. Man darf nicht glauben, daß man über den Videokonferenzdienst die Glasfaser hochbringt. Das ist unmöglich. Insgesamt kann man nur hoffen, daß alle, die von diesem Sektor etwas verstehen, dazu beitragen können die Sache zu politisieren. Bei Koaxverkabelung war ich immer der Meinung, daß man das als Spezialnetz durchaus fördern soll. Aber man muß dabei bedenken, daß ein einfaches Kopieren der US-Situation - nur um zehn Jahre zeitversetzt - falsch ist. Ich bin mir heute noch nicht sicher, ob die Entwicklung selbst wenn das Netz flächendeckend vorhanden wäre, den gleichen Gang nehmen wurde wie in Amerika.

- Das kann offensichtlich auch Vorteile haben, mittlerweile ist ja die technologische Entwicklung eine ganz andere und die Voraussetzungen haben sich gewandelt. Wie man am Beispiel IBM sieht, muß es durchaus nicht von Nachteil sein etwas später in einen Markt einzusteigen. . .

Richtig.

-. . . und die Bundespost ist schließlich auch ein Unternehmen im Weltmarkt.

Ja. Ich selbst habe diese Kooperationsmodelle für die Koax-Netze innerhalb der Post noch vorgeschlagen, aber eben nicht nur aus Überzeugung, sondern auch als Abwehr gegen den Vorwurf, daß ich ständig die Breitband-Verkabelung verhindern wollte. Das stimmte aber nicht; ich habe nur gesagt, es ist kein Markt da, das ist ein Spezialnetz, das technologisch nicht zukunftsorientiert ist, man kann es deshalb nur da bauen, wo heute konkrete Nachfrage besteht. Daß diese politische Diskussion entstand, daran tragen die Post und ich selbst mit Schuld. Es wurde nämlich damals der Fehler gemacht, im Rahmen eines Konjunkturförderungsprogramms die Koax-Verkabelung von elf Städten vorzuschlagen.

Heute geht es bei der ganzen Koaxialverkabelungsdebatte eigentlich nur noch um die Frage, soll man flächendeckende Netze dieser Art nichtbedarfsorientiert bauen oder soll man einfach da verkabeln, wo es interessant ist? Das ist die ganze Verkabelungsdiskussion. Man soll sie nicht vermischen mit den Themen Innovation, Wirtschaftlichkeit etc.

- Gut. Kommen wir einmal auf jemanden zu sprechen, der sich etwas mehr um die geschäitliche Kommunikation kümmert, auf Herrn Späth. Man hat den Eindruck, daß Baden-Württemberg eine Art Vorreiterrolle übernommen hat in puncto Netzmodernisierung und Glasfaser, also auch im Zuge der nationalen Strategie, die Sie vorhin angesprochen haben.

Ich halte den Ansatz von Herrn Späth für technisch sinnvoll, wenn auch politisch für die Post nicht ungefährlich. Der Ansatz, daß die Länder ihre Wünsche detaillierter artikulieren, ist bei der wachsenden infrastrukturellen Bedeutung der Telekommunikation verständlich. Die Länder haben - außer im Postverwaltungsrat - in der Telekommunikation nach der Gesetzeslage überhaupt nichts mitzureden. Das halte ich auch für richtig im Hinblick auf andere Bereiche. Wenn Sie zum Beispiel den Bildschirmtext-Staatsvertrag nehmen, dann war der Einfluß der Länder nicht gerade hilfreich. Wenn Btx eingeführt worden wäre wie Teletex oder wie andere Fernmeldedienste, dann wäre das viel harmloser gegangen.

