Auslagern will gelernt sein

Die Gefahren bei Outsourcing-Projekten

12.07.2002
MÜNCHEN (kf) - Die Zahl der "Bad Deals" beim Outsourcing wird in den kommenden 18 Monaten drastisch steigen. Mit dieser Prognose appelliert Gartner an Unternehmen, sich beim Abschluss von Neuverträgen nicht zu überschlagen. Es sei ein Fehler, die IT nur wegen der Aussicht auf eine kurzfristige Kostenreduktion auszulagern.

Dem europäischen Markt für IT-Services droht eine Durststrecke: Gartner prognostiziert dem Segment für 2002 einen Zuwachs von lediglich 2,3 Prozent. Angesichts der niedrigsten Wachstumsrate seit zehn Jahren expandieren viele Dienstleister ins Outsourcing-Geschäft, so dass die Marktforscher ein wahres Hauen und Stechen um die Gunst des Kunden erwarten. Speziell im laufenden Jahr, in dem in erster Linie der rasche Return on Investment (RoI), Instant-Einsparungen und schnelle Renditen angesagt sind, üben Outsourcing-Verträge, die eine unmittelbare Entlastung der Budgets versprechen, eine starke Anziehungskraft auf Unternehmen aus. Der Weg ins Outsourcing ist laut Gartner jedoch mit Stolpersteinen gepflastert.

Sparen kann teuer werden

Vorrangig auf rasche Kostenreduzierung ausgerichtete Outsourcing-Partnerschaften geraten nach Gartner-Beobachtungen meist schon innerhalb der ersten zwölf Monate in eine Schieflage. Solche Kooperationen resultierten häufig in Langzeitabhängigkeiten, die der Dynamik heutiger Business-Umgebungen nicht gerecht werden könnten.

Zu den negativen Folgen des Outsourcings als Sofortmaßnahme für Kosteneinsparungen zählen die Gartner-Experten eine starke Belastung der Partnerschaft zwischen Dienstleister und Auftraggeber, die nicht selten dazu führt, dass der Deal grundsätzlich in Frage gestellt wird. Hinzu kämen die ausgeprägte Unzufriedenheit der einzelnen Geschäftsbereiche mit den Serviceleistungen sowie letztendlich explodierende Gesamtkosten für das Unternehmen.

Grundstein für eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Outsourcing-Partnern ist eine möglichst reibungslose Übergangsphase. Zu den häufigen Fehlern zählt Gartner eine unzulängliche Kommunikationsstrategie im Unternehmen. Nicht selten werde zu spät, zu wenig und nur unregelmäßig über das Auslagerungsvorhaben informiert, was die Moral des Personals untergrabe und das Misstrauen unnötig schüre. Um dem vorzubauen, sollten sich im Vorfeld jeglicher Ankündigungen IT- und Personal-Manager sowie Geschäftsbereichsleiter auf die zu verbreitenden Schlüsselbotschaften einigen. Diese hätten sich strikt an der dem Entscheidungsprozess zugrundeliegenden Logik, vor allem aber an den unmittelbaren Auswirkungen auf das vom Outsourcing betroffene Personal zu orientieren.

Zu den Eckpfeilern einer erfolgreichen Outsourcing-Partnerschaft gehören die Service-Level-Agreements (SLAs). Sie definieren, wie zeitnah und in welcher Form Dienste erbracht werden. Nach Beobachtungen von Gartner ist eine Vielzahl der gängigen SLAs allerdings alles andere als durchdacht. Deren häufig einseitige Ausrichtung auf technische Aspekte lasse die Erfüllung selbst minimaler Geschäftsanforderungen meist außer Acht. SLAs hingegen, die Bestandteile wie eine Ergebniskommunikation an die einzelnen Unternehmensbereiche und leistungsbezogene finanzielle Incentives beinhalten, sorgen laut Gartner für Outsourcing-Beziehungen, die tatsächlich auf unternehmensspezifische Geschäftsanforderungen ausgerichtet sind.

