Banken und Versicherungen in Deutschland

Die Finanz-Innovationstreiber unter die Lupe genommen

25.04.2018
Von 
Wafa Moussavi-Amin ist Analyst und Geschäftsführer bei IDC in Frankfurt. In seiner Funktion als Geschäftsführer verantwortet Wafa Moussavi-Amin seit Oktober 2004 die Strategie und Geschäftsentwicklung der International Data Corporation (IDC) in Deutschland und der Schweiz, seit 2013 zeichnet er zudem verantwortlich für die Region Benelux.
Die Finanzbranche steht auf dem Prüfstand und muss sich transformieren. Welche Innovationstreiber dabei ins Spiel kommen, lesen Sie hier.

Die IT-Gesamtausgaben für das Kredit- und Versicherungsgewerbe stiegen im vergangenen Kalenderjahr 2017 um 3,9 Prozent auf ein Volumen von knapp 12 Milliarden Euro an. Mit einem Marktanteil von 17 Prozent ist das Kredit- und Versicherungsgewerbe die Branche mit dem zweitgrößten Anteil an den IT-Gesamtinvestitionen in Deutschland. Es liegt hinter dem verarbeitenden Gewerbe und vor den Unternehmensdienstleistern auf Platz 3. Knapp 7 Milliarden Euro haben alleine die Banken 2017 in IT investiert.

Nahaufnahme eines Krypto-Währungs-Mining-Rigs. In Banken und Versicherungen dienen Grafikkarten zum Betrieb von Arbeitsgeräten wie PCs oder Notebooks. In so genannten Mining-Rigs verrichten sie ihre Arbeit, indem sie nach Kryptowährungen schürfen.
Nahaufnahme eines Krypto-Währungs-Mining-Rigs. In Banken und Versicherungen dienen Grafikkarten zum Betrieb von Arbeitsgeräten wie PCs oder Notebooks. In so genannten Mining-Rigs verrichten sie ihre Arbeit, indem sie nach Kryptowährungen schürfen.
Foto: bogdanhoda - shutterstock.com

In Hardware wird traditionell am wenigsten investiert

Der Hardware-Bereich ist im gesamten Kredit- und Versicherungsgewerbe das Segment mit den geringsten absoluten Ausgaben. Zwar gaben Unternehmen zuletzt wieder etwas mehr Geld für neue Hardware aus, für den Zeitraum bis 2021 gehen wir jedoch nur noch von einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von einem halben Prozent aus. Sinkenden Ausgaben für PCs und Server sind mit ursächlich für diese Entwicklung, darüber hinaus konsolidieren viele Banken und Versicherungen weiterhin ihre Hardware hin zu Standardsoftware, um den Wartungsaufwand und die Kosten zu senken.

Positive Impulse gehen noch von Neuanschaffungen im Bereich Tablets und Smartphones aus. Insbesondere Versicherungsvertreter steigen vermehrt auf mobile Technologien um, um ihre Produkte und Policen direkt vor Ort beim Kunden schnell und einfach präsentieren zu können. Der Effekt wird jedoch künftig nicht mehr allzu stark ausfallen, da wir auch im Segment der Tablets und Smartphones zunehmend eine Sättigung beobachten.

Software Budgets fließen vorrangig in CXM und CRM

Im Vergleich zum Hardware-Markt können sich Software Anbieter freuen, der Markt entwickelt sich gut und wächst bis 2021 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 6 Prozent. Getrieben von dem hohen Wettbewerbsdruck und den immer geringeren Margen sind die Unternehmen gezwungen, ihre Produkte und Dienstleistungen immer schneller auf den Markt zu bringen.

Die Interaktion mit den Kunden sowie die stärkere Kundenorientierung spielt hierbei eine besondere Rolle. Es kommen verstärkt CRM-Lösungen, Software für Customer Experience Management sowie die Modellierung von Finanzleistungen zum Einsatz. Versicherer und Finanzdienstleister können ihren Kunden eine höhere Wertschöpfung bieten, optimieren gleichzeitig ihre Geschäftsprozesse und senken dabei die Kosten. Die aktuelle Zinspolitik setzt Banken zudem weiterhin stark unter Druck, die im Zuge dessen verstärkt auf Automatisierung setzen. Das Ziel: Kostensenkung. In diesem Zuge werden Investitionen in Automatisierungs-Software steigen. Bei den Versicherern treibt die Nachfrage nach Software für Personalmanagement-Lösungen und Rentabilitäts- und Performancemanagement die Investitionen.

Lesetipp: Kundenerlebis bei Investment-Banken - geht das?

Weitere wichtige Aspekte sind Risikomanagement- und Compliance-Systeme, die gerade in der Finanzbranche von großer Bedeutung sind. Risiken können besser überwacht und unter Kontrolle gehalten werden. Software-Investitionen in der Kredit- und Versicherungsbranche beziehen sich zunehmend auf die Sicherstellung der IT Security, beispielsweise im Bereich des Online-Banking. Der Datenschutz spielt hier eine herausragende Rolle.