Also - und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) hat das sehr deutlich ausgedrückt - bei Fernmeldenetzen kann man nicht Kleinstaaterei betreiben. Andererseits muß man aber bei der Post auch erkennen, daß Telekommunikation immer schon eine starke infrastrukturelle Bedeutung hatte. Nur war das nicht allen Beteiligten, besonders der Öffentlichkeit nicht, so klar wie heute. Es wäre daher unklug von der Post, die Länder auf die Gesetzeslage zu verweisen und zu sagen, das geht euch gar nichts an, wie wir die Fernmeldenetze ausbauen. Die Städte und Länder sollen ihre Wünsche anmelden und sagen, ich möchte das und das. Ein Zusammengehen mit der Bundespost in diesem Sinne halte ich für sehr positiv. Deshalb war der Ansatz von Herrn Späth, der sehr schnell reagiert und die richtigen Fachleute genommen hat, auch gut. Die Kommission hat wirklich hervorragende Arbeit in Richtung geschäftliche Kommunikation geleistet, wenn auch das Ergebnis für Baden-Württemberg noch nicht ermutigend ist. Wegen des Bonner Regierungswechsels im Herbst 1982 ist diese gute Sache leider ins Stocken geraten: Da wurde dann plötzlich darüber geredet, daß in Baden-Württemberg auch im Bereich Telekommunikation Kooperationsmodelle gemacht werden. Derartige Überlegungen haben die ganze Geschichte eigentlich nur.. .

- verzögert?

... Ja. Herr Schwarz-Schilling hat dann anfänglich zu allem Überfluß damals in Baden-Württemberg auch noch Gesprächsbereitschaft signalisiert. Bis ihm dann wohl allmählich klar wurde, daß das nicht geht. Es gäbe dann nämlich die gleichen Probleme wie mit den zwei nationalen Netzen in England, nur wären es dann nicht einmal bundesweite Netze gewesen.....

- Man würde seinen ganzen Vorteil den Monopolvorteil, aufgeben.

Ja. Auch integrierte Netze wären nicht machbar gewesen.

In Baden-Württemberg wurden die konkreten Wünsche des Landes an die Post zu wenig betont. Die haben nur gesagt, die und die Art von Diensten könnte man machen, aber nicht lokalisiert.

- Sie haben Ihre Anforderungen nicht konkret gestellt?

Ja, was dazu führte, daß sich die Post in Baden-Württemberg überhaupt nicht angesprochen fühlte. Sie baut ihr digitales Netz auf, nach zentralen Planungen; die Wünsche Baden-Württembergs sind nicht miteingeflossen. Meine Firma ist eben dabei, das in Nordrhein-Westfalen anders zu machen und Herr Rau hat ja Herrn Schwarz-Schilling geschrieben und um Zusammenarbeit mit der Post gebeten. Wir überlegen, welche Auswirkungen die ganzen Technologien auf die Infrastruktur eines Landes haben. Mir ist bewußt, daß natürlich jedes Land sagen wird, ich möchte das und das alles zuerst haben. Unterstellt, alle Länder würden so reagieren, dann würden trotzdem sehr schnell "Landkarten" entstehen, die der Post zeigen, welche Dienste wo benötigt werden.

- Also was vor allen Dingen alle gemeinsam auf jeden Fall brauchen. . .

.. . und welche Dienste, nur lokal oder regional angeboten, nichts nützen, wie zum Beispiel Videokonferenzstudios, die nur Nordrhein-Westfalen verbinden. Wir haben jetzt eine Fragebogenaktion gestartet; anhand der Rücklaufs wird plötzlich klar, wo die Hauptanforderungen gestellt werden. Daraus könnte dann, ich nenne es mal ein bißchen hochtrabend, ein Telekommunikationsentwicklungsplan entstehen.

- Sie meinen so etwas wie einen Telekommunikationswegeplan. . .

.. . Ja, den habe ich allerdings in meiner Zeit bei der Post immer abgelehnt, und zwar deshalb, weil ich immer Assoziationen a la Rhein-Main-Donau-Kanal hatte. Der Bundesverkehrswegeplan ist nämlich verbindlich. Dabei besteht die Gefahr, daß in dem Moment, in dem etwas verbindlich lokalisiert über viele Jahre im voraus festgelegt wird, erstens der Posthaushalt immer weniger flexibel für die Anpassung an technologische Entwicklungen ist und zweitens selbst bei vollkommener Änderung der Bedarfslage einmal beschlossene Projekte wegen der regionalen politischen Bedeutung nicht mehr zurückgenommen werden können.