Anbindung von zehn Niederlassungen via Frame Relay

Die Filialvernetzung läßt Eurodis extern erledigen

11.06.1999
Die Eurodis Enatechnik Electronics GmbH, Quickborn bei Hamburg, hat sich eine komplett neue Kommunikationsinfrastruktur ins Haus geholt. Dabei vertraut der Elektronik-Distributor auf einen externen Dienstleister. Hadi Stiel* beschreibt das Projekt, in dem zehn Niederlassungen via Frame Relay vernetzt und eine streng zentralistische Kommunikationslandschaft umgestaltet wurden.

Die Ausgangssituation von Eurodis Enatechnik Electronics im IT-Bereich stellte sich Anfang 1997 folgendermaßen dar: Die Mitarbeiter in den Vertriebsbüros waren mit ihrem PC per Terminalemulation und Datex-P mit dem Quickborner HP3000-Rechner verbunden. Dort lagern auf einer HP-spezifischen Datenbank alle für Deutschland relevanten Geschäftsdaten. Textverarbeitung und Tabellenkalkulation waren nur an Einzelplatz-PCs möglich, lokale Netze gab es nicht. Die Einbindung aller Zulieferer erfolgte via Electronic Data Interchange (EDI), Datex-P und IBM Global Service.

"Diese zentralisierte Netzinfrastruktur ohne direkte Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Mitarbeitern konnte mit unserer Firmenexpansion nicht mehr Schritt halten", erinnert sich Stuart J. Cooke, IT-Manager bei Eurodis Enatechnik Electronics in Quickborn. "Wir wollten in den Vertriebsbüros wie auch im Weitverkehrsverbund eine moderne Infrastruktur, die uns genügend Flexibilität und Kapazität auf Jahre hinaus bot." Zudem hatte das Unternehmen einen Online-Anschluß an die Oracle-Datenbank in der Unternehmenszentrale in Reigate bei London im Auge, um künftig keine eigene physikalische Datenbank mehr führen zu müssen. Cooke nennt die einzelnen Ziele des Generationswechsels im Netz:

Alle Anwendungen wie die lokale Office-Welt, das zentrale Warenwirtschaftssystem Strategics von Misys in Reigate bis hin zu den Anwendungen ODIN (Online Distributor Information System) und Lotus Notes (zur Übertragung von Grafiken) im Zusammenspiel mit dem wichtigsten Zulieferer Siemens sollten Zugang zu sämtlichen stets aktuellen Daten haben. Mitarbeitern an über 200 PCs sollte der Online-Zugriff auf die zentrale Oracle-Datenbank in Reigate eingeräumt werden.

Zudem wollte Eurodis die Bestände aller Läger für die Mitarbeiter jederzeit transparent gestalten. Um aufkommende Lieferengpässe frühzeitig zu beheben, Überkapazitäten zu vermeiden und - wo erforderlich - Bestände aller Läger in eine Disposition einzubeziehen, sollten die Eurodis-Angestellten via PC Zugang zu den relevanten Informationen erhalten. Die Arbeiten mit Geschäftsdaten wollte der Elektronik-Distributor deutschlandweit durch einen flexiblen Austausch von Informationen und Dokumenten per E-Mail beschleunigen. Für die Kommunikation im LAN und WAN strebte Eurodis darüber hinaus einen durchgehenden verbindlichen Standard an, und zwar das Internet Protocol (IP). Schließlich sollte der Netzverbund so gestaltet werden, daß die Bandbreiten darin flexibel mit der Expansion des Unternehmens wachsen konnten.

Ein weitere Anforderung war, auf Basis der Oracle-Datenbank und mittels Data-Warehousing sowie Management Information System (MIS) geschäftswichtige und marktstrategische Auswertungen erstellen zu können.

Im Rahmen einer Ausschreibung wurden für das WAN- und LAN-Projekt insgesamt drei Anbieter angesprochen. Dieser Phase war eine Studie der Dr. Materna GmbH in Bremen vorausgegangen. Das Unternehmen übernahm auch die Auswertung der eingegangenen Angebote. Zusätzliches Ziel dieses Projekts war die ISO-9002-Zertifizierung für Eurodis Enatechnik Electronics. "Wir haben uns letztlich für die Deutsche Telekom als Dienstleister für das Weitverkehrsnetz und DeTeLine für die Errichtung der lokalen Netze samt Verkabelung entschlossen", so IT-Manager Cooke. Er nennt die wesentlichen Entscheidungsgründe: "Wir konnten so flächendeckend auf eine Komplettleistung aus einer Hand bauen und gleichzeitig über die Fernübertragung der Daten hinaus weiterführende Dienste an den externen Partner delegieren."

Weil die eigene IT-Manpower knapp bemessen ist, entschied sich Eurodis dafür, die zehn Access-Router in den externen Dienst einzubinden. Über die Qualität des externen Überwachungs- und Verwaltungseinsatzes hatte sich Cooke vor dem Start des Projektes persönlich im Hamburger Netzmanagement-Zentrum der Deutschen Telekom überzeugt. Für die Kommunikation im deutschlandweiten Verbund wurde das Frame-Link-Plus-Netz ausgewählt. An jedem Standort wurde der Zugang zum Frame-Relay-Netz mit 64 Kbit/s bemessen, die Committed Information Rate (CIR) im Frame-Relay-Netz selbst mit 32 Kbit/s ausgelegt. Für die Online-Kommunikation mit Reigate bestand bereits eine 256-Kbit/s-Festverbindung.

