XML/Datenaustausch erfordert Standards

Die Flexibilität von XML fördert den Wildwuchs bei Anwendungen

21.04.2000
Mit der Extensible Markup Language (XML) steht dem Anwender ein nahezu ideales Werkzeug für den Datenaustausch in Netzwerken zur Verfügung. Die Sprache kann sowohl interne Aufgaben bei der Enterprise Application Integration (EAI) übernehmen als auch extern die Verteilung von Unternehmensinformationen leisten. Damit ist XML auf dem Weg zu einer Kerntechnologie des E-Commerce.

Das Warenwirtschaftssystem eines Unternehmens sendet eine Rechnung als Datensatz über das Netz, und die Finanzbuchhaltung des Empfängers importiert diese Informationen - ohne dass eine manuelle Bearbeitung nötig ist. Mit derlei Szenarien werben die Verfechter von XML. Die Sprache versetzt den Nutzer in die Lage, Preise, Verfassernamen, Zeit- und Datumsangaben, Schlagworte oder Aktienkurse als inhaltliche Einheiten eines Dokuments festzulegen. Für jeden dieser Inhaltstypen lässt sich eine so genannte Document Type Definition (DTD) erstellen, die beschreibt, nach welchen Kriterien und Regeln der entsprechende Inhalt ausgewertet werden muss. So kann eine Applikation beispielsweise selbständig Preisangaben, Aktienkurse oder andere Informationen aus Dokumenten herauslesen und weiterverarbeiten. Der Sun-Manager Mike Rodgers ließ sich deswegen sogar zu der Aussage hinreißen, dass "XML für unsere Vision eines Service-orientierten Internet genauso wichtig wie Java ist".

Unternehmen können die Inhalte von Dokumenten mittels Document Type Definitions (DTD) frei definieren, um so individuellen Anforderungen gerecht zu werden. Dies stellt kein Problem dar, solange lediglich zwei Betriebe miteinander kommunizieren. Wenn aber mehr Partner hinzukommen, wird das Fehlen von einheitlichen Standards problematisch. So wäre es möglich, dass in Zukunft unterschiedliche Definitionen im Einsatz sind, die gleiche Inhalte beschreiben. Überwachung und Standardisierung auf einer möglichst breiten Basis tun also not, wenn man vermeiden will, dass jeder größere Softwarehersteller versucht, sein eigenes Vokabular im Markt durchzusetzen.

Genau diese Absicht wird Microsoft von der Konkurrenz bei Biztalk unterstellt. Im Mai letzten Jahres wurde dieses so genannte XML-Framework veröffentlicht. Inzwischen finden sich bereits namhafte Anwender. So werden schon heute beim Bau von Marktplätzen im mySAP.com-Umfeld Biztalk-Schemata eingesetzt.

Biztalk sieht sich aber auch einiger Konkurrenz gegenüber, beispielsweise E-Speak von Hewlett-Packard. Auch die Ambitionen von Oasis, der Organization for the Advancement of Structured Information Standards, in der auch Microsoft Mitglied ist, rivalisieren zu einem gewissen Grad mit Biztalk. Dabei handelt es sich um ein internationales Konsortium, das den Einsatz von produktunabhängigen Formaten beschleunigen will, die auf öffentlichen Standards basieren.

Gremien bemühen sich um Branchen-VokabularÄhnliche Ziele verfolgt auch das W3C, ein internationales Branchenkonsortium, das der Web-Erfinder Tim Berners-Lee leitet. Es stellt unter anderem ein Repository mit Informationen, Muster-Code-Implementierungen zur Verbreitung der Standards sowie verschiedene Prototyp- und Musteranwendungen bereit. Das Konsortium hat heute rund 340 Mitglieder.

Eine weitere globale XML-Initiative wurde im Dezember vergangenen Jahres ins Leben gerufen. Sie will ebenfalls ein einheitliches Framework - ebXML - entwerfen, das vor allem den Business-to-Business-Commerce erleichtern soll. Dies soll nicht nur eine höhere Interoperabilität gewährleisten, der globale Standard hat auch das Ziel, kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu XML-Anwendungen zu vereinfachen. 150 Unternehmen und verschiedene internationale Institutionen unterstützen die Initiative, darunter auch UN/Cefact, das Handelsgremium der Vereinten Nationen. Erste Ergebnisse will die XML-Initiative Anfang 2001 vorlegen.

Die Entwicklung einheitlicher DTDs auf der Basis von EDI-Formaten (Electronic Data Interchange) ist ebenfalls eine realistische Möglichkeit für eine Standardisierung. Im Falle von EDI wurde in nahezu zwanzigjähriger Kleinarbeit eine systemübergreifende Normierung von Datensätzen entwickelt. Beispiele für Standardisierungsversuche von XML auf EDI-Grundlage bieten sowohl das W3C, das eine eigene XML/EDI-Group gebildet hat, die sich mit diesem Thema befassen soll, als auch Rosettanet (siehe dazu den Beitrag Seite 60).

An einer Standardisierung der Auszeichnungssprache besteht ein breites Interesse. Eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationen, Industrievereinigungen und Unternehmen, die allgemein den Informationsaustausch mit Kunden und Lieferanten sicherstellen wollen, bemüht sich um eine Vereinheitlichung. Ob dies gelingt, hängt von der Marktmacht ab, welche die Initiativen hinter sich haben.

*Kristina Ruprecht ist freie Journalistin in Stuttgart.