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Die Geschichte holt IBM ein

12.02.2001
In diesen Tagen erscheint ein Buch des US-Autors Edwin Black, das IBMs "Bündnis mit den Nationalsozialisten" beleuchtet. Der Vorwurf: Mit Rechenmaschinen von Big Blue seien Krieg und Konzentrationslager verwaltet worden.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Bertelsmann-Tochter Random House bringt heute das Buch "IBM and the Holocaust: The Strategic Alliance between Nazi Germany and America´s Most Powerful Corporation" von Edwin Black auf den US-Markt. Mehr oder weniger zeitgleich soll das Werk in acht Sprachen weltweit aufgelegt werden. Black, der sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Israel, Palästina und dem Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt hatte, erhebt in seinem neuesten Werk schwere Vorwürfe: Hollerith-Rechenmaschinen und -Lochkarten der IBM-Tochter Dehomag hätten es den Bürokraten des so genannten Dritten Reichs ermöglicht, Krieg und Konzentrationslager in perfider Genauigkeit zu verwalten.

Dass die Nazis Hollerith-Maschinen nutzten, wissen Historiker seit Jahrzehnten. Autor Black bringt aber mit Hilfe von rund 100 weiteren Rechercheuren zahlreiche neue und pikante Details ans Tageslicht. Der damalige IBM-Chef Thomas Watson habe mit Nazi-Deutschland bis zum bitteren Ende Geschäfte gemacht. Trotz internationaler Boykotte sei Deutschland in den 30er Jahren zweitgrößter Absatzmarkt von Big Blue gewesen.

Im konzerneigenen Intranet hat IBM seine Mitarbeiter vorab über das Erscheinen des Buches informiert. "Wir anerkennen, dass das Thema für viele IBMer, ihre Familien und die Weltgemeinschaft ein wichtiges und in höchstem Maße schmerzvolles ist", heißt es dort. Die für juristische Angelegenheiten zuständige Konzernsprecherin Carol Makovich wollte keine offizielle Stellungnahme abgeben, bevor IBM das Buch nicht selbst in Augenschein genommen habe.

Abgesehen vom Image-Verlust drohen IBM offenbar auch juristische Konsequenzen: Vor einem Gericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn wurde bereits im Namen von fünf Belgiern eine entsprechende Klage gegen das Unternehmen eingereicht. An gleicher Stelle war vor rund drei Jahren die Einigung zwischen Holocaust-Überlebenden und Schweizer Banken ausgehandelt worden. In Deutschland gehört IBM zu den inzwischen rund 5750 Unternehmen, die sich an der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft beteiligt haben (die Höhe des Beitrags ist nicht bekannt).