Im Rahmen der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) werden Banken und Versicherer vermehrt in Software-Lösungen wie Datenmanagement-Lösungen, IT-Security oder Dokumentenmanagement-Tools investieren, die einen DSGVO-konforme Verarbeitung von personenbezogene Daten ermöglicht. Das treibt zwar vorrangig die Investitionen in Software, hat jedoch auch positive Auswirkungen auf den Hardware-Markt sowie auf IT-Dienstleistungen.

Im Kontext der Digitalisierung verfolgt mittlerweile der Großteil der Banken und Versicherungen eine kundenzentrierte Multi-Channel-Strategie. Zum Besuch in der Filiale werden verstärkt Videoberatung oder Chats von den Kunden nachgefragt und in diesem Zuge von den Banken angeboten. Auch setzen zahlreiche Banken Lösungen wie Self-Service-Portale und Kiosk- oder Beratungssysteme ein, um ihre Kunden aktiv in den Geschäftsprozess einzubeziehen.

Ein Fokus liegt auf der Optimierung der traditionellen Online- und Mobile-Banking-Lösungen, produktzentrierte Lösungen, digitales Kunden-Onboarding und die Umstellung auf einen technologiegestützten Beratungsprozess. Das Online-Geschäft wird dabei immer wichtiger. Ein Indiz hierfür ist auch die Entwicklung bei den Girokonten im Vergleich zu Online-Girokonten. Während ersteres stetig sinkt, verzeichnen Online-Girokonten ein Wachstum.

Lesetipp: Künstliche Intelligenz hilft Banken bei der Digitalisierung

Löwenanteil der Budgets geht an IT-Dienstleister

Rund 50 Prozent der IT-Ausgaben der Branche entfielen im Jahr 2017 auf IT-Dienstleistungen. Bis 2021 erwarten wir eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 2,2 Prozent. Die Pflege und Wartung von IT-Infrastruktur sowie von Anwendungen werden viele Banken weiterhin in die Hände Dritter gegeben. Dies treibt die Nachfrage nach IT-Dienstleistungen nach wie vor.

Zudem setzen immer mehr Versicherer und Banken auf Cloud Computing, um operative Kosten zu senken und Geschäftsprozesse zu optimieren. Während für Core Banking- und Versicherungsprozesse Private Clouds immer interessanter werden, nutzen die Banken und Versicherer für administrative und kundenbezogene Prozesse verstärkt auch Public Cloud Services. Die Verschiebung von Teilen der Infrastruktur hin zu Service-Anbietern ermöglicht es den Unternehmen, sich intensiver auf das Kerngeschäft zu konzentrieren.

Eine vertiefende Integration von Business-Prozessen stellt für viele Financial Services Unternehmen nach wie vor eine große Herausforderung dar. Darüber hinaus bilden die Themen Online- und Mobile-Banking sowie Mobile-Payment-Lösungen wichtige Bereiche. Die Branche muss auf diese neuen Anforderungen reagieren und mit der immer rasanter fortschreitenden Verbreitung von mobilen Technologien Schritt halten. Um entsprechende Apps und Plattformen bereitstellen zu können, müssen Banken und Versicherungen investieren, und zwar auch in IT-Services, die die App-Entwicklung oder die Integration der Apps in bestehende IT-Infrastrukturen betreffen.

Blockchain, Big Data und Mobility geben neue Impulse

Die Nutzung von Big-Data-Analysen bietet für Banken und Versicherungen in Deutschland großes Potenzial. Durch den Einsatz von Big-Data-Lösungen können beispielsweise die Vertriebsstrategie von Banken und Versicherungen optimiert werden. Die intelligente Datenanalyse ermöglicht somit eine passgenaue Beratung. Kunden sollen dadurch künftig noch besser erreicht und bedient werden. Für Versicherer ergeben sich gerade im Bereich Kundensegmentierung wichtige Einsatzfelder für Big-Data-Lösungen und auch hier lassen sich Risikoprofile, Modellrechnungen und Simulationen mit Hilfe der Daten erstellen.

Ziel ist es, die richtigen Produkte und Services im richtigen Moment anzubieten, um die Kunden erstklassig zu bedienen und den Absatz zu steigern. Mit den stetig steigenden Datenbergen wird in der Branche künftig noch stärker in Software- und Analysetools investiert werden.

Finanzdienstleister sind dabei, über alle Kanäle hinweg automatisiert Finanzberatung und Kundenservice auf Basis von kognitiven Systemen bereitzustellen. Einige von ihnen nutzen bereits kognitive Systeme, um manuelle Workflows und Geschäftsprozesse bei Finanztransaktionen zu beschleunigen, zu automatisieren oder sogar abzuschaffen.
Ein neuer Trend im Bankensektor geht beispielsweise hin zu Robo Advisors. Hierbei handelt es sich nicht um einen physischen Roboter, sondern um eine Algorithmen-basierte Software, die als digitaler Vermögensverwalter Anlageempfehlungen computergestützt anbietet. Dabei werden über wenige, gezielte Fragen und ohne menschliche Interaktion aus der Risikobereitschaft, der finanziellen Situation und den Anlagewünschen des Kunden Anlage- und Portfoliostrategien mit Hilfe diversifizierter Finanzmarktprodukte konfiguriert.

