Die Fronten gegen Microsoft formieren sich Das Wiedererstarken der IBM im PC-Bereich steht im Blickpunkt

16.07.1993

NEW YORK (CW) - William Gates III. eroeffnete entsprechend der Bedeutung von Microsoft fuer die PC-Industrie die elfte PC Expo im Jacob Javits Convention Center von New York. Robert Corrigan, Chef der IBM Personal Computer Company, erhielt einen Tag spaeter die Chance, dem Plenum das Wiedererstarken von Big Blue in diesem Markt zu erlaeutern.

Gates' Rede befasste sich mit "zwei Entwicklungen, an denen seit fuenf Jahren gearbeitet wird und von denen ich hoffe, dass sie auch funktionieren". Gemeint sind das lang erwartete Windows NT - das nun ab dem 24. Juli ausgeliefert werden soll - und die Visual Basic Applications Edition, eine Makro-Programmiersprache fuer unterschiedliche Anwendungssoftware. Die Makrosprache soll in den neuen Versionen von Project und Excel integriert sein, die Microsoft im Herbst vorstellen will und spaeter auch in den "Office"-Produkten Word, Powerpoint und Mail. Zukuenftig muessen Applikationsentwickler fuer Microsoft-Produkte nur noch eine Makrosprache erlernen; die programmierten Makros lassen sich fuer unterschiedliche Programme verwenden. "Die Daten stehen im Zentrum, nicht mehr die Applikationsprogramme", begruendete Gates den Schritt zur Application Edition, die OLE Automation 2.0 unterstuetzt.

Dass Microsoft mit der Idee einer gemeinsamen Makrosprache fuer verschiedene Applikationen nicht alleine steht, beweisen die Ankuendigungen von Lotus mit "Lotusscript" und Wordperfect mit seiner Version

einer "common language". Lotusscript ist bislang zwar nur in "Improv" implementiert, soll aber nach und nach in alle Lotus- Applikationen eingebaut werden. Wordperfect kann fuer seine Makrosprache bereits einige Softwarepakete vorweisen: Wordperfect fuer Windows, Office 4.0, Informs und die demnaechst vorgestellte Version 2.0 von Presentations fuer Windows. Allerdings bezweifeln Insider, dass Wordperfect und Borland ihre Bemuehungen mit objektorientierten Applikationen koordinieren und auch fuer das gemeinsame Paket "Borland

Office" anbieten werden. Borland Office - gedacht als Gegenangebot zu Microsoft-Produkten - buendelt die Textverarbeitung Wordperfect, die Tabellenkalkulation Quattro Pro und die Datenbank Paradox.

Ebenfalls als Alternative zu Microsoft zeigte die IBM ihre neue DOS-Version PC-DOS 6.1. Das Betriebssystem kommt im Gegensatz zu MS-DOS 6.0 mit "Full-Funktion"-Utilities, wie es IBM nennt. Ein Antivirus-Programm, eine Backup-Software fuer Festplatten und Bandlaufwerke, der "Ramboost Memory Optimizer" von Central Point Software Inc. sowie ein Editor fuer die Unterstuetzung multipler Files sind integriert. Ausserdem erhaelt der Kaeufer einen Gutschein fuer die Datenkompression "Superstore" von Addstore, die momentan noch getestet wird. Das neue PC-DOS unterstuetzt PCMCIA 2.0 und erlaubt, Pen-Eingabegeraete wie eine Maus zu benutzen. Obwohl die technische Zusammenarbeit mit Microsoft im September auslaeuft, will IBM noch in diesem Jahr eine DOS-Version herausbringen, die eine der OS/2-Workplace-Shell aehnliche grafische Oberflaeche hat. Eine Multitasking-Version von DOS ist ebenfalls im Gespraech.

Neben IBM arbeitet auch Microsoft an einer DOS-Weiterentwicklung, nachdem das im Fruehjahr vorgestellte MS-DOS 6.0 trotz verschiedener Fehler-Reports alle Verkaufsrekorde gebrochen hat. Unter dem

Codenamen "Chicago" will die Gates-Company ein DOS-Betriebssystem mit Multitasking- und Multithreading-Faehigkeiten auf den Markt bringen. Auch Novell meldet Neues von der DOS-Front. DR-DOS heisst ab sofort Novell-DOS. Im September soll die Version 7.0 vorgestellt werden, mit der Moeglichkeit zu Multitasking und Multithreading.

Erste Erfolge meldete Bob Corrigan, President und CEO der IBM PC Company, nach neun Monaten Unabhaengigkeit von der blauen Mutter. Im zweiten Quartal 1993 sei die Auslieferung von IBM-PCs gegenueber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um mehr als 40 Prozent gestiegen, waehrend die Branche nur ein durchschnittliches Stueckzahlenwachstum von 15 Prozent aufweise. Corrigan kann damit das dritte Quartal in Folge mit Wachstumsraten ueber 40 Prozent vermelden. Von den vier Rechnerlinien Value Point, PS/1 und PS/2 sowie Thinkpad sei das Geschaeft mit den Tragbaren das zukunftstraechtigste, und gerade in diesem Bereich habe IBM grosse Fortschritte erzielt, so Corrigan.

Fuer einigen Aufruhr sorgte auf der PC Expo das Geruecht, dass Apple zukuenftig auch Intel-CPUs in Macintosh-Rechnern einsetzen werde. Kenner der

Firma mit dem neuen Chef

Michael Spindler erwarten "Dual-mode"-Versionen von Notebooks und sogar Quadra-Servern, bei denen sowohl Apple- als auch Windows- Programme ablaufen koennen. Zusammen mit Novell arbeitet Apple daran, dass sich Apple-Software auf PCs einsetzen laesst. Bislang koennen schon Daten zwischen den unterschiedlichen Rechnern ausgetauscht werden. Einen weiteren Schritt in diese Richtung bedeuten die Ankuendigungen von Wordperfect, Novell, Borland und IBM, Apples Opendoc-Technik fuer die Windows-Plattform zu entwickeln beziehungsweise zu nutzen. Opendoc erlaubt das Erstellen von "compound documents", die Text und Grafik von verschiedenen Quellen in einen File uebernehmen.

Als weitere Highlights auf der Drei-Tage-Messe glaenzten unter anderen Adobe mit "Acrobat" fuer den papierlosen Dokumentenaustausch im Unternehmen, Claris mit dem "Filemaker Pro 2.1", AST, die mit dem "Bravo LP" einen Stromspar-PC vorstellten oder Kyocera mit einer neuen Druckertechnik in den "Ecosys"- Printern. Im Multimedia-Pavillon enthuellte IBM drei 32-Bit- Multimedia-Applikationen fuer OS/2 unter dem Namen "Ultimedia".

Den ueber 95 000 Besuchern der PC Expo wurden auch Seminare angeboten, beispielsweise "What's hot this summer?" Egil Juliussen, Herausgeber des Computer Industry Almanach, sieht fuer dieses Jahr NT, Multimedia- und Pentium-PCs, Farb-Notebooks, OS/2- Software, Laser-Printer mit 600 dpi, den Local Bus sowie Client- Server-Applikationen stark im Kommen. Der Lebenszyklus von Mini- und Mainframe-Computern neigt sich seiner Meinung nach ebenso dem Ende zu wie der von 5,25-Zoll-Laufwerken oder monochromen Bildschirmen. Als Prognose fuer die Jahre 1995 bis 1997 gab er RAID, Power-PCs, Subnotebooks, ATM, Sicherheitsprodukte und Spracheingabe als "heisse Renner" an.