Als einen weiteren Stolperstein beim Abschluss von Outsourcing-Deals bezeichnen die Berater das Fehlen einer vertraglich festgelegten Methode, anhand derer sich die Beziehung zwischen Dienstleister und auslagerndem Betrieb evaluieren und managen lässt. Aufgrund häufig unvorhergesehener Veränderungen in der Unternehmensstruktur, dem Geschäftsumfeld oder im Technologiebereich kann sich der Anforderungskatalog während der Vertragslaufzeit so wandeln, dass der ursprüngliche Deal zum Hemmschuh gerät. "Unternehmen sollten sich fragen, ob der ,tolle Deal'', den sie 2002 oder 2003 unterschreiben, auch in zwei Jahren noch als solcher zu bezeichnen ist", rät Roger Cox, Vice President Sourcing Management bei Gartner. Die inhaltliche "Haltbarkeit" des Vertrags lässt sich nach Ansicht der Experten verlängern, indem entsprechende, von beiden Parteien akzeptierte "Benchmarking"-Klauseln aufgenommen werden.

Moderne Verträge zeigen Flexibilität

Etwas gelassener sieht das Eberhard Schott, Partner des Mainzer Beratungshauses Eracon: Seiner Meinung nach lassen moderne Outsourcing-Verträge in Sachen Flexibilität nicht mehr viel zu wünschen übrig. "Sicher wird ein realistischer Anbieter bei der Abnahme von weniger Leistung als ursprünglich ausgehandelt für jede Serviceeinheit etwas mehr verlangen als zuvor - was den Outsourcing-Nachfrager natürlich ärgert", räumt der Consultant ein. Grundsätzlich ließen die heutigen Verträge aber durchaus Spielraum für Anpassungen.

Häufig unterliegen Unternehmen beim Auslagern der eigenen IT dem Irrtum, alle damit verbundenen Risiken lägen von nun an beim Dienstleister. Auftauchende Probleme werden deshalb nicht selten dem Outsourcing-Anbieter in die Schuhe geschoben - eine Praxis, die die Partnerbeziehung laut Gartner empfindlich trüben und zu Nachteilen auf beiden Seiten führen kann. Abhilfe schafft nach Ansicht der Experten eine zusammen mit dem Dienstleister definierte Risikoanalyse, anhand derer sich potenzielle Gefahren erkennen und reduzieren lassen. In einem nächsten Schritt gelte es, einen Maßnahmenkatalog zur Vermeidung der identifizierten Gefahren zu erstellen. Schließlich sollten die Ergebnisse des Analyseprozesses dokumentiert und zusammen mit historischen und aktuellen Risikodaten archiviert werden.

Outsourcing will gemanagt werden

Im Bemühen, den Auslagerungs-Deal schnellstmöglich in trockene Tücher zu bringen, wird der Aufbau eigener, im Haus verbleibender Ressourcen häufig vernachlässigt. Letztere sind als fester Bestandteil des Outsourcing-Plans für das Gesamt-Management der Dienstleistungsbeziehung jedoch unerlässlich. Gartner empfiehlt, für die "Retained Organization" zwischen drei und zehn Prozent des Vertragswerts einzukalkulieren. Laut Berater Schott sollte sich diese als Vertreter der Fachabteilungen und Geschäftsbereiche verstehen, direkt dem CIO unterstehen und das gesamte Demand-Management übernehmen. Dazu zählen die strategische Anwendungsplanung, das Anforderungs- und Dienstleistungs-Management sowie die Kontrolle der SLAs. Eine durchdachte Besetzungspolitik ist dabei das A und O: "Man sollte für diese Aufgaben nicht die teuren Urgesteine unter den Mitarbeitern einsetzen, denen man aus langjähriger Verpflichtung heraus nicht zumuten will, zum Dienstleister zu wechseln", erklärt Schott. Die Outsourcing-Regie erfordere strategische Anwendungs- und Vertrags-Manager, die häufig in der eigenen IT gar nicht zu finden seien. "Unter Umständen ist es klug, hierfür neue Leute hinzuzuziehen."