Neue Finanzdienstleister erobern den Markt

Die Fintechs schicken sich an, den Kreditmarkt aufzumischen

24.08.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Nicht nur im Privatbereich, sondern auch im Businessto-Business-Sektor sorgen junge Finanzdienstleister mit frischen Geschäftsideen und innovativer Technik für Furore. Eine aktuelle Studie hat das Markt- und Disruptionspotenzial der Neulinge untersucht.

Die klassischen Banken sind in Verruf geraten. Die Finanzskandale der vergangenen Jahre, aber auch das Missverhältnis zwischen hohen Kosten (beispielsweise für Dispokredite) und mangelhafter Leistung (namentlich durch provisionsgetriebene Beratung) ruft in Privatkunden und mittelständischer Wirtschaft das Gefühl wach, als Klientel eigentlich gar nicht mehr erwünscht zu sein. Und häufig hat auch der Außenstehende den Eindruck, dass die Banken durch die (Nicht-)vergabe von Krediten an Existenzgründer über Gebühr Einfluss nehmen, wie sich eine wirtschaftliche Landschaft entwickelt.

Mit dieser Haltung haben die großen Bankhäuser den Boden für alternative Anbieter bereitet, die einen Mehrwert für die Kunden versprechen - unter anderem im Hinblick auf günstigere Konditionen und höhere Verfügbarkeit. Die erreichen sie, indem sie ihre Aufbauorganisation flach und ihre Prozesse schlank halten. Und indem sie sich für ihre Geschäftsmodelle der aktuellsten technischen Hilfsmittel bedienen. Unter dem Begriff "Fintechs" (ein Kunstwort aus Finanz und Technik) wurden diese jungen Wilden der Finanzszene für die Bankkonzerne zunächst zum Schreckgespenst, inzwischen aber auch immer häufiger zum gesuchten Kooperationspartner.

Die neuen Marktteilnehmer

Die mannigfaltigen Spielarten der Fintech-Szene sowie deren Geschäftspotenzial und "Sprengkraft" im Markt hat die Unternehmensberatung Pass IT-Consulting aus Aschaffenburg in einer Studie untersucht. Die Autorinnen Christine Spietz und Nadja Schlössel zitieren darin aus einer Untersuchung der University of Cambridge, derzufolge in Europa 255 Fintech-Plattformen existieren. Drei Viertel davon seien im Vereinigten Königreich beheimatet; Deutschland weise erst 31 auf. Das Marktsegment wachse jedoch überall rasant und könne in drei Jahren schon bei einem Volumen von sechs bis acht Milliarden Dollar weltweit liegen, so eine Studie von Nunatak.

Den größten Teil der Fintech-Innovation hat Pass im Mobile Payment gefunden. Aber auch in Sachen Kassensysteme, Informationsgewinnung und -verarbeitung sowie Kunden- und Bankenprozesse seien die Startups aktiv. "Fintechs tummeln sich nicht nur in Randbereichen des klassischen Bankings, sondern auch in den absoluten Kernbereichen", so das Fazit der Studie, "sie drängen erfolgreich in den Kreditmarkt sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen."

Fintechs spielen gern den Vermittler oder Betreiber von Peer-to-Peer-Plattformen (so beispielsweise der seit Neuestem börsennotierte Lending Club). Ein Grund mag sein, dass sie sich dazu weder um Compliance-Auflagen noch um Kreditausfallrisiken kümmern müssen. Auch deshalb können sie ihre Gebühren für die Teilnehmer attraktiv halten.

Darüber hinaus haben die jungen Finanzdienstleister den Markt für preisgünstige Auslandsüberweisungen ins Visier genommen. An diesem Geschäft haben Platzhirsche wie Western Union lange Zeit (allzu) gut verdient - zum Nachteil vieler Menschen, die vom sauer verdienten Geld, das sie ihren Familien im Ausland schicken wollten, Gebühren im hohen einstelligen Prozentbereich zahlen mussten.

Das Marktpotenzial und die Sprengkraft der Fintechs

Wie wird sich ein bestimmtes Marktsegment entwickeln? Und welche Gefahr birgt das für die etablierten Geschäftsmodelle? Dieser Frage ist die Pass-Studie nachgegangen. Als „Disruptoren“ stellten sich vor allem die Kreditgeber für kleinere Firmen heraus.

Hier sind die Fintechs überall aktiv

Das Fintech-Universum, wie es die Pass-Studie beschreibt, ist keineswegs statisch. Einige der jungen Unternehmen haben selbst noch keine konkrete Vorstellung, wo die Reise hingeht. Andere wissen genau, wo ihr Stück vom Kuchen liegt – heute und morgen.

Foto: Pass, Das FinTech Universum 2015

Der Pass-Studie zufolge lassen sich die Fintechs vor allem in zwei Kategorien einteilen: Hier das "Substitut", das die klassische Bank ersetzen kann, dort die "Anreicherung" als Ergänzung zum Angebot der großen Player.

Ersatz oder Ergänzung?

In den direkten Wettbewerb mit den Banken treten vor allem die Unternehmen, die Payment-Lösungen anbieten. Ein anderes Gebiet, auf dem die Fintechs den alteingeführten Finanzdienstleistern Geschäft streitig machen, sind Kredite für kleine und mittlere Unternehmen.
Andere Startups bieten Leistungen an, die den Banken nicht wehtun. Im Gegenteil - sie sind zum Teil begehrte Kooperationspartner, weil sie das klassische Bankgeschäft anreichern können. Dazu gehören vor allem die Spezialisten für private Finanzplanung, Factoring, Customer Journey, Forderungsversteigerung und Abrechnungsautomatisierung.
Einige Fintechs lassen sich nicht ohne Weiteres einer der beiden Kategorien zuordnen. Entweder weil sie nicht die Leistung der Banken, sondern die anderer Marktteilnehmer (zum Beispiel der Rating-Agenturen) substituieren. Oder weil ihr eigener Marktbeitrag, beispielsweise das Portfolio-Management, mit anderen Bankleistungen kombinierbar ist. Zu den "hybriden" Fintechs zählen auch die Anbieter von Videolegitimierung (ersetzen klassische Formen der Authentifizierung) und von Customer-Service-Automatisierung (machen Call-Center obsolet).