Auch "Chatbots" kommen schon häufig zum Einsatz. Dabei erteilen Software-Roboter über das Chatfenster einfache Auskünfte. Ein weiterer Anwendungsfall ist der Einsatz von Sprach-Ein- und Ausgabesystemen. Kognitive Systeme und Algorithmen können beispielsweise auch dazu genutzt werden, um betrügerische Muster zu erkennen und somit einem Versicherungsbetrug vorzubeugen.

Lesetipp: Chatbot FAQ: Was Unternehmen über Chatbots wissen müssen

Kunden fordern immer häufiger einen zeit- und ortsunabhängigen Zugang zu Kundeninformationen und Service-Leistungen, die von den Banken und Versicherern bereitgestellt werden müssen. Die Branche ist gefordert, auf diese Anforderungen reagieren, die oftmals mit der Nutzung von mobilen Technologien auf Kundenseite eingeht. Es überrascht daher wenig, dass das Angebot von Finanz-Apps wächst. Mittlerweile bietet die große Mehrheit der deutschen Banken eine Banking App an. Beispiele hierfür sind etwa die Banking Apps der Sparkasse, Postbank oder Volksbank.
Bankgeschäfte können damit jederzeit ortsunabhängig erledigt werden. Um entsprechende Apps und Plattformen bereitstellen zu können, fließen Budgets in die nötige Software. Aber auch IT-Services, die die App-Entwicklung oder die Integration der Apps in bestehende IT-Infrastrukturen betreffen, werden verstärkt nachgefragt.

Mobile Technologien sind nicht nur für die Banken- und Versicherungsmitarbeiter von Relevanz, sondern ändern auch die Art und Weise, wie in Zukunft kundenseitig im stationären Handel oder in Restaurants bezahlt wird. Benötigt wird hierzu ein NFC-fähiges Handy und ein entsprechendes Kassenterminal.

Die Deutsche Bank hat im Frühjahr 2017 ein mobiles Bezahlverfahren herausgebracht, mit dem Kunden an 80.000 kontaktlosen Kartenterminals in Deutschland mobil bezahlen können. Voraussetzung ist eine Kreditkarte der Deutschen Bank, die "DB Mobile Banking App" und ein Smartphone mit NFC-Schnittstelle. In der Praxis muss der Nutzer beim Bezahlvorgang nur das Smartphone entsperren und an das Kartenterminal halten. Ob die Zahlung erfolgreich war, sieht er am Terminal selbst oder später an einer Push-Benachrichtigung. Im Hinblick auf das mobile Bezahlen ist Deutschland im weltweiten Vergleich immer noch Entwicklungsland, hier verhalten sich die Nutzer erst einmal traditionell skeptisch.

Lesetipp: IoT und Mobile Connectivity: Nonsense für Finanzdienstleister?

Etablierte Banken und Versicherer sehen sich zunehmend mit neuen Playern und Start-Ups (Fintechs und Insurtechs) konfrontiert, die den Wettbewerbsdruck mit Speziallösungen erhöhen und traditionelle Bankhäuser und Assekuranzen bezogen auf Innovationen und Service-Angebote unter Druck setzen.

Eine Technologie, die einen radikalen Konzeptwechsel mit sich bringt und das disruptive Potenzial hat, einen Paradigmenwechsel im Finanzsystem herbeizuführen, ist Blockchain. Hierbei werden Transaktionen unmittelbar zwischen den Geschäftspartnern unter Verzicht auf viele der heute noch notwendigen Intermediärsleistungen ermöglicht. Effizienzsteigerungen und Innovationen sind mit Blockchain möglich. Jedoch bedeutet das im Umkehrschluss auch, dass Finanzinstitute als Intermediäre für viele Transaktionen obsolet werden könnten.

Ein FinTech Unternehmen, das Blockchain-Technologie für sich nutzt, ist beispielsweise XTech. Das Berliner Start-up betreibt eine Bezahl- und Transaktionsplattform auf Basis der Blockchain-Technologie. XTech kümmert sich dabei um die Umwandlung von Euro und Dollar in die Kryptowährung. Ein schönes Anwendungsbeispiel wäre hier etwa der Einsatz des Systems bei Essenslieferdiensten, die das Essen per Lieferroboter zustellen.

Der Druck auf die Digitalisierung der Geschäftsmodelle bleibt hoch. IDC erwartet für die Branche für den Prognosezeitraum bis 2021 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 3 Prozent für IT-Ausgaben, womit sich das Kredit- und Versicherungsgewerbe im Einklang mit dem gesamten IT-Markt in Deutschland entwickelt.