Im November 1997 startete das Gesamtprojekt, im Januar 1998 begann man mit dem Aufbau der LANs in den Vertriebsbüros - Größenordnung von 3 bis 35 PCs - und der Errichtung des LAN-to-LAN-Verbundes. Nach einem halben Jahr stand die Installation, inklusive der Konfiguration der Access-Router und ihrer Einbindung ins externe Netzmanagement, das neben dem Konfigurationsmanagment, das Fehler- und Performance-Management umfaßt.

Die Planer hatten die einzelnen Standorte in Form eines Sterns an die deutsche Zentrale in Quickborn herangeführt und für jedes Vertriebsbüro eine eigene IP-Subdomäne eingerichtet.

Als Kommunikationsstraßen durchs Frame-Relay-Netz dienen nun festgeschaltete PVCs (Permanent Virtual Circuits).

Die Einbindung der ISDN-Teilnehmer setzte die Telekom via Password Authorisation Protocol (PAP), Challenge Handshake Autorisation Protocol (CHAP) und Remote Authentication Dial-In User Server (RADIUS) um. Die Anwendungen ODIN und Lotus Notes wurden über eine zweistufige Firewall in Quickborn geschützt. Auch für diese Sicherheitssysteme trägt die Deutsche Telekom die Verantwortung.

Seit der Inbetriebnahme kam es lediglich zu zwei kurzen Ausfällen des Weitverkehrsnetzes. Der längste dauerte zwanzig Minuten und betraf das Vertriebsbüro in München.

Der kürzere, Dauer: drei Minuten, war ungewollt herbeigeführt worden. In Quickborn hatte jemand versehentlich den Netzstecker aus der RJ-45-Buchse des Routers gezogen. Prompt meldete sich der Administrator aus dem Hamburger Netzmanagement-Zentrum der Deutschen Telekom und monierte den Fehlgriff. Im Vertrauen auf eine hohe Verfügbarkeit der Installation vereinbarte Eurodis-Manager Cooke mit seinem Dienstleiter für eine notwendige Vor-Ort-Präsenz von Support-Kräften lediglich eine Entstörzeit von 24 Stunden.

Alle Leistungen im Rahmen der Weitverkehrskommunikation werden im Rahmen von LAN to LAN, das heißt inklusive der bereitgestellten Access-Router und Sicherheitssysteme, mit einer Monatspauschale abgegolten. So kann Eurodis Enatechnik Electronics ständig mit fixen und damit gut kalkulierbaren Kosten rechnen. Für das Unternehmen hat sich das neue Netz ausgezahlt. Es bietet in einem nahtlosen und schnellen Informations- und Dokumentenaustausch via E-Mail stets aktuelle Geschäftsdaten, einen permanenten Überblick über alle Lagerbestände sowie unter dem Strich eine wirtschaftliche Kommunikation.

Überzeugt haben zudem neue Funktionalitäten wie Data-Warehousing und MIS auf Basis der Oracle-Datenbank in Reigate. Mit ihnen können von Deutschland aus gezielte Recherchen beispielsweise zu Auftrags-, Lagerbeständen und fakturierten Produkten bis hin zu Statistiken über Lagerbewegungen, Umsätze nach Kunden, Produktart, Zeitraum und Region aufgesetzt werden. "Damit wird für uns das gesamte Geschäft wesentlich transparenter", unterstreicht Cooke.

So wundert es nicht, daß Cooke gemeinsam mit der Deutschen Telekom bereits neue Pläne schmiedet. Beispielsweise denkt das Unternehmen daran, via Frame Relay künftig auch den internen Telefonverkehr abzuwickeln, um so Gebühren einzusparen. Damit Gespräche nicht von Verzögerungen des Netzes gestört werden, verpackt die Deutschen Telekom die Sprache mittels eines Frame Relay Access Device (FRAD) in Zellen fixer Länge und schleust sie über einen priorisierten PVC durch das Frame-Relay-Netz. Von der Qualität der Sprachvermittlung über das Frame-Relay-Netz hat sich Cooke bereits überzeugt. Er vergleicht sie mit der Ausgabequalität der Funktelefonie.

Zudem wird das Unternehmen mit dem wachsenden Geschäft nicht an einer Aufstockung der Bandbreite im Frame-Relay-Netz vorbeikommen. Die CIR kann dazu für jeden Standort exakt nach Bedarf erhöht werden. Darüber hinaus wird bereits anvisiert, neben Siemens auch andere Zulieferer via Internet einzubinden, um so zusehends für das Zusammenspiel mit den Partnern IBM Global Service und Datex-P durch eine einheitliche Anbindungsweise abzulösen. Doch dieser Schritt liegt nicht allein in der Macht des Elektronik-Distributors. Um dieses Vorhaben verwirklichen zu können, so Cooke, ist man auf die Initiative der Zulieferer angewiesen.

Das Unternehmen

Die Eurodis Enatechnik Electronics GmbH in Quickborn bei Hamburg ist eine Tochter der Eurodis Electron PLC mit Zentrale in Reigate bei London. Sie unterhält bundesweit zehn Niederlassungen, über die Produkte wie Halbleiter, Flachdisplays, Touchpannels und Thermodrucker, aber auch Meß- und -Spleißgeräten für Lichtwellenleiter sowie Spezial- und Optoelektronik vertrieben werden. Für einen reibungslosen Ablauf müssen die Produktdaten, -informationen und -verfügbarkeiten von Zulieferunternehmen in den Geschäftsdaten-Pool übernommen werden. Für eine kunden- und zeitgerechte Auslieferung wollen zudem die Bestände des Zentrallagers im niederländischen Haaksbergen sowie der Läger in Quickborn und Stuttgart koordiniert sein. 1998 verschob das zentrale Magazin Waren im Wert von 250 Millionen Mark nach Deutschland.

*Hadi Stiel ist freier Journalist in Bad Camberg.