Teamwork, Bodenhaftung, Beziehungsmanagement

Die Führungskraft der Zukunft ist ein Coach

29.07.2016
Von Gerlinde Manz-Christ
Chefs, die einsam entscheiden, haben ausgedient. Gefragt sind heute Führungskräfte, die auf die Kraft der Zusammenarbeit setzen. Diesen partizipatorischen Führungsstil kann man lernen. Wir verraten fünf Erfolgsregeln.

Teamwork wird in Wirtschaft und Management mindestens so groß geschrieben wie in der modernen Diplomatie. Internationale Vernetzung und Zusammenarbeit stehen mittlerweile auf der Agenda jedes großen Mittelstandsbetriebs. In der Praxis herrscht im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Führungskraft und Team jedoch eine viel größere Verunsicherung als in Diplomatie und Politik. Nicht wenige Manager scheinen zu fürchten, dass sie als Leader an Bedeutung verlieren, wenn zunehmend partizipative und kooperative Strukturen in ihrer Organisation Einzug halten.

Partizipative und kooperative Strukturen bringen nicht automatisch einen Autoritätsverlust mit sich.
Partizipative und kooperative Strukturen bringen nicht automatisch einen Autoritätsverlust mit sich.
Foto: alphaspirit - Fotolia.com

Bei vielen Führungskräften nehme ich eine gewisse Angst vor Autoritätsverlust wahr. Während wir autokratische Herrscher in der Politik, wie beispielsweise Alexander Lukaschenko oder Recep Tayyip Erdogan, extrem kritisch sehen, gelten mit enormer Machtfülle ausgestattete Wirtschaftsführer wie Steve Jobs oder Jack Welch noch als bewundernswert. Dabei hat der allwissende, einsam entscheidende Chef ausgedient.

Die Unternehmenskultur der Zukunft verlangt nach Partizipation und Kooperation. Funktionierende Teams sind der Erfolgsgarant, nicht alleinherrschende Vordenker. In der Partizipation verbirgt sich das Potenzial, um den vielfältigen und komplexen Herausforderungen des Arbeitsalltags erfolgreich zu begegnen. Machen Sie es wie die Diplomaten - setzen Sie auf die Kraft der Zusammenarbeit und vorhandenen Ressourcen:

Erfolgsregel 1: Bodenhaftung ist die Basis für Beteiligung

Führungskräfte, die auf dem hohen Ross daherkommen, sind in meiner Wahrnehmung nie ausreichend geerdet. Geerdete Menschen wissen um ihre Stärken und Schwächen, konzentrieren sich dabei auf ihre Stärken. Sie stehen mit beiden Beinen auf dem Boden. Da sie aufrecht stehen, sind sie groß genug und haben es nicht nötig abzuheben.

Für das, was Sie selbst weniger gut können, suchen Sie sich bessere Mitarbeiter. Diese Mitarbeiter dürfen Sie nicht nur übertreffen - sie sollen es. Ein geerdeter Mensch ruht in seiner Persönlichkeit. Er hat keine Angst vor Bedeutungsverlust, weil er seine Bedeutung überhaupt nicht in der Anerkennung von außen sucht. Ich habe im diplomatischen Dienst mehr als einen dieser Menschen kennenlernen dürfen.

Erfolgsregel 2: Seien Sie da - aber nicht im Weg!

Chefs, die starke Persönlichkeiten UND starke Teamplayer sind, geben ihren Mitarbeitern die nötige emotionale Sicherheit, sich auszuprobieren, unkonventionelle Wege zu gehen und eigene Grenzen auszuloten. Geerdete und selbstreflektierende Chefs betreiben kein bloßes Laissez-faire. Im Gegenteil, sie kommunizieren intensiv mit ihrem Team und sind stets bestens informiert.

Aus ihrer Selbstreflexion folgt die gemeinsame Reflexion, und dazu zählt, sich mit jedem Teammitglied zusammenzusetzen und zu überlegen, wo und wie es sich am besten einbringen kann. Die Führungskraft der Zukunft ist eher ein Coach, der dem Einzelnen hilft, seine Stärken zum Wohl des ganzen Teams, zum Unternehmenserfolg, einzusetzen. Ein solcher Chef gewährt Mitarbeitern Gestaltungsfreiraum, Vertrauen und Unterstützung - und erntet dafür Loyalität und Motivation.

Erfolgsregel 3: Betreiben Sie Beziehungsmanagement

Im Zuge der Globalisierung verlangen immer mehr Aufgaben intensives Teamwork und wären mit "command and control" gar nicht zu bewältigen. Die Akzentverschiebung hin zum Team bringt es mit sich, dass Führungskräfte sich mehr mit einzelnen Menschen beschäftigen müssen als je zuvor. Wo liegen die Stärken des Einzelnen? Welche Bedürfnisse hat er oder sie? Das lässt sich nur herausfinden, wenn Vorgesetzter und Mitarbeiter sich auf der Beziehungsebene begegnen.

Ein funktionierendes Team setzt voraus, dass die Mitglieder auf der menschlichen Ebene gut miteinander auskommen. Führungskräfte können nicht mehr allein sachliche Vorgaben machen, sondern müssen gute zwischenmenschliche Beziehungen pflegen, intensiv mit allen Beteiligten kommunizieren und Vertrauen aufbauen. Für den Diplomaten ist Beziehungsaufbau und -pflege seit jeher sein wichtigstes Handwerkszeug.

Erfolgsregel 4: Nutzen Sie Möglichkeiten zur Weiterentwicklung

Mit Weiterbildung, Training und Coaching kann heutzutage jeder, der den festen Willen dazu besitzt, führen lernen. Nach dem "Born Leader" braucht kein Unternehmen der Welt mehr zu suchen. Menschen sind entwicklungsfähig, und wir verfügen über die Instrumente, jeden Menschen, der das will, bei seiner Entwicklung zur Führungskraft zu unterstützen.

Gerade der jungen Generation von Führungskräften und den Kandidaten für Führungsaufgaben ist es dabei oft wichtig, ihren Werten treu zu bleiben. Wer sich richtig unterstützen lässt, der kann seinen eigenen, erfolgreichen Führungsstil finden, ohne sich innerlich verbiegen zu müssen.

Erfolgsregel 5: Fördern Sie die Fähigkeit zum Rollenwechsel

Agile Teams gruppieren sich immer wieder neu und orientieren sich in ihrer Zusammensetzung an der gerade zu lösenden Aufgabe. Die Führung übernimmt derjenige, der dazu in der konkreten Situation die besten Voraussetzungen mitbringt - und nicht jener, der meint, er sei dazu stets berufen.

Teamfähigkeit wird neu definiert. Es geht nicht länger darum, einer bestimmten Stellenbeschreibung oder einem Rollenklischee möglichst perfekt zu entsprechen, sondern über ein Repertoire von möglichen Rollen in einem Team zu verfügen. Die meisten jungen Diplomatenschüler wirken heute sehr idealistisch und gleichzeitig pragmatisch. Sie werden intensiv geschult, im Team zu funktionieren und vor allem Krisensituationen gemeinsam zu